Elmar M. Lorey
Vom Wolfssegner zum Werwolf
Hexereiprozesse im Nassauer Land

Beitrag zur Studientagung "Alltagsleben und Magie in Hexenprozessen"  19. bis 21. Mai 2000; Kath. Akademie Trier in Koopertation mit der Universität Trier - Sonderforschungsbereich 235: Teilprojekt A5: Zauberei- und Hexenprozesse" und der Friedrich-Spee-Gesellschaft Trier.
Druckversion (ohne Verweise) in: Rita Voltmer und Günter Gehl (Hrsg.) : Alltagsleben und Magie in Hexenprozessen. Weimar 2003, S.65-79.

Am 7. Juli 1629 setzte sich der Driedorfer Pastor Melchior Thorejus an seinen Küchentisch und begann einen mitleidheischenden Brief an seinen Nassauischen Landesherren Graf Ludwig Henrich zu schreiben, der nur wenige Meilen entfernt auf seinem Stadtschloß in Dillenburg residierte. Wortreich beklagte sich der Pastor darüber, daß der Metzger des Grafen ein paar Tage zuvor seine beiden Ziegen willkürlich abgegriffen und der gräflichen Küche zugeführt hatte.(1)  Ohne daß er sich dessen vermutlich bewußt war, wird der Geistliche damit zum Auslöser einer Kaskade von Hexereiprozessen, die im Bereich der Nassauer Grafschaften in diesen Jahren freilich nicht gerade zu den Seltenheiten gehörten.(2)

Ein Satz ist es, der den Stein ins Rollen bringt und ohne diesen Satz wäre dieser Brief vielleicht nicht mehr gewesen als ein Dokument feudaler Willkür oder ein eindrückliches Zeugnis für die beklagenswerten Lebensumstände eines kalvinistischen Landpastors, der - wie er schreibt -  winters wie sommers nur von Brunnenwasser und einer dünnen Suppe lebt, der nicht das kleinste Fäßlein Bier sein Eigen nennt und der für sich und die Seinen in den letzten sechs Jahren nicht ein einziges Pfund Fleisch habe erkaufen können, was jeder Metzger in der Region bestätigen könne. Schlimmer noch, die Leute - so schreibt er weiter - machten sich gar lustig über ihn, wenn sie ihm rieten, es mit den beiden entführten Ziegen doch so zu halten, als hette sie Joachims Jost erbissen.

Dieser keine Halbsatz ist es, der - wenn auch langsam - in das allgemeine Betriebsgeräusch des nassauischen Beamtenapparates einsickert und bei aller Zähigkeit der Verwaltungsmaschinerie, kaum ein paar Monate später eine ganze Reihe von Todesopfern produziert.

Im Folgenden, meine Damen und Herren, möchte ich Sie für ein paar Augenblicke in die Nassauischen Lande entführen, in die Region um Dillenburg, Herborn und in einige Dörfer dort am Ostrand des Westerwaldes. Genauer: Zuerst auf die Weiden und dann in die Dörfer. Dabei werden wir einem Berufsstand begegnen, der "mit allerley Gesegen umgeht", wie es damals heißt. Es geht um die Kuhhirten oder - um es etwas zugespitzt zu sagen - um die Vorläufer der heutigen Veterinäre.(3) Sie betreuen in der ansonsten eher ärmlichen Region nicht nur die sehr zahlreichen Rinder und Pferde, sondern behandeln kranke Tiere mit natürlicher Kräutermedizin und magischen Segen.

Von fast einem Duzend dieser Hirten wird in einem zweiten Kapitel zu reden sein, von ihren Praktiken und ihrem Tod. Denn sie starben als Hexer. Und eine weitere Gemeinsamkeit kennzeichnet sie. Fast alle waren angeklagt, sich in Werwölfe verwandelt und in dieser Gestalt Mensch und Vieh geschädigt zu haben.

Von den Westerwälder Verfahren werden wir dann noch erste Verbindungslinien zu Hexereiprozessen in anderen Regionen ziehen, bei denen ebenfalls der Werwolf-Vorwurf erhoben wurde, um zu sehen welch spezifische Aufladung ein Verfahren durch das Werwolf-Attribut erfuhr.

Möglichst eng am gestellten Thema der Tagung bleibend, werden wir leider nicht über das überaus spannende Kapitel sprechen, wie diese alte Erzählfigur des wolfsverwandelten Mannes (wer=Mann, also Mannwolf) in das Fahndungsbild der Hexenverfolger geriet und wie sich die Figur dabei verwandelte. Ebensowenig werden wir der bis heute noch immer ungeklärten Frage nachgehen können, warum unter allen in dieser Zeit umgehenden Geschichten von Mischwesen aus Mensch und Tier ausgerechnet der Werwolf als gerichtsnotorische Figur in den berüchtigten Hexenhammer geriet.

Auch der meist zuerst interessierenden Frage nach der subjektiven Befindlichkeit jener als Werwölfe geständigen Männer werden wir aus Zeitgründen ebenso wenig nachgehen, wie dem überaus merkwürdigen Phänomen, daß die Gebildeten der Zeit die Wolfsverwandlung eines Menschen zwar durchweg für unmöglich hielten, von der Gestalt aber offensichtlich so fasziniert waren, daß sie haufenweise Bücher und Pamphlete zu diesem Thema verfaßten.(4)

Bleiben wir also bei unserem bemitleidenswerten Driedorfer Pastor und jenem Joachims Jost, der eigentlich Jost Michel heißt, und von dem die Driedorfer Pfarrkinder nicht ohne eine gewisse düstere Ironie sagen, der Pastor solle den Verlust der Ziegen gewissermaßen als Schicksalsschlag tragen, eben, als hätte jener Jost ihm die beiden Tiere "erbissen".

Jost Michel ist der Driedorfer Hirte und er steht im Sommer des Jahres 1629 offensichtlich schon "im Gerücht", wie man es nannte. Und ins Gerücht gerät man leicht als Hirte in dieser Region mit ausgeprägter Weidekultur und in diesen Zeiten. Auf den Bittbrief des Pastors wird schon bald der Driedorfer Amtskeller Daniel Dilp von den Dillenburger Beamten beauftragt, weitere Erkundigungen einzuziehen und Anfang September wird Jost Michel verhaftet und ersten Verhören unterzogen. Noch ohne die Drangsale der Folter leugnet er alles, was man ihm vorwirft, räumt aber ein, er könne oder wisse von nichts, als daß er den Wolfsegen praktiziere und daß denselben keinem Viehe einen Schaden tun könne. Er beharrt darauf, daß dem viehe, so krank, er dazu gebrauchen würde, mit der Gottes Hilfe helfen könnte.(5)

Doch dann wird Jost Michel nach Herborn überstellt, in die erfahrenen Hände des an der Hohen Herborner Schule ausgebildeten Schultheißen Konrad Kaps, der für einen baldigen Abschluß des Verfahrens sorgen wird. Nach gütlichen und dann auch peinlichen Verhören legt Jost Michel schließlich eines jener Bilderbuchgeständnisse ab, von denen die Dillenburger Hexenakten voll sind. Er gesteht nicht nur den schon 30 Jahre zurückliegenden Teufelspakt und zahlreiche Tierdiebstähle und -morde. Auch die Wolfsverwandlung räumt er ein, die er mit einer schwarzen Salbe bewerkstellige, mit der er sich zuerst unsichtbar und dann zum Wolf mache. Ausgerechnet zehn Kreuzzeichen in Teufelsnamen muß er dazu machen und die gleiche Anzahl, um sich in die menschliche Gestalt zurück zu verwandeln.

Unter der Folter besagt er zahlreiche Komplizen, darunter auch seinen Kollegen von Breitscheid und den Hirten im benachbarten Hohenroth, Henrich Schäfer. Auch der könne sich zum Wolf machen und sei ein Zauberer. Später wird er noch eine eigene  - 28 Punkte umfassende -  Liste produzieren, in der Henrich Schäfer beschuldigt wird, mehrere Morde, Diebstähle, Gefangenenbefreiung und Hurerei begangen zu haben. Die Abneigung gegen seinen Kollegen und Konkurrenten scheint so groß, der er auch Schäfers Ehefrau Elsa mit hineinzieht. Sie gehe mit allerley Gesegen um, mit dem Viehe und den Leuten. Und von seiner eigenen Praxis sagt er: Sein Segen habe gemacht, daß ihn die Leute gern beym Vieh gehabt hätten.
 

I. Die Hirten
Der Beruf des Hirten gehört wohl zum niedrigsten, was die Gesellschaft jener Zeit an Arbeit, Entlohnung und Ansehen zu vergeben hat. Bis weit ins 18. Jahrhundert gehört er zu den unehrenhaften Berufen(6) - wie der Henker, der Abdecker oder auch der Müller -, deren Mitgliedern und Angehörigen der Aufstieg in ein ehrbares Leben, in einen anderen Beruf verwehrt ist. Man meidet den sozialen Kontakt mit ihm und seiner Familie -  sofern er denn überhaupt die Erlaubnis einer Eheschließung hat erreichen können. Für den sozialen Umgang bleiben ihm selbst meist nur seine Berufskollegen, denen er draußen auf den verstreuten Weiden begegnet.

Eine Tatsache allerdings zwingt die Dörfler doch immer wieder, den Kontakt mit dem Hirten aufzunehmen. Von alters sind es seine magischen und heilkünstlerischen Fähigkeiten(7), sein kenntnisreicher Umgang mit dem kranken Vieh, die ihn zu einem unverzichtbaren Helfer machen. Er kennt die Wirkung von Kräutern, die Dosierung von Drogen und er ist ein Salbenkünstler. Seit alters bedient er sich selbst  - zum Beispiel um seinen Hunger zu betäuben - so riskanter Pflanzen wie der Alraune, von deren Früchte schon Dioscorides sagt: Die Hirten essen von diesen äppfeln / und schlafen sänfftiglich davon ein.(8)

Seine übernatürlichen Kontakte sind es, die ihn befähigen, Tiere vor dem Wolf "sicher" zu machen, und weil man von ihm sagt, daß er auch sonst in die Zukunft schauen könne, führt das mancherorts dazu, daß er von den dörflichen Obrigkeiten in den Anstellungsverträgen darauf verpflichtet wird, vor gefährlichen Wettern zu warnen oder - unter Strafandrohung - gar Blitz und Unwetter von der Gemeinde fernzuhalten.

Doch gerade diese Praktiken, die der Hirte ohne Zweifel ausübt, sind ins Gerede gekommen und das stürzt die Menschen in manch schwer auflösbaren Widerspruch. Nach langjähriger und nicht gerade wohlwollender Duldung sind kirchliche und staatliche Obrigkeit nun dazu übergegangen, dieses als abergläubisch apostrophierte Handeln unter Strafe zu stellen. Und mit zunehmender Ausformulierung der Hexenlehre hat sich der Makel des Teufelsbündnerischen darauf gelegt. Das breitgefächerte Angebot magischer Praktiken ist zur Hexerei geworden, nahezu zwangsläufig verbunden mit der Abschwörung des christlichen Glaubens. Der gelehrte Hexereidiskurs wie auch die gelehrte Ärzteschaft sind fest davon überzeugt, daß diesen einfachen Menschen jede immanente magische Kraft abzusprechen war.

Dennoch gehören solche Praktiken auch weiterhin zum alltäglichen Instrumentarium der Menschen, mit dem sie ihre Welt deuten, weil ihnen die "reine christliche Botschaft" nur in Maßen im lebenspraktischen Alltag behilflich ist. Die kirchlichen Repräsentanten, der Landesherr oder die Gelehrten haben nichts anzubieten, wenn der Bauer vom Unglück heimgesucht wird. An wen soll er sich wenden, wenn nicht an jene, von denen man weiß, daß sie aus Quellen schöpfen, die nicht unbedingt im Schatten der Dome und in der Nähe von Gelehrtenstuben zu finden sind.

Zum anderen ist in den Augen der einfachen Leute das kirchliche Handeln kaum von dem zu unterscheiden, was sich seit Generationen an magischen Überlebensstrategien in den Familien weiter vererbt. Denn auch diese Strategien gehen von einer Welt hinter der sichtbaren Welt aus, zu der man - wie in der Kirche durch den Geistlichen - nur über Makler und Helfer in Kontakt kommt und Einfluß gewinnen kann.

Einer von diesen Maklern ist der Hirte.(9) Nicht zuletzt weil er in dunkler Vorzeit zum Kreis der rituellen Schlächter und Opferer des Fleisches gehörte. Ein Erbe, das ihn mit den Hirten der christlichen Herde schon lange in einen verdeckten aber dauerhaften Konflikt gebracht hat.(10) Er arbeitet nun in der riskanten Grauzone zwischen traditionellem Handeln und Delikt.(11)

Die Menschen rufen den Hirten meist heimlich, damit er ihr krankes Vieh behandele, denn auch sie tun damit Verbotenes. Dabei ist ihre Abneigung gegen ihn ohnehin mindestens so groß wie ihre Hoffnung auf seine Künste. Man ist nicht gerne der Kunde eines übel beleumdeten Außenseiters. Rufen sie ihn aber nicht, dann sind sie zu schmerzlicher Untätigkeit verurteilt, wenn das kranke Tier vor ihren Augen zugrunde geht, das in diesen Kriegszeiten erstrecht zum überlebensnotwendigen Besitz gehört. Im Schatten der Kirchen und Amtsstuben jedenfalls können die Menschen nicht auf Hilfe rechnen. Ärzte - wenn es sie denn überhaupt gibt - kommen zu keiner kranken Kuh.

Zum anderen haben die Menschen längst begonnen, sich vor dem Hirten zu fürchten, weil der Hexereidiskurs ihren Verdacht genährt hat, daß er seine magischen Fähigkeiten, die sie ihm fraglos zutrauen, im Zweifelsfall auch gegen seine Kundschaft einsetzen könnte. Den Behörden im Nassau-Siegener Land war in diesem Jahr 1629 eine Indizienliste zugegangen, die gewissermaßen als Leitfaden beim Aufspüren von Hexereiverdächtigten zu verstehen war. Unter Punkt 9 hieß es da: Ob jemand in eines anderen Behausung und Stallunge sich ohne erhebliche Ursachen bei denen Pferden oder anderem Vieh finden lassen und etwas dahingelegt oder dieselbe geschmieret oder begriffen habe, daß solche Pferde oder Viehe, sonderlich die Melkkühe, urplötzlich Mangel bekommen oder eylends gestorben sein? (12)

Von Seiten des Hirten sieht diese Beziehung nicht weniger konfliktreich und spannungsgeladen aus. Als Ausgegrenzter, zumeist in eine ärmliche Hütte an den Rand des Dorfes verbannt, neigt er zum Rebellischen und kennt den Zorn des Aufständischen. Er hat sich dem Rhythmus seiner Tiere angepaßt und in den Augen der Dörfler haust er wie ein Tier. Durch sein isoliertes Leben in der "Wildnis", in die sich - in diesen Zeiten vagabundierender Kriegsvölker und marodierender Soldatentrupps - ohnehin kein Mensch ohne Not - und dann nie ohne Waffe - wagt, ist er gezwungen, Kenntnisse und Überlebensstrategien zu erwerben, was zugleich sein Selbstbewußtsein gegenüber den Dörflern stärkt.

Bisweilen geht Eigensinn und Selbstbewußtsein der Hirten soweit, daß sie sich verbotenerweise in Gilden und Zünften zusammenschließen. 1620 sieht sich der Brandenburgische Kurfürst gar genötigt eine Verordnung gegen den Trotz und Übermut der Hirten(13) zu erlassen, weil sie sich unterstehen, Waffen und Bärte zu tragen und Städten und Dörfern Fehdebriefe zustellen lassen. Der Hirte tritt nicht unterwürfig auf, wie wir aus den Prozeßakten wissen. Er stellt Forderungen gegenüber seiner Kundschaft und bisweilen droht er, den Wolf in das Gatter zu hetzen, wenn man ihm den Tiersegen nicht abkauft, der keineswegs billig und zuerst einmal ein Versprechen auf Zukunft ist.

Er sucht den Kontakt zu seinen Berufskollegen, weil er nur so sein Repertoir an altem überlieferten Wissen erweitern und neue Erkenntnisse und Tricks erfahren kann. Doch zugleich ist der Kumpan sein größter Konkurrent, wenn es darum geht, mit tierärztlichen Dienstleistungen und magischen Schutzritualen den erbärmlichen Lohn so aufzubessern, daß ein Überleben überhaupt erst möglich wird.

Längst hat er verstanden, die alten magischen Sprüche in die Gestalt der christlichen Benediktionspraxis zu hüllen. Jetzt - in der Zeit, in der Reformation und Gegenreformation sich stabilisieren und die Zügel anziehen - gerät er leicht in neue Fallen. Sehr schnell findet er sich beispielsweise in den reformierten Nassauischen Grafschaften auf der falschen Seite, wenn seinen Worten noch der Weihrauchduft der "Alten Kirche" anhaftet. Seine Kommunikationspraxis ist aber nicht geschwind genug, daß er sein Gewerbe der Spitzfindigkeit theologischer Distinktionen anpassen könnte. Und so sagt er seine Sprüche flüsternd und macht seine Rituale vieldeutig, was seiner Vertrauenswürdigkeit bei der Kundschaft nicht gerade Vorschub leistet.

Die Armut treibt ihn dazu, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Seinem Ruf nach zählt er zu den typischen Hehlern und Dieben, den routinierten Tiervertauschern und Täuschern.(14) Nie gehen einem Hirten die eigenen Tiere verloren, sagen die Leute; und wenn doch, dann freuen sich die Dörfler diebisch. Und so wirkt es wie eine Erfüllung der Publikumswünsche, wenn die Delinquenten, wie sie häufig unter der Folter gestehen, auf des Teufels Auftrag - und gewissermaßen als Test für die neu verliehene satanische Potenz - zuerst einmal ihr eigenes Vieh erbeissen müssen.

Vorsichtiger als je zuvor muß der Hirte jetzt sein, wenn seine Salben und Kräuter, seine Rituale und Segen versagen. Die neue Zeit hat seiner ehemals eher hilflosen Kundschaft eine neue Waffe in die Hand gespielt. Wenn sie ihn wider das Gebot der Obrigkeit mehr oder weniger heimlich gerufen haben, nicht selten mit den "gemischten Gefühlen", sich statt der Rettung womöglich neben einer Bestrafung auch noch Unglück in den Stall zu holen, so haben die Enttäuschten ein neues Mittel der Rache. Das Institut des Hexereiprozesses.

Der Segner ist ebenfalls nicht ohne Ambivalenz. Er weiß, daß er nunmehr Verbotenes tut und er fürchtet, in eine Falle zu tappen. Zugleich muß er bei jeder Visite herausholen, was heraus zu holen ist. Sein Stolz verbietet ihm, zu  buckeln oder zu betteln. Und so entsteht eine gespenstische Atmosphäre, in der jeder den anderen belauert.

Aber die Kräfteverhältnisse sind längst nicht gleich verteilt. Der Hirte sitzt am kürzeren Hebel. Wenn der Kunde mit der Arbeit unzufrieden ist, erlaubt ihm das neue Mittel nicht nur die wirksame Rache. Zugleich bietet es die Gewähr, die eigene Angst im wahrsten Sinne des Wortes zum Teufel zu jagen. Er kann nämlich den Hirten ins Gerücht bringen, er kann ihn dem Verdacht aussetzen, als Teufelsbündler ein Tier geschädigt oder verdorben zu haben.(15) Wie den lästigen Frauen wird man auch dem Hirten leicht den Prozeß machen. Ohnehin ist allein schon sein eigenwillig unordentliches Leben, das fast jeder Kontrolle entzogen ist, anstößig geworden. Ein altmodischer, unerzogener Mensch, der sich der neu auferlegten Sittlichkeit nicht zu unterwerfen scheint. Und wer verbrannt ist, dessen magische Kräfte, an die selbst die aufgeklärten Zweifler auf dem Lande noch glauben,(16) muß man nicht mehr fürchten. Das Feuer oder das Schwert sind wirksamer als jeder Gegenzauber.
 

II. Vom Wolfsegner zum Werwolf

Die Hexenlehre selbst hatte dem weit verbreiteten, in den Regionen aber unterschiedlich ausgeprägten Werwolfglauben(17) neue Nahrung verschafft. Nicht nur im Hexenhammer, gleich im Teil I, Frage 10 wird er neben der typisch hexerischen Verwandlung in die Katze(18) genannt.(19) Vor allem in der Gelehrtenliteratur des 16. Jahrhundert erlangt das Thema eine erstaunlichen Attraktivität.(20) Doch bei allem spitzfindig scholastischen Hin und Herwenden des Themas fand keiner von den Schreibkundigen das des Aufschreibens wert, was die einfachen Leute sich wirklich über den Werwolf erzählten.(21) Und so sehen auch wir heute nur wie von ferne auf das, was in den Mündern, Köpfen und Herzen der einfachen Leute vorging, wenn sie vom Werwolf sprachen.

Der wolfsverwandelte Mensch, dem so mörderische Eigenschaften zugeschrieben wurden, taucht in den deutschen Regionen schließlich ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Hexereiprozessen auf. Im französischen Jura und der Franche-Comté werden schon in den 20er Jahren Hirten mit diesem Vorwurf konfrontiert und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts fallen dort offensichtlich ganze Landstriche in fiebrige Werwolfsphantasien, will man den dämonologischen Schriften professioneller Hexenjäger glauben.(22)

Die Verfolgung von Hirten im Westerwald und den Nassauer Grafschaften beginnt in den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts. Das Modell vom Schadenszauber am Tier, wie es im Hexenhammer propagiert wurde(23), beginnt in die Alltagsvorstellungen der Leute einzusickern. Auf dem Hintergrund eines großen Viehsterbens, von dem in den 1580er Jahren das Dillenburger Land heimgesucht wird, wenden sich Gemeinden wie Frohnhausen und Wissenbach an den Grafen Johann VI. und drängen ihn zum Hexenbrennen, wie Euer Gnaden das von Obrigkeits wegen zu thun schuldig (24) sind, weil das Land - wie sie schreiben -  dermaßen  mit Zauberern und Zauberinnen behaftet ( ), daß kein Mann sein Viehe und Pferde vor schaden erhalten kann. Und in einer späteren Eingabe drohen sie gar, wenn der Graf weiterhin untätig bleibe, würden sie zu selbst Richtern. Der Graf ist in dieser Angelegenheit besonnen und noch eher zögerlich. In seinem Mandat von 1582, die der Zauberey und Hexerey beschuldigten Personen betreffend, schlägt er eher moderate Töne an und empfiehlt seinen Beamten, vorsichtig und nicht leichtfertig vorzugehen und vor jeglichem Verfahren im Geheimen Erkundigungen einzuziehen.(25)

Zuerst erhebt sich natürlich der Verdacht gegen jene, die von berufswegen mit Tieren zu tun haben. Als die Wissenbacher Hirtin Katharina, genannt Crein, zusammen mit ihrer Tochter Greta Driln Dietrichs, - Hirtengreta genannt - , und  Anna Wallmeisterin, die schon bei den Verhören stirbt, 1582 hingerichtet werden(26), hat sich das Fahndungsbild vom Werwolf noch nicht etabliert. Aber bei ihrer Verurteilung spielt die Segnerei eine gewichtige Rolle. Auch als 3 Jahre später zwei Bauern gegen den auf dem Westerwald umherziehenden Rauw Hen aussagen, daß er bald da, bald dort gesegnet hätte, wird er nur vermahnt. Sein Ritual ist einfach. Im Namen der Dreifaltigkeit macht er auf die Rippen der Tiere das Kreuzzeichen, um sie vor dem Wolf festzumachen, und viele Bauern lassen so ihr Vieh taufen, wie sie sagen. Manchmal läßt er die Tiere auch zu einer Art rituellem Umgang eigens aus dem Stall führen und bekreuzigt ihre Stirn, wofür er dann acht Albus verlangt(27). Manch anderer der Segner verlangt dafür zwei harte Taler.

Doch schon 1587, im Verfahren gegen Küh-Ludwig(28), taucht der Werwolf-Vorwurf auf. Der alte Mann, der aus dem Lippischen stammt und nirgends mehr Arbeit findet, betreibt die Segnerei vor allem im Austausch gegen Nahrungsmittel. Weil trotz seines Segens einige Schafe gerissen werden, stellt man ihn zur Rede. In seiner Entgegnung gibt Küh-Ludwig keineswegs klein bei, sondern schlägt jenen Ton an, den man nicht wenigen Hirten auf dem Westerwald nachsagte und der sie gleichzeitig so unbeliebt machte: Er habe die Schafe des Tags und nicht in der Nach gesegnet, entgegnet er, könne also für den Schaden, den der Wolf in der Nacht angerichtet habe, nicht einstehen. Am 2. Juni 1587 wird er enthauptet.

Für das deutschsprachige Gebiet wird offensichtlich erst das Bedburger Verfahren, nicht weit von Köln, gegen Peter Stump im Jahre 1589 zum prägenden Modell, nicht zuletzt weil der spektakuläre Fall durch mehrere Flugblattvarianten(29), die sogar dänische und englische Ausgaben nach sich ziehen, weit über die Grenzen hinaus bekannt wird.

Die Überzeugung verbreitet sich, daß die segnenden Hirten gar selbst die Werwölfe seien. Der sprichwörtliche Verdacht, wer mit den Wölfen heult, muß einer der ihren sein, trifft zuerst die Hirten und unter ihnen besonders jene, die das alte magische Ritual der Wolfssegnung praktizieren, von dem sich im Nassau-Dillenburgischen allein über 200 Varianten nachweisen lassen.

Hen Knie aus Rehe im Westerwaldkreis, der auf Veranlassung des Grafen  Johann VI. am 16.März 1586 zum ersten Mal verhaftet wird, war fest von der Wirksamkeit seines Wolfsegens überzeugt. Einmal, so gibt er zu Protokoll, habe ein Wolf, den er den Waldhundt nennt, einen ungesegneten Hammel aus einer Herde von hundert gesegneten Tieren herausgeholt. Knie hatte sich in Roth und Mengerskirchen als Gemeindehirte verdingt und aus dem Viehsegnen ein einträgliches Geschäft gemacht. Bei diesem ersten Verfahren kommt Knie noch einmal glimpflich davon. Gegen Urfehde und das Versprechen, sich fürderhin der Segnerei zu enthalten, wird er im Sommer 1586 wieder freigelassen.

Doch die Nachfrage nach seinen Diensten, der Knie mitunter auch etwas nachzuhelfen weiß, ist groß. Am 26. Juni 1591 wird er erneut verhaftet, und jetzt taucht auch der Werwolf-Verdacht auf. Was er seinen Richtern schließlich erzählt, enthält schon all jene Elemente, die wir aus der einschlägigen dämonologischen Literatur des 16. Jahrhunderts kennen und es zeigt auffällige Ähnlichkeiten zu den frühen Fällen aus dem französischen Jura, wie sie von Weyer und Bodin beschrieben werden.(30)

Schon von Kind auf, so ist in Hen Knies Geständnis zu lesen,(31) habe er das Vieh gehütet und von seinen Mithirten das wild, roh und gottlos Leben ebenso erlernt wie die Kunst, das Vieh vor den wilden Tieren sicher zu machen. Im Alter von 24 Jahren, als ihm eines Tages eine Kuh verloren gegangen war, deren Gegenwert er wegen seiner Armut nicht habe erstatten können, sei ihm in seinem Kummer zum ersten Mal der Teufel begegnet. Und der habe ihn dann auch gelehrt, wie er sich in einen Wolf verwandeln könnte. Knies persönliche Variante liegt im Ritual der Verwandlung. Auf Anweisung habe er sich nackt ausgezogen und der Satan habe ihn dann mit einer scharfen und feuchten Salbe eingerieben und ihm einen schönen weißen Pelz übergeworfen. Danach habe er einige Stunden tief geschlafen. Wieder erwacht, sei es mit seinen Sinnen und Gedanken dermaßen beschaffen gewesen, als ob er alles, was er ansichtig wurde, niederreißen müßte.

Es gibt übrigens zahlreiche Varianten solcher Formulierungen, die auf den ersten Blick den Anschein erwecken, daß geständige Delinquenten damit den subjektive Zustand des Verwandeltseins beschreiben. Selbst unter dem Druck der sprachlichen Kolonisierung durch das Verhörpersonal haben dort eigentümliche Details überlebt, die deutliche Unterschiede in der Selbstdeutung der Beklagten belegen könnten.(32)

Eine von Hen Knies Varianten für den Wolfssegen geht auf Vorbilder zurück, die man schon in der christlichen Kirche des 10. Jahrhunderts kennt, dessen Gebrauch man den Ochsenhirten und Jägern allerdings verboten hatte. Wie Abt Regino von Prüm(33) überliefert, pflegten sie ein mit magischen Sprüchen zubereitetes Brot zusammen mit Kräutern in die Bäume zu hängen oder an Wegkreuzungen zu verstecken, um Viehkrankheiten und Unfälle von der eigenen Herde abzuwenden oder auf den Besitz der anderen umzulenken. Aus dieser alten magischen Tradition schöpft auch Hen Knie, wenn er seinen Kunden rät, mit einem Brotteig dem Wolf ein neues Jahr zu backen uf ein Freitag, welcher Zeit im Jahr ihm beliebe. Beim Einschießen in den Ofen mußte dabei die Formel gesprochen werden:

Ich backe Dich im Nahmen des Vatters,
Sohns vnd h. Geistes.
Dem leidigen Waldhundt
Schließe ich zu seinen Mundt,
Daß er mir mein Viehe nicht erbeiße
Oder auch nicht angreiffe,
Es gehe in den Hecken oder Wäldern
Oder in den Wüsteneyen;
Sie seien, jung oder altt, Gott befohlen,
Keins verlohren.
Im Nahmen des Vatters ect.
Der Liebe Herr S. Wendell
Wolle mir sie kheren vnd wenden,
Daß sie wiederkommen, zu meinen Händen,
Vor dem leidigen Wolff,
Daß er mir keins beiße oder ergreiffe.

Das mit solchen Worten und Werken gebackene Brot, so heißt es in den Prozeßakten weiter, sollten die Leute in einen hohlen Baum stecken und dazu den Segen über Füllen, Pferd und Vieh sprechen: Sey vor dem Wolf jederzeit frey.

Der alte magische Schatz ist längst mit dem christlichem Mantel maskiert, und der Heilige Wendel, der Schutzpatron der Bauern und Hirten, dient als Versteck für die alten heidnischen Götter und Dämonen, denen die Kirche schon so lange den Kampf angesagt hatte. Aber das Alte hält sich hartnäckig. Unter dem dünnen christlichen Taufmantel vertraut Hen Knie im Zweifelsfall - und ganz in heidnische Tradition - dann doch lieber auf eine größere Wirksamkeit der christlichen Gegenwelt. Für den Fall, daß sich die genannte Formel als unwirksam erweisen sollte, rät er seiner Klientel, dem Wolf ein ander Neujahr zu backen, es dann aber in Teufelsnamen in einen Baum zu stecken.

Das Verfahren gegen Hen Knie prägt gewissermaßen das Grundmuster der nachfolgenden Dillenburger Werwolf-Prozesse, weil es den Anklägern wesentlich komplexeres Material an die Hand gibt als die einfache Segnerei. Er hatte u.a. damit geprahlt, er könne sechs Wölfe sein eigen nennen, die ihm als Knechte dienten. Am 17. Juli 1591 wird Knie stranguliert und verbrannt.

In den Sog dieser ersten Hirtenprozesse gerät ein weiterer Wolfssegner, gegen den man den Werwolf-Verdacht allerdings nicht erhebt. Für Ebert Hartmann aus Mademühlen genügt es, daß man ihn mit Hen Knie in Verbindung bringen kann. Von seinem eigenen Knecht angezeigt, gesteht er unter der Folter, vor 24 Jahren von Knie das Wahrsagen erlernt zu haben. Weitere Verdachtsmomente sind aus den Akten(34) nicht mehr rekonstruierbar. Hartmann wird im Mai 1593 in Dillenburg enthauptet.

Ein anderer Hirte der Region, Rolzer Bestgen aus Dörsdorf, der sich in Emmerichenhain verdingt hatte, kommt im Mai des Jahres 1600 in Haft und wird Ende August des selben Jahres als Werwolf verurteilt und hingerichtet. Er verwendet ähnliche Segensformeln zum Schutz gegen Wölfe wie Hen Knie. Seine Rituale verlangen jedoch von den Leuten größere Geduld. Nach Bestgens Anweisung mußte die Kundschaft gleich noch 45 Vater Unser und 45 mal das Glaubensbekenntnis hinzufügen und das an drei Tagen hintereinander.

Auch die anderen Segens- und Bannformeln, darunter gegen verrückte Glieder, Aderverrenkung bei Mensch und Tier, gegen Geschwolst oder so ein Pferdt den Schwem hett und vor den Rottlauff kommen im Gewand christlicher Segensformeln daher. In Staffel bei Diez und in Ortschaften auf dem Einrich verwendet er eine spezielle Bannformel gegen Feuersgefahr, die darin besteht, daß er neben der Dreifaltigkeits-Formel scheinbar eine kleine Geschichte als Zugabe erzählt. Das Grundmuster dieses Segens, der so oder ähnlich vielerorts überliefert ist, findet sich schon in den Merseburger Zaubersprüchen (vor 750), in denen die heidnischen Gestalten Phol, Wodan oder Idisi unterwegs sind.

Gott vndt S. Peter gingen vber Landt,
Gott sahe einen Fewerbrandt:
Petre, Du soltt stille stehn,
Ich sehe ein Fewr vfgehen.
Es sol nicht lenger brennen,
Bis so lang ich ihm zu gebieten han.
Im Nahmen des ect.

Bis zur Wende zum 17. Jahrhundert wurden im Herrschaftsgebiet der Nassauer Grafen die Segner und Wahrsager, sofern die Obrigkeit ihrer denn habhaft wurde, zumeist nur mit Kirchenbußen bestraft(35) oder, sofern sie Ortsfremde waren, des Landes verwiesen. Wenn sich die Dorfgemeinschaft aufgrund der Persönlichkeit des Segners bedroht fühlte, konnte später allerdings leicht ein Werwolf-Prozeß daraus werden.(36) Das Verfahren hing in hohem Maße davon ab, in welchem Ruf der Segner stand. Dabei spielt nur zum Teil eine Rolle, daß die segnenden Hirten den Bauern auf dem Westerwald nicht selten Brot, Käse und Fleisch abpreßten, wenn diese zögerten, ihre Dienste anzunehmen. Vor allem rückt immer mehr der "sittliche Lebenswandel" in den Vordergrund. Das breite Spektrum sexuell abweichenden Verhaltens ist nun zum Kriminaldelikt aufgerückt. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich der Dillenburger Graf Ludwig Henrich (1623-1662) neben seinen außenpolitischen Interessen vor allem dem Kampf gegen den Ehebruch verschrieben hatte.

Nach Ansicht des Gerichtes führte Roltzer (oder Rotzer) Bestgen(37) genau jenes unartige Leben, von dem sich die ordentliche Dorfgemeinschaft in der Regel belästigt fühlte. Er sei an keinem Ort lange oder beständig verblieben, obwohl eine starke Person von Leib, habe er sich des Landesbettels sehr beflissen, sein Eheweib in großer Armut boshaftig verlassen, sich mit einer Hur behengt, er habe zwar die Sonntagsevangelien ordentlich zu erzählen gewußt, aber zum Betteln und allerhand abergläubische Wolfsegnerei mißbraucht und den gemeinen Mann in Furcht und Zwang der Abgötterei gebracht.

Bestgen, der im Alter keine Arbeit mehr findet und zuweilen nur davon lebt, daß er den Schweinen im Stall das Evangelium vorliest, schreckt ebenfalls vor Drohungen nicht zurück. Wenn die erbettelten Almosen zum Lebensunterhalt nicht ausreichen, schlägt auch er jenen Ton an, den die Leute gar nicht mochten. Er werde den Wolf an die Füllen senden, wenn man ihn nicht segnen ließe, berichten die Zeugen. Die Segnerei hatte er vor 20 Jahren von einer Frau aus der Grafschaft Schaumburg erlernt und wie der mit ihm angeklagte Reinhard von Hübigen(38), der Hirte aus Ellar,(39) betreibt er sie als letzte Überlebensstrategie. Erst unter der Folter bietet Bestgen die restlichen Elemente, die zusammen mit bestimmten Zeugenaussagen, die Verbindungslinie vom Wolfsegner zum Werwolf zwangsläufig knüpfen. Für die Verwandlung, so sagt er, brauche er eine Wolfshaut, die er über seine Kleider werfe und einen Gürtel mit zwei aus Diebsketten geschmiedeten Knöpfen, den er sich um die Hand binde.

Nach Hinrichtung der beiden Hirten im Mai 1600 scheint die Hysterie fürs erste nachzulassen und die Werwolf-Prozesse kommen zum Stillstand. Vielleicht trägt dazu auch jenes Nachspiel bei, das man auf Geheiß des Dillenburger Grafen folgen läßt. Der Keller Georg Neuendorf wird beauftragt, all jene ausfindig zu machen und entsprechend ihrem Vermögen mit Bußzahlungen zu belegen, die Roltzer Bestgen mehr oder weniger freiwillig in ihren Stall gebeten hatten. Neuendorfs Ausbeute ist beachtlich und wirft ein Licht auf die widersprüchliche Situation, in der Bauern und Hirten miteinander verwickelt sind. Am Ende seiner Recherche stehen 85 Familien aus den verschiedenen Beilsteinschen Dörfern auf seiner Liste, die nun ein zweites Mal für den Segen bezahlen müssen.

Das Fahndungsbild zum Werwolf ist nicht ausschließlich mit dem Beruf des Hirten verbunden. Auslöser ist häufig ein "ererbter" Verdacht, weil einer der Vorfahren im Gerücht stand oder Urteil und Hinrichtung den augenfälligen Beweis erbracht haben. Daß mitunter die Werwolf-Beschuldigung auch innerhalb der eigenen Familie erhoben wurde, um auf diese Weise Streitigkeiten zu regeln, kann nicht verwundern. Im Fall des Nikolaus Gamber(40) aus Staffel, der 1618 vom eigen Sohn angezeigt und von seiner Ehefrau als Werwolf bezichtigt wird, kommt das "Erbe" von der Seite seiner Schwester Merg, die 1589 als Zauberische hingerichtet worden war. Da Gamber aber nicht zu den Ärmsten gehört und sich rechtzeitig einen rechtskundigen Verteidiger aus Limburg beschafft, gelingt es noch vor einer Folterung, die innerfamiliären Streitigkeiten aufzudecken und das Verfahren niederzuschlagen.

In der Endphase der zweiten Prozeßwelle, der allein in den beiden Jahren 1629 und 1630 fünf Hirten zum Opfer fallen, hat sich das Werwolfmotiv festgesetzt. Auf den Akten von Conrad Vogler(41), von Jost Michel, den wir zu Anfang kennen lernten und der für das Verfahren gegen Henrich Schäfer(42) und im Grunde auch für das gegen Adam Cuntzen(43) als Auslöser diente, ist ausdrücklich vermerkt: Wegen Behr-Wolff, Zauberei und Sodomitereien. Die segnerische Praxis findet zwar noch am Rande Erwähnung. Formeln und Rituale werden nur noch vereinzelt in die Niederschriften aufgenommen. Der Schwerpunkt hat sich in Richtung "Sittlichkeit" verlagert.
 

III Die spezielle Aufladung der Werwolfprozesse

Untersucht man die Verfahrenslogik der Nassauer Werwolf-Verfahren näher, zeigt sich eine weitere Variante von Rainer Walz Beobachtung, nach der die Oberschicht des Terretoriums sich von anderen Gesichtspunkten leiten läßt als die Dorfbevölkerung.(44) Gerade im Fall der Werwolfprozesse scheinen die Beamten stark von der Literatur zum Thema bestimmt.(45) Das Interesse der gebildeten Dillenburger Strafverfolger gilt nicht so sehr dem angerichteten Schaden als vielmehr der dämonologischen Verstrickung des Angeklagten, die in allen Akten sorgsam ausgebreitet und fest gegründet wird. Aus Teufelspakt, widernatürlicher und natürlicher, aber unerlaubter "Unzucht" und eingestandener Tierverwandlung entsteht der vielfach schillernde und auch vielschichtige Straftatbestand einer besonders perfiden Art "unsittlichen Lebenswandels".

Schon in den frühen französischen Fällen spielt die sexuelle Komponente des Themas eine große Rolle. Die Delinquenten gestehen dort unter anderem, lustvoll mit Wölfinnen verkehrt zu haben. Und spätestens mit dem Bedburger Fall des Peter Stump (1589) ist der Werwolf-Vorwurf mit den besonderen Vorzeichen von Sodomie, Päderastie und anderen sexuell devianten Verhalten verknüpft.(46) Bei einigen Verhörprotokollen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Befrager den Delinquenten immer wieder erneut in die Zonen sexuell aufgeladener, wenn auch zuvor schon behandelter Episoden drängen, um diesen Komplex möglichst breit zu belegen.

Bei dem Hirten Henrich Schäfer beispielsweise wird nachdrücklich ausgebreitet, daß sich seine Buhle auf dem Tanz nach dem sexuellen Akt in ein Gaulsgerippe verwandelt. Das gilt zwar eigentlich nur als typisches "teuflisches Blendwerk", mit dem der Satan seine eigenen Anhänger verhöhnt. Aber zugleich entsteht hier auch eine suggestive Verbindungslinie zur sonst nirgendwo im Geständnis belegten Sodomie, die als eine der Verurteilungsgründe angegeben wird. Andererseits wird in diesen Verfahren der Straftatbestand der Sexualität "wider die Natur" (Sodomie und Homosexualität), der in der Constitutio Criminalis Carolina (1532) unter Artikel 116 abgehandelt wird, ohnedies sehr weit ausgelegt.(47)

Während sich beispielsweise in den Verhörprotokollen des Henrich Schäfer, die von eher einfachen Herborner Bürgern durchgeführt und niedergeschrieben wurden, die Punkte zu den angerichteten Schäden und den sexuell gefärbten Episoden noch die Waage halten, sind im abschließenden Halsgerichtsprotokoll die Schäden auf sieben Artikel zusammengeschmolzen. Der weitaus größere Teil der insgesamt 49 Aussagen beschäftigt sich mit Teufelspakt, Wolfsverwandlung und den sexuellen Aspekten des Geständnisses.

Noch deutlicher ist das Verhältnis in der Halsgerichtsakte des Jost Michel. Von den 21 Artikeln, in denen seine Geständnisse zusammengefaßt werden, beschäftigen sich (12) mit dem Teufelspakt, sechs mit sexuellen Aspekten, drei mit der Wolfsverwandlung und nur noch je einer mit dem Thema Segensprecherei und Tierschädigung. Hier spiegeln sich relativ ungefiltert die Präferenzen des gebildeten Dillenburger Fiskals Johannes Daum, der diese Dokumente förmlich in einer Nacht-und-Nebelaktion, nämlich in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 1629, dem Tag der Hinrichtung, niederschreibt, wie wir aus den Akten wissen. Diese Halsgerichtsprotokolle aber sind es - und nicht die Niederschriften der Verhöre - die dann öffentlich vor dem zum Richttag versammeltem Volk in Herborn vorgetragen und damit prägend für das Bild vom wolfsverwandelten Hexer werden.

In diesen Jahren treffen die Besagungen immer häufiger auch Personen aus der Oberschicht, die sich nicht mehr so widerstandslos zur Schlachtbank führen lassen. Auch regt sich in den Gemeinden zunehmend Unwillen, für die verbleibenden Kosten der Verfahren aufzukommen. Als im Jahre 1630 der Offenbacher Schulmeister Johann Jacob Henrich(48) von drei verhafteten Frauen, darunter seiner eigenen Mutter, als Werwolf denunziert wird, gerät er in ernste Gefahr, weil dieser Verdacht schon gegen einen seiner Vorfahren erhoben worden war. Der Umstand, daß er stets die Westerhaube oder Glückshaut seiner Tochter, also die Eihaut, in einem Beutel bei sich trug, erhärtete den Verdacht, galt sie doch seit alters als eines der typischen Verwandlungsmittel des Werwolfs.(49) Vor Gericht dazu befragt, erklärte Henrich, daß er diesen Beutel allein deswegen trage, weil er ihm Glück bringe. Nach der Vernehmung der ersten von mehr als 25 Zeugen, die man in Herborn-Seelbach und Offenbach namhaft gemacht hatte und die alle aus den eher vermögenden Kreisen stammten, sahen die Ankläger ihre Felle allerdings davon schwimmen. Keiner war bereit, gegen den Schulmeister auszusagen und der Prozeß wurde abgebrochen.

Dieser Wandlungsprozeß ist noch brüchig, und die Gewohnheit ist noch immer die Amme mancher Verfahren. Die Witwe Reichmann(50) aus Frohnhausen ist bekannt wegen ihrer magischen Heiltätigkeit und steht deswegen auch schon seit 50 Jahren im Gerücht, eine Zaubersche zu sein. Mit ihrem wenig freundlichen Umgangston hat sie sich im Dorf nicht gerade beliebt gemacht. Zeugen nennen sie ein unartig Mensch und man erzählt sich, daß schon ihre Mutter als Wolf ins Korn gelaufen sei, eine andere nicht nur in dieser Region bekannte Werwolf-Variante. Zudem war sie von einer ihrer Nichten besagt worden, die man in Niederscheld hingerichtet hatte. In ihrem Fall greifen noch all die alten Muster. Sie wird verhört und weil sie über keine ordnungsgemäße Verteidigung verfügt, die dies rechtzeitig verhindert hätte, wird sie der Folter unterworfen. So gesteht sie schließlich, ihren Mann ebenso umgebracht zu haben wie einige ihrer Kinder, deren sie eh zu viele gehabt habe. Doch niemand im Dorf kann sich an diese lange zurückliegenden Ereignisse mehr erinnern. Am 29. August 1631 wird sie hingerichtet.

Der Werwolfprozeß hat sich in den deutschen Herrschaften nicht zu einer allgemein verbreiteten, stabilen Verfahrensvarinate entwickelt. Es gibt zahlreiche Belege dafür, daß der Werwolf-Vorwurf vielerorts nur als Injurie bewertet und vor Rügegerichten abgehandelt wurde(51), die in der Regel mit der Rehabilitierung der Beschimpften enden. Doch für die Betroffenen war es meist angebracht, gegen eine solche Injurie rechtlich vorzugehen, vor allem dort, wo der Werwolf zum Repertoire der virulenten Erzählfiguren gehörte, wie etwa in der nordhessischen Nachbarschaft.

Als der Schwelentruper Schafmeister Lüdeking, dem eine größere Zahl von Schafen abhanden gekommen war, einige Leute aus dem Dorf verdächtigte, ihm die Schaffe "gebissen" zu haben, setzen die sich sogleich zur Wehr und schafften so das Gerede aus der Welt.(52) In dem Verfahren, das 1630 gegen Jonas Schmitz aus Kirsch, im Territorium der Trierer Abtei St. Maximin, geführt wird, macht man dem Angeklagten das unterlassene Dementi zum Vorwurf: ...ist derselbigh vor ein offener zauberer und behrwolff außgeruffen worden in der fastnach, welches er auch unverantworth uff sich ersitzen laßen.(53) Jonas Schmitz, der allerdings auch von seinem Sohn der Wolfsverwandlung mittels eines Gürtels angezeigt ist, gelingt freilich die Flucht und der Ausgang des Prozesses ist nicht bekannt.

Der Müller Theis zu Mertesdorf, ebenfalls aus dem Hochgericht St. Maximin, wird 1595 wegen Hexerei hingerichtet. In der Anklageschrift taucht der Werwolf-Vorwurf zwar nicht auf, aber in seinem Geständnis heißt es, daß der Teufel ihn wie ein wher wolff verendertt hätte und daß er ein kleines Kind vor vier jaren verfuerdt in den Walt und gewolten das kindtgen bezaubauberen unnd doden.(54) Womöglich steht dieses Verfahren - 1595 - noch unter den Nachwirkungen des schon mehrfach erwähnten und weit über die Region hinaus bekannt gewordenen Köln-Bedburger Verfahrens gegen Peter Stump vom Jahre 1589, dessen sexuelle Einfärbung  - auch durch Kindesmißbrauch und Kindestötung - das Bild vom hexerischen Werwolf entscheidend mitgeprägt hat.(55)

Hier zeigt sich der gleiche konzeptionelle Hintergrund, wie er dem ebenfalls sexuell imprägnierten Bild der weiblichen Hexe zugrunde gelegt ist, deren abweichendes Verhalten beim Thema Teufelsbuhlschaft in den Verhören oft so detailversessen abgefragt wurde.

Zusammen mit segnerischen Praktiken, Tierschädigung und sexueller Devianz erscheint der Werwolf-Vorwurf als variabel einsetzbares Instrument, das dem Verfahren eine bestimmte Signatur aufzuprägen vermochte. Im Fall des Lemgoer Johan Olischläger, der seine Frau mißhandelte, seine Mägde sexuell mißbrauchte und das moralische Empfinden seiner Nachbarn verletzte,(56) scheint die sexuelle Komponente alles zu dominieren. 1631 verurteilt das Gericht den Angeklagten nicht als Ehebrecher, sondern als Werwolf. Andernorts scheint sich der Werwolf-Vorwurf schwerpunktmäßig mit anderen Deliktgruppen zu verbinden. In den östlichen Niederlanden beispielsweise steht er nicht nur synonym für männliche Zauberei, sondern schließt auch die Bezichtigung zauberisch bewirkter finanzieller Manipulation und Bereicherung ein.(57)

Der Werwolf-Verdacht als spezielle Variante des Hexereiverfahrens ist im Gebiet der nassauischen Grafschaften auffällig häufig erhoben worden.(58) Er läßt sich bis zu jener späten Prozeßwelle verfolgen, von der Anfang der 50er Jahre des 17. Jahrhunderts die Gemeinde Anspach im doppelherrischen Amt Wertheim noch einmal heimgesucht wird. Daß Adam Schmarr dort im Jahre 1651 von diesem Verdacht schließlich freigesprochen wird, den seine eigene Frau gegen ihn schon einmal in einem anderen Verfahren im Jahre 1633 erhoben hatte, macht deutlich, wie lange sich dieses Fahndungsbild bei der Justiz hält und erst langsam auflöst.(59)

In den Erzählungen der ländlichen Bevölkerung lebt der alte Werwolf fort. Unter dem Einfluß der Hexenlehre hatte sich seine Physiognomie freilich gründlich verändert. War das Werwolfmotiv ehemals so breit und vielschichtig angelegt, daß es im hochmittelalterlichen Versgedicht der Marie de France noch als Ausdrucksform diente, um die Beziehung zwischen Mensch und Mensch im Bereich der Liebe(60) darzustellen, so wurde die Figur ab ca. 1500 von der Hexenlehre so gründlich enggeführt und kontaminiert(61), daß sie über lange Zeit für literarische Bearbeitung kaum mehr tauglich schien. Erst der Film und die Trivialliteratur haben dem Werwolf im 20. Jahrhundert wieder ein neues Terrain eröffnet.(62)

Und erlauben Sie mir noch eine Schlußbemerkung, die unseren Driedorfer Pastor betrifft, dessen Bettelbrief so tödliche Folgen hatte.
Es gibt keinen Hinweis darauf, daß man dem Pastor die Absicht nachweisen könnte, er habe sich in den Chor des damals überaus verbreiteten Denunziantentums einzureihen wollen. Wahrscheinlich dürfen wir ihm nur große Naivität unterstellen. Das Tragische an seiner Handlung ist allerdings nicht ohne aktuellen Bezug. Es liegt ohne Zweifel in der Tatsache, daß sein jämmerlicher Bettelbrief, der allein dem Zwecke dienen sollte, vom zuständigen Landesherrn die Erlaubnis zum Halten zweier neuer Ziegen zu erlangen, die er, der Pastor, wie er schreibt, nun so gut hüten wolle, daß sie selbst dem Teufel kein Kohlblatt abfressen könnten,  -  daß dieser Brief also zu einem verhängnisvollen Mißverständnis führte. Weil dieses Mißverständnis aber nahtlos in eine bestimmte gesellschaftliche Konstellation paßte, setzte es eine blinde Maschinerie todbringender menschlicher Ordnungsphantasien in Gang. Diese Konstellation war begründet - und begründet sich in der noch immer nicht überwundenen Schwäche des Menschen, die vermeintliche Kontrolle über das eigene Schicksal dadurch wieder zurück zu erlangen, daß sie andere für dieses Schicksal verantwortlich macht. Die "einfachen" Leute, das wissen wir heute, fühlten sich zumeist unsicher. Die "Gebildeten" dünkten sich sicher, aber die dachten unsicher.

Ob der gute Pastor seine Erlaubnis für die Haltung von zwei neuen Ziegen erhielt, dazu schweigt die Überlieferung.

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Anmerkungen:

1  Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (=HStAW), 369/50, Bl. 2.

2  Im Rahmen der zweiten Nassau-Dillenburger Prozeßwelle wurden in den Jahren zwischen 1629 und 1631 in Dillenburg, Herborn und Driedorf 148 Personen hingerichtet, davon 133 Frauen und 15 Männer. Vgl. F. Lautz, Die Zahl der in den Jahren 1629-1631 in der Herrschaft Dillenburg verbrannten Hexen. In: Nassauische Annalen 1882, Bd 17, S. 41f ; ders., Nachrichten über den Umfang der Hexenverfolgung in den deutschen Gebieten der Otto'schen Linie der Grafen von Nassau. In: Nassauische Annalen, 1885/86, Bd. 19, S. 105-115.

3  Als eigene medizinische Disziplin entwickelt sich die Tierheilkunde erst im 18. Jahrhundert.

4 Vgl. zu diesen Themen: Elmar M. Lorey, Henrich der Werwolf. Eine Geschichte aus der Zeit der Hexenprozesse mit Dokumenten und Analysen. Frankfurt a.M. 1998, S.260f; zuletzt: Rolf Schulte, Hexenmeister. Frankfurt 2000, S.21-49.

5 HStAW 369/50, Bl. 3.

6 Werner Danckert, Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe. Bern 1963, S. 174-180;  Otto Beneke, Von unehrlichen Leuten. Culturhistorische Studien und Geschichten aus vergangenen Tagen deutscher Gewerbe und Dienste. 2.verm. Aufl., Berlin 1889 S.14 - 24.

7 Jacob Grimm, Deutsche Mythologie. 3 Bde. Göttingen 1875-78, II. S. 963.

8  Pedacii Dioscorides, Kräuterbuch, Ausgabe Frankfurt 1610, S. 286.

9 Eva Labouvie, Männer im Hexenprozeß. Zur Sozialanthropologie eines "männlichen" Verständnisses von Magie und Hexerei. In: Geschichte und Gesellschaft  1990, H.1, S. 56-78, S. 62.

10  Unter den Volksmagiern und Segensprechern, die in den Jahren 1550 bis 1750 in der reformierten  Herrschaft der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken bei der Obrigkeit auffällig und damit aktenkundig werden, beträgt der Anteil der Hirten, Hirtinnen und Schäfer allein 26 Prozent. Nur 6 Prozent sind Hebammen, aber immerhin 4 Prozent sind Geistliche. Vgl. Eva Labouvie, Verbotene Künste. Volksmagie und ländlicher Aberglaube in den Dorfgemeinden des Saarraumes. (16.-19. Jahrhundert) St. Ingbert 1992, S. 165.

11 Ursula Bender-Wittmann, Hexenglaube und Lebensphilosophie. Informeller Hexereidiskurs und nachbarschaftliche Hexereikontrolle in Lemgo 1628-1637. In: Gisela Wilbertz (Hg.), Hexenverfolgung und Regionalgeschichte: die Grafschaft Lippe im Vergleich. Bielefeld 1994, S.107-136, S. 128.

12 StA Münster, Fstm. Siegen, Landesarchiv 22, Nr. 73 Bd.6; zitiert nach Gerhard Schormann, Hexenprozesse in Deutschland. Göttingen 1986, S. 46.

13  Werner Danckert, Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe. Bern 1963,  S. 180.

14 Vgl. Georg Paul Hönn, Kurtzeingerichtetes Betrugslexicon. Leipzig 1743, S. 191 ff.

15  "Kein Sachverhalt aber war so schwer objektivier-, überprüf- und damit beweisbar, wie die Hexerei; damit waren aber auch mögliche Vorwürfe schwer zu entkräften, dann ein Unschuldsbeweis war ebenso schwer zu führen."  Gerd Schwerhoff, Hexerei, Geschlecht und Regionalgeschichte. Überlegungen zur Erklärung des scheinbar Selbstverständlichn. In: Gisela Wilbertz (Hg.), Hexenverfolgung und Regionalgeschichte: die Grafschaft Lippe im Vergleich. Bielefeld 1994, S. 325-354, S. 349.

16  ebd. S. 340.

17  Vgl. Adolf Bach, Westerwälder Werwölfe und Wolfssegen. In: Zeitschrift für rheinische und westfälische Volkskunde Jg. 20/21, 1923, S. 25-34; Heinrich Franz, Der Werwolfglaube unter besonderer Berücksichtigung der hessischen Überlieferung. In: Hessenland, Jg. 31, 1917, S. 255-260.

18 Die Verwandlung in die Katze war die bevorzugte Verwandlungsform der weiblichen Hexe. Doch auch hier lassen sich regionale Abweichungen beobachten. Bei den Verfahren von 1630 im kurkölnischen Amt Oberkirchen im Sauerland verwandelten sie sich - nach den erfolterten Geständnissen - gerne ich Füchse (voß, vosse), gar in einen Hund wie Anna Schmidt aus Grafschaft oder wählten gleich die Gestalt des Werwolfs. Vgl.  Alfred Bruns, Die Oberkirchener Hexenprotokolle. In: Schieferbergbau-Heimtmuseum Schmallenberg-Holzhausen (Hg.), Hexen. Gerichtsbarkeit im kurkölnischen Sauerland. Schmallenberg-Holthausen 1984, S. 11-90, S. 45ff.

19 "Drittens frommt es wohl, einzusehen, daß die jetzigen Hexen durch die Macht der Dämonen öfters in Wölfe und andere Bestien verwandelt werden..." Hexenhammer, Neudruck, München 1982 (11. Aufl.), S. 14 ; "Nebenfrage von den Wölfen, die bisweilen Erwachsene und Kinder aus den Häusern rauben und fressen, wobei sie mit großer Schlauheit zu Werke gehen, so daß man sie durch keine Kunst oder Macht irgend wie verletzen oder fangen kann." Ebd. S. 155; "...da sie durch keine Kunst oder Macht verwundet oder gefangen werden können". Ebd. S. 157; Aus dem Lübecker Beichtspiegel (1474-1485): "Hast du geglaubt, daß die Leute werden zu Werwölfen? ...diese Stücke sind schwere Todsünden, und wer darin stirbt, bringt seine Seele in die ewige Verdammnis". Zitiert nach Wolfgang Behringer (Hg.), Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. München 1988 (2. Aufl.), S. 71; Im Leitfaden der Mainzer Hexenbefrager, der Interrogatio Specialis, wird unter Nr. 70 Angeklagten die Frage vorgelegt: "Ob sie sich  nicht bißweilen in einer Katzen, Berwolff oder eines anderen thier gestalt verwandelt, vnd was sie in solcher frembten verwandelten gestalt für schaden gestifft, auch ob so wohl ander leüth, alß sie selbsten sich vor solche verwandelte thier angesehen?" zitiert nach Herbert Pohl, Hexenglaube und Hexenverfolgung im Kurfürstentum Mainz Stuttgart 1988, S. 312.

20  Beispielsweise hatte 1575 der umtriebige Stadtarzt von Colmar, Johann Jacob Wecker, das "Hexen-Büchlin" des "Jacob Freyherrn von Liechtenberg" von 1545 (o.O.) neu herausgegeben zur besseren Instruktion von "allen Vögt, Schultheissen / Amptleuten oder Amptsverwaltern / Regenten des Weltlichen Schwerdts vnnd Regimentes" (Colmar), das zu dieser Zeit offensichtlich schon vergriffen war. Darin wird die theologisch nicht akzeptable "reale" Verwandlung allerdings so lebenspraktisch am Beispiel der Arbeit des Töpfers geschildert, daß sie sehr wohl "real" möglich wurde: "Wie ein hafner auß einem Leim (Ton) ein krug / ein kachel oder ander geschirr machen vnd wider zerbrechen und wider anderst machen mag. Also ist der geist von der Hexen / der geist ist der Meister / die Hex ist der leim vnd auf solche weise / wirt auß der Hexe ein Katz / Wolff / Geiß vnnd wirt da der person nichts benommen / noch hinzu gesetzt...." S. 30;
Auch für die Segnerei ist der Übergang zum kriminellen, teufelsbündnerischen Akt vollzogen: "Nachmals ist auch vil des armen volckes / die in verzweifeltem glauben das Vieh / Ochsen / Schwein / Schaaf / Hund ec. segnen und incantieren, daß dise nicht von Wolffen / Bären / vnnd anderen thieren gefressen oder zerrissen werden ... aber nit auß des segens krafft sonder auß des teuffels hilff." S. 63f.

21 Eine der wenigen Ausnahmen, allerdings auch erst in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts und aus Anlaß des "Ansbacher Werwolfs" von 1685 veröffentlicht, ist: Theophil Laube(n): Dialogi und Gespräch Von der Lycanthropia Oder Der Menschen In Wölff-Verwandlung. Frankfurt a.M. 1686. Laube fügt im Anhang rund ein Dutzend solcher volkstümlich umlaufenden Geschichten an, die er publikumswirksam schon auf dem Titelblatt anpreist.

22  Vgl. Henry Boguet, Discours des sorciers avec six advis. Lyon, 1610. Zu den abenteuerlichen Angaben von über 600 selbst ausgefertigten Todesurteilen, von denen Henry Boguet, der Richter in Saint-Claude, in seinem Buch spricht, vgl. Brigitte Rochelandet, Sorcièrs, Diables et bûchers en Franche-Comté. Besançon 1997. S.144. Nach ihren Untersuchungen wird in der Zeit zwischen 1500 bis 1599 in 20 von 100 Prozessen der Werwolfverdacht erhoben und mit Hinrichtung bestraft.

23  z. B. Schadenzauber im Stall: Teil II, Kap.7, S. 264: "Außerdem, weil oft alle Haustiere durch Behexungen getötet werden, müssen sie, denen so etwas zustößt, darauf achten, daß unter der Schwelle der Stalltür oder der Krippe oder wo (die Tiere) zur Tränke gehen, die Erde beseitigt und andere Erde unter Besprechung mit Weihwasser an dieser Stelle geschafft werde, weil die Hexen oft gestanden haben, daß sie gewisse Werkzeuge der Behexung an diesen Stellen verborgen hätten, mit dem Geständnis, daß sie auf Geheiß der Dämonen nur eine Grube zu machen hatten, der Dämon aber das Hexenzeug hineingelegt hätte. Dieses Hexenzeug war eine ganz unbedeutende Sache, z.B. ein Stein, Holz, eine Maus oder irgend eine Schlange."

24  zitiert nach W. Hain, Hexenverfolgung in Nassau-Dillenburg unter Johann VI. In: Heimatblätter Dillenburg, (in 14 Teilen), Nr. 7, August 1937.

25  Weisthümer der Gesetze, Ordnungen und Vorschriften, welche in die Nassauischen Teutschen Länder Ottonischer Linie von den älteren Zeit bis hierhin ergangen sind. Hadamar 1802-1803, Teil II, S. 174.

26  HStAW 369/1.

27 Karl Wolf, Beiträge zur Geschichte Johanns des Aelteren in Nassau-Dillenburg. In: Nassauische Heimatblätter, Jg.35, 1934, S. 45ff , S. 48.

28  HStAW 369/293.

29  Vgl. Harald Sipek, "Newe Zeitung" - Marginalien zur Flugblatt- und Flugschriftenpublizistik In: Harald Siebenmorgen (Hg.): Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe. 2Bde., Karlsruhe 1994, Aufsatzband 2/2, S. 85-92.

30 Johann Weyer, De praesrigiis daemonum (deutsch Frankfurt a.M.) 1578; Neudr. Amsterdam 1967, S. 195; Jean Bodin, De la Démonomanie des Sorciers. Paris 1580; Neudr. Hildesheim 1988, S. 96ff.

31  HStAW 369/293.

32 Im Verhörprotokoll des Adam Cuntzen heißt es beispielsweise, es habe ihm "bedünkt", er sei ein Wolf. (HStAW 396/195); In der Akte Henrich Schäfer lesen wir: "Er hätte gemeint "er wehr Ein Ras(en)tt dier, der ales begert vmb zu reißen, was er ansehe". Oder daß er "ein Wolff zu sein geschienen". (HStAW 369/145). Womöglich spiegelt sich hier aber auch nur die ambivalente Haltung des Verhörpersonals, dem es nach strikter kirchlicher Lehre verboten war, an eine "wirkliche" Verwandlung zu glauben.

33  Libri duo de synodalibus causis. Leipzig 1840, Kap. 44.

34  HStAW 369/148.

35 Im Verfahren gegen Reinchen Herman aus Liebenscheid wegen Wolfssegnerei wird die Beklagte 1592 noch gegen Bürgschaft aus der Haft entlassen (HStAW 369/297). 1603 muß Crain Fuchs, Witwe aus Holzhausen, 100 Gulden Buße zahlen und in der Kirche zu Haiger öffentlich vor der Gemeinde bekennen, daß ihr Tun gottlos sei. (HStAW 369/90)

36  Vgl. Johanna Koppenhöfer, Die Mitleidlose Gesellschaft. Studien zur Verdachtsgenese, Ausgrenzungsverhalten und Prozeßproblematik im frühneuzeitlichen Hexenprozeß in der alten Grafschaft Nassau unter Johann VI. und der späteren Teilgrafschaft Nassau-Dillenburg (1559-1687). Frankfurt a.M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien, 1995, S. 128.

37  HStAW 369/290.

38  ebenda.

39 Einer seiner Wolfssegen nach dem Verhörprotokoll: "Das Walde Gott und unser liebe Fraw. Die gingen über Landt. Und nahmen weisse Stäbe in Ihre Handt. Und schlugen auf die Püsche, samdt uff Joseps Wüsche. Und einen die schlüssel Gottes. Und beschließ mir dem leidigen Waldt hundt seinen Mundt, daß er mir laß dieß wüß oder Viehe gesundt. Im nahmen des Vatter, sohns und H. Geist. Dazu spricht er ein Pater Noster, zwey oder drey."

40 HStAW 369/283.

41 HStAW 369/16.

42 HStAW 369/145; Vergl. zum gesamten Fall auch Lorey, (wie Anm.4) S. 69-118.

43 HStAW 369/195.

44  Rainer Walz, Der Hexenwahn vor dem Hintergrund dörflicher Kommunikation. In: Zeitschrift für Volkskunde, Jg.82, 1986, S. 1-18, S. 15.

45  ebd.

46 Dieser Fall, der in fast keiner internationalen Publikation fehlen darf, die sich mit Hexenverfolgung in Deutschland oder gar den Themen Werwolf oder Vampir befaßt und der die Autoren meist nur zu einem atemlosen Stammeln in Sachen "Grauen" verführt, ist bisher nie einer kritischen Würdigung unterzogen worden. Fast alle Veröffentlichungen beschränken sich auf die Zitation von spektakulären Textpassagen aus den vier heute noch verfügbaren Flugblättern, wovon die Londoner Flugschrift von 1590 mit ihren 19 Seiten das weitaus ergiebigste Exemplar ist. Da die Gerichtsakten der zuständigen Herrschaft Salm-Reifferscheid in den Wirren des 17. Jahrhunderts verloren gingen, erscheint es besonders schwierig, die innere Logik dieses Falles und die für die öffentliche Meinung  prägende Wirkung angemessen zu bewerten. Deshalb ist es besonders schmerzlich, daß die jahrelangen Nachforschungen des Bedburger Bürgers Ernst Schopen, deren Veröffentlichung er unter dem Titel  "Der Eprather Werwolf" plante, vorerst verloren scheinen. Ernst Schopen starb nach langer Krankheit am 2. März 2000 in seiner Heimatstadt Bedburg.

47 Um weiblichen Angeklagten ein sexuell abweichendes Verhalten zu attestieren, genügt anfangs noch der Begriff "adulterei" (=Ehebruch). Später  wird die Buhlschaft mit dem Teufel als solche zur strafbewehrten Sodomie, wie etwa im Fall der 1590 hingerichteten Katharina Kremer aus Staffel, auf deren Akte ausdrücklich vermerkt ist "Sodomie cum diabolis". (HStAW 369/281).

48 HStAW 369/184.

49  Vgl. Carlo Ginzburg, Hexensabbat. Entzifferung einer nächtlichen Geschichte. Frankfurt a.M. 1993.

50 HStAW 369/83.

51  Vgl. Alfred Höck, Bemerkungen zum "Werwolf" nach hessischen Archivalien. In: Hessische Blätter für Volkskunde und Kulturforschung, Jg. 18, 1985, S. 71-75;
Vergleichbare Fälle für Schleswig-Holstein bei: Martin Rheinheimer, Wolf und Werwolfglaube. Die Ausrottung der Wölfe in Schleswig-Holstein. In: Historische Anthropologie. Jg. 2, 1994, H. 3, S. 399-422, S. 413 ff.

52 Rainer Walz, Der Hexenwahn vor dem Hintergrund dörflicher Kommunikation. In: Zeitschrift für Volkskunde, Jg.82, 1986, S. 3ff.

53  Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 211, Nr. 3005; den Hinweis auf dieses bisher unedierte Verfahren verdanke ich Rita Voltmer, Trier.

54  Landeshauptarchiv Koblenz, Abt. 211, Nr. 2291; den Hinweis auf dieses bisher unedierte Verfahren verdanke ich Rita Voltmer, Trier.

55 Auch für das Hinrichtungsritual scheint dieser Prozeß andernorts beispielgebend zu sein. Im Jahre 1609 wurde bei der Aburteilung des als Werwolf geständigen Johann Nothoff in Horst (bei Gladbeck), der auch das Verbrechen der Blutschande bekannt hatte, ein hölzerner Wolf auf einem Pfosten aufgerichtet, wie er auf allen den Bedburger Fall betreffenden Flugblättern abgebildet ist. Vgl. H. Alldieck, Akten und Urkunden zur Geschichte des Horster Gerichtswesens. In: Vestische Zeitschrift. Zeitschrift der Vereine für Orts- und Heimatkunde in Veste und Kreis Recklinghausen, Bnd.33, 1926, S.180-202, S. 201.

56 Stadtarchiv Lemgo A 3636. Vgl. Ursula Bender-Wittmann, There and back again. In: Gisela Wilbertz (Hg.), Hexenverfolgung und Regionalgeschichte: die Grafschaft Lippe im Vergleich, Bielefeld 1994, S.71-81, S. 77.

57 Vgl. Willem de Blécourt, Werwölfe und Zauberer in den östlichen Niederlanden im 17. Jahrhundert; eine andere (männliche?) Art Zauberei? In: Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg.), Hexenverfolgung - Frauenverfolgung? Materialien 3/1995, S. 73-76, S. 75;
Ein ganz ähnlicher Akzent (illegal erworbener Reichtum) scheint auch das Verfahren gegen den Apotheker David Welmann (1590-1669) zu prägen. Neben der 1623 neu gegründeten Detmolder Hof-Apotheke hatte er 1633 die Ratsapotheke in der Residenzstadt Lemgo gepachtet. 1648 wird er der Hexerei verdächtigt und um 1650 in einem anonymen Schreiben (mit Handzeichnung) wird er als "Warwolf" denunziert, der durch die Luft fliegend, gleich zwei Apotheken bewirtschaftet. Nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens 1669 wird er u. a. auch wegen "Vergiftung von Mensch und Vieh" im September des Jahres hingerichtet. (Stadtarchiv Lemgo A3651 und Dt L86 W2). Den Hinweis verdanke ich Gisela Wilbertz, Stadtarchiv Lemgo. Vergl. dazu auch: Wolfgang Schorlemann, 375 Jahre Hof-Aotheke Detmold. Detmold 1998, S. 6-8.
Wie Karl-Sigismund Kramer am Beispiel holsteinischer Brücheregister (=Rügegerichte) aus dem 17. Jhdt. zeigt, findet sich "Werwolf" auch dort nahezu synonym für Töwener, Wicker, Segner, Braucher oder Hexer, die Zauberei oder Gegenzauber praktizieren, unter denen auch die Hirten auftauchen. Gemeint sind vorwiegend "'kundige' Leute, von denen man nicht genau weiß, woher sie ihre Kenntnisse haben und wo sie zuhause sind, es sind meist Fremde, Herumstreifende, arme Leute außerhalb der eigenen sozialen Sphäre, deren Umgang gefährlich ist, aber derer man doch bedarf, weil sie eben mehr wissen und können als andere". Vgl. Karl-Sigismund Kramer, Schaden- und Gegenzauber im Alltagsleben des 16-18. Jahrhunderts nach archivalischen Quellen aus Holstein. In: Christian Degn; Hartmut Lehmann; Dagmar Unverhau (Hg.), Hexenprozesse. Deutsche und skandinavische Beiträge. Neumünster 1983, S. 222-239, S. 224. Der Werwolf-Vorwurf kann hier auch Frauen treffen wie bei einem Beleidigungsprozeß, der 1651 in Eutin geführt wird: "Daß des Marx Ravens frawe (von Meinstorf) des morgens gahr frue in der wische gewesen und ein wulff geworden". Ebd. Anm. 7.

58 Dies hatte möglicherweise auch Einflüsse auf das nördlich angrenzende Herzogtum Westfalen, das unter kurkölnischer Herrschaft stand. Bei 65 "kurzen" Verfahren im Jahre 1630, nach deren Abschluß 55 Personen aus dem bäuerlichen Milieu hingerichtet wurden, spielte bei neun Personen (davon drei Frauen) die Wolfsverwandlung eine Rolle. Unter den Delikten ging es neben der dämonologischen Verstrickung einzig um Schädigung von Mensch und Tier. Tier-Segnerei spielte keine Rolle. Vgl. Rainer Decker, Der soziale Hintergrund der Hexenverfolgung im Gericht Oberkirchen 1630. In: Schieferbergbau-Heimtmuseum Schmallenberg-Holzhausen (Hg.), Hexen. Gerichtsbarkeit im kurkölnischen Sauerland. Schmallenberg-Holthausen 1984, S. 91-118, S. 98. Protokollauzüge bei Bruns, Die Oberkirchener Hexenprozesse. Ebd. S. 11-90.

59 Noch am 17. Februar 1680 ergeht erneut ein Mandat an alle Nassauische Beamten, "Zauberey, Wahrsagerey, Chrystallensehen und dergleichen abergläubische Seegnerey auszurotten und gegen die Verdächtigten und schuldigen Personen peinlich (sic!) zu verfahren". Vgl. Weisthümer (wie Anm. 24) S.174; Im November 1681 folgt schließlich ein Erlaß, nach dem mit "10 bis 50 fl. und mehr, oder mit Thurm, auch wohl Staupen" bestraft wird, wer Personen als "Hexen, Zauberer, Werwölfe, und Teufelsbrut" anklagt und "seine Klage nicht beweisen kann". ebd.

60  vgl. Manfred Bambeck, Wiesel und Werwolf. Typologische Streifzüge durch das romanische Mittelalter und die Renaissance. Stuttgart 1990, S. 80. Weitere Beispiele in der altenglischen und französischen Literatur: vgl. Wilhelm Hertz, Der Werwolf. Beitrag zur Sagengeschichte. Stuttgart 1862. Neudr. Vaduz 1990, S.63ff. In der mittelhochdeutschen Dichtung findet sich das Motiv nicht. Vgl DWB XIV, I,2, 1960, Sp. 504.

61  "In der Zeit von ca. 1500 bis 1700 lassen sich die alten Züge und Motive der Werwolfsage nur noch mit Mühe aus dem Durcheinander der Vorstellungen in den Zeugnissen herausschälen." Konrad Müller, Die Werwolfsage. Studien zum Begriff der Volkssage. Phil. Diss. Marburg 1937, S. 58.

62 Vgl. Torsten Gerhardt, Der Werwolf im Groschenroman. In: Kieler Blätter zur Volkskunde, Jg. 9, 1977, S. 41-54;
Sehr amüsant eine anonyme Zuschrift zum Thema "Werwolf im Kino": Der Alltag ist nicht grau? Aber der Werwolf isses! In: Zwischenschritte. Beiträge zu einer morphologischen Psychologie, Jg.14, 2/1995, S. 159-162;
Daß beim Aufruf des Begriffes "werwolf" oder "werewolf" in einer der einschlägigen Suchmaschine des  Internets Tausende von Seiten erscheinen, verweist auf eine besondere Präferenz der jüngeren Generation, die diese Figur unter das Personal der sehr beliebten "Rollenspiele" aufgenommen hat, wo sie wieder eine facettenreichere Deutung zu erfahren scheint, die vom Klischee der hexerisch kontaminierten Horrorgestalt nur noch wenig beeinflußt ist.


© Elmar M. Lorey 2003

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