Elmar M. Lorey

MOZART IN WALLUF
Eine Episode aus dem Jahre 1763

Im September des Jahres 1763 machte die Mozartfamilie in Walluf Station. Wo haben die fünf Personen wohl die Nacht verbracht und was mag wohl der Grund sein dafür, daß bisher nirgendwo in dem kleinen Rheingauort eine Gedenktafel an diesen Besuch erinnert?

In den frühen Morgenstunden des 9. Juni 1763 verläßt eine hoch beladene Kutsche die Salzburger Getreidegasse und rollt hinaus aus der Stadt in Richtung Westen. Vier Personen - zwei Erwachsene und zwei Kinder - teilen sich die Plätze im Inneren des geräumigen Wagens und sie haben sich auf eine lange Reise eingestellt. Was sie allerdings noch nicht wissen: ganze 3 ½ Jahre wird diese Reise dauern und erst am 29. November 1766 werden sie wieder in Salzburg eintreffen. Noch viel weniger freilich ahnen die Reisenden von einer nicht ganz freiwillig verbrachten Nacht in dem kleinen rheingauischen Dörfchen Niederwalluf, über die meist rätselhaftes Schweigen gebreitet ist.
Doch erzählen wir die Geschichte der Reihe nach.

Leopold Mozart um 1765Leopold Mozart, Hofkomponist, Vizekapellmeister, Violinist, talentierter Unternehmer und selbstbewußter Schwabe, hat für seine Familie eine große Kunstreise durch Europa geplant und er hat sie gut vorbereitet. Denn er verfolgt das Ziel, seine beiden Kinder, den gerade siebenjährigen Wolfgang Amadeus und dessen um fünf Jahre ältere Schwester Marianne - Nannerl genannt - an den großen Höfen Europas zu präsentieren und gehörig ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

Mehr als drei Jahre ist der kleine Wolfgang durch die strenge Schule seines Vaters gegangen. Endlose Stunden hat er am Klavier und mit der Violine verbracht. Scheinbar ohne Anstrengung, nicht Opfer einer Erziehung, sondern immer spielerisch und hingebungsvoll. Vor zwei Jahren, als Fünfjähriger, hat er seine ersten eigenen Kompositionen abgeliefert.

Die Geschwister gelten als musikalische Wunderkinder, auch wenn der Vater die eigentlich schöpferischen Fähigkeiten seines Sohnes erst später erkennen wird. Im vergangenen Jahr - 1762 - hat das Wolferl erfolgreich am Hof des bayerischen Kurfürsten konzertiert und mit seinem Klavierspiel in Wien Kaiserin Maria Theresia entzückt. Nun soll der Applaus durch ganz Europa hallen, zuvörderst an den herrschaftlichen Höfen in München, Mannheim, Mainz und Koblenz, und dann in Paris, im Schloß von Versailles, an den Höfen von London und Den Haag. Leopold Mozart hat die Stationen wie einträgliche Perlen auf eine Schur geknüpft. Sie geben den Rhythmus, den Takt und die Kontrapunkte dieser Reise vor, bei der es auch ums Geldverdienen geht.

Es ist ein Hasten über Stock und Stein. Ein zerbrochenes Kutschenrad kann sie weit zurückwerfen. Die Günstlinge an den Höfen verstopfen den musikalischen Konkurrenten die Türen, Leopold muß die Launen der Fürsten im voraus erahnen, ihre diplomatischen Streitigkeiten untereinander kennen und geplante Hochzeiten einkalkulieren. Zuweilen ist man gezwungen, schnelle Nachtfahrten einzulegen, um einen Herrscher gnädig zu stimmen.
Auf dem Kutschbock des robusten Reisewagens, der eigens für dieses Unternehmen in Preßburg in Auftrag gegeben wurde, führt Sebastian Winter die Zügel, der fünfte im Bunde. Er ist nicht nur für die Sicherheit der Reisenden zuständig, sondern auch - und das ist sein eigentlicher Beruf - für ihre Frisuren und Perücken.
Eigene Pferde hat man nicht. Man wechselt sie an den Poststationen von Thurn und Taxis, die wie ein Netz fast lückenlos über den Kontinent geflochten sind. In Leopolds Geburtsstadt Augsburg nimmt man noch ein Reiseklavier an Bord, das der famose Augsburger Klavierbauer Johann Andreas Stein für dieses - wie Leopold hofft - auch finanziell erfolgreiche Unternehmen angefertigt hat. Jetzt hat man alles beieinander. Jetzt kann man auftreten wo immer man will.

Doch vergessen wir nicht die vierte Person in der Kutsche, die bei aller Beschwerlichkeit der Reise immer wieder für den guten Ton und die vergnügliche Laune sorgen wird: Anna Maria, geborene Pertel aus dem Salzkammergut, die warmherzige Mutter der beiden musikalischen Wunderkinder, von der Wolfgang Amadeus die unbefangene Fröhlichkeit, die Liebe zu allem Schalkhaften, zum derben, ja bisweilen gar zotigen Humor geerbt hat, was seine späteren Briefe noch heute zu einer vergnüglichen Lektüre macht.

Die Konzerte in den Residenzen von Nymphenburg, Ludwigsburg, Bruchsal, Schwetzingen, Heidelberg und Mannheim sind erfolgreichen. Am 3. August 1763 schließlich rollt die Kutsche - von Oppenheim kommend - in Mainz ein und man nimmt Quartier im „König von England", einer bequemen Herberge direkt am Markt und im Schatten des Domes. Es folgen öffentliche Konzerte und solche, zu denen der Mainzer Kurfürst einen erlauchten Kreis von Gästen in die Residenz auf der Favorite läd.

Aber Hofmusik ist Spektakel. Musiker sind Domestiken. Wie gewohnt, plaudern die Gäste einfach weiter. Doch dann halten sie plötzlich erschrocken inne, als hätten sie eine der strengen Regeln des Hofes verletzt - und sie lauschen. Mehr noch. Den beiden Kinder gelingt es, auch die Augen der Hörenden zu fesseln, die jetzt der Entstehung der Musik sogar zuschauen. Nicht mehr der Hof, die Kinder und ihre Musik stehen im Mittelpunkt. Leopold notiert in sein Tagebuch: „Alles gerieth in Erstaunen ! Gott gibt uns die Gnade, daß wir, Gott Lob, gesund sind, und aller Orten bewundert werden."

Für zwei Wochen macht man von Mainz aus einen Abstecher nach Frankfurt, wo man im „Goldenen Löwen" in der Bendergasse 3 logiert. Am 18. August 1763 gibt der junge Mozart ein Konzert im Scharfischen Saal auf dem Frankfurter Liebfrauenberg. Unter dem lauschenden Publikum auch die Goethe-Familie mit ihrem gerade 14jährigen Sohn Johann Wolfgang.
Beide Knaben wissen noch nicht von einander, noch viel weniger davon, daß sie die gleichen Vornamen tragen. Auch dem jungen Mozart hat man neben dem Heiligen Wolfgang den Heiligen Johannes (wenn auch nach dem Hl. Johannes Chrysostomus) zum Taufpatron gewählt. Also noch ein Johann Wolfgang. Doch dieser, der Musiker, nennt sich nach modischem Gusto lieber französisch Wolfgang Amadé.

W.A.Mozart 1763     (Q> Stiftung Mozarteum)Jahre später wird sich Goethe an dieses Konzert wieder erinnern und an den, wie er sagt, kleinen Mann mit Degen. Und gut 50 Jahre nach diesem Frankfurter Konzertabend - genau im August des Jahres 1814 - wird Goethe hier vor der Niederwallufer Kirche stehen, auch sie dem Heiligen Johann geweiht, und er wird von ihren efeuberankten Mauern schwärmen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Krieg von 1793 sie allerdings schon zur Ruine gemacht. Aber romantische Ruinen sind gerade modern geworden und die neue Attraktion im Rheintal.

Der junge Mozart freilich war schon vor Goethe hier. Eben - in den Septembertagen des Jahres 1763. Nach Leopold Mozarts fein ziseliertem Plan sollte dem Abschied von Mainz nämlich eine romantische Schiffsreise folgen, eine touristische Spezialität, die man eigentlich erst 40 Jahre später entdeckt.
Vor dem Aufbruch besucht man Wiesbaden und das noch junge Biebricher Schloß, wozu das Nannerl in seinem Tagebuch lakonisch bemerkt: „Wisbad, den Ursprung (=die Quellen) von den warmen und kald bad; Biebrich, den Garten, das Schloß, worin ein runder Saal ist".

Am 13. September 1763 abends besteigt man schließlich die Wasserdiligence am Mainzer Rheinufer in Richtung Koblenz, dem nächsten Ziel, wo man in seiner Residenz dem Trierer Kurfürsten Johann Philipp die Aufwartung zu machen gedenkt. Leopold Mozart in einem Brief nach Salzburg:
„Nun kömt eine merkwürdige Reise ! Den 13.ten Dieß(es) sind wir mit einer Jagd, oder wie man hier spricht, Jacht, nach Coblenz abends um ½ 7 Uhr von Maynz abgefahren. Von Maynz bis Coblenz fährt man, wenn es gut geht, und wenn man Morgens recht frühe abfährt, in einem Tage. Die Jagt ist ein Schif(f), welches groß ist, 3 Zimmer und vorne und hinten noch große verdeckte Orte hat, wo die Kaufmanns Güter liegen ... Oben drauf auf dem Dache sind die Ruder, und da stellt man auch die Wagen hin. Es sind schon kleine Modellen von Schiffen, die auf dem Meer gebraucht werden."

Doch kaum daß das segelbewehrte Schiff am Mainzer Holztor abgelegt hat und Stadtmauer, Dom und Schloß an den Reisenden vorüber gezogen sind, fällt ein böses Wetter über das Rheintal. Und weil die ungünstigen Winde sich zum Unwetter aufblähen, werden sie nicht nur die Mozart’schen Reisepläne für Wochen gehörig durcheinander bringen, sondern auch eine rätselhafte Lücke in die Mozartforschung reißen.
Wasserdilligence 18. Jhdt.Leopold notiert resigniert in seinem Tagebuch: „Den 13. Abends fuhren wir noch 2 Stund nach Walf." Und dann war die Reise vorerst zuende. Während die Knechte noch an den Tauen zerren, mit denen Kutsche und Gepäck auf dem Dach des schwankenden Schiffes vertäut sind, suchen die Reisenden unter unflätigen Regengüssen und scheußlichen Sturmböen auch schon das rettende Wallufer Ufer zu gewinnen und vor der hereinbrechenden Nacht Schutz und Unterkunft zu finden.

Leopolds TagebuchUnd hier beginnt das Rätselspiel. Nur zu gerne wüßten wir, Wie, Wo und vor allem Was sich in diesen nächtlichen Stunden des 13. September 1763 hier abgespielt hat. Was könnte man nicht alles auf bronzene und marmorne Tafeln schreiben, wenn.....  Doch weder Leopold Mozarts eifrig geführtes Tagebuch, noch seine sonst so detailverliebten Briefe an den Salzburger Gönner und Hauswirt Lorenz Hagenauer können unsere Neugier wirklich stillen. Selbst Notizen über die Kosten für Übernachtung und Verpflegung, die Leopold sonst peinlich genau verzeichnet, fehlen für diesen Tag.

Und so werden wir mit kriminalistischer Sorgfalt den mageren Spuren folgen und ein wenig spekulieren, wo denn nun die Mozarts diese Nacht wohl verbracht haben, und wer heute - wenn man es denn wüßte - am ehesten jene werbewirksame Tafel an seinem Hause anschlagen könnte, die von dieser einzigen Mozart’schen Nacht in Niederwalluf Zeugnis ablegte?

Der damalige Schwan des J. HenrichAls erstes fällt der Verdacht natürlich auf das alte Gasthaus „Zum weisen Schwan", das so nahe und direkt am Rheinufer gelegen ist. Doch der „Weise Schwan" war keineswegs der einzige Gasthof am Rheinufer, vor allem war es nicht der Gasthof, der heute diesen Namen trägt. Der damalige „Schwan" des Jakob Henrich lag zwei Häuser weiter zur Kirche hin, in jenem Haus mit den fünf Bogenfenstern im Obergeschoß, an das sich heute das neue Schwanen-Hotel anschließt. Der heutige Schwan, damals Gold. EngelUnd um die Verwirrung noch zu mehren, war der heutige „Schwan" damals der Gasthof „Zum goldenen Engel" und wurde von Martin Dotzheimer bewirtschaftet.
 
 

 

Der damalige AnkerNur ein wenig die Straße rheinabwärts, im Eckhaus Brückenstraße und Rheinstraße - heute Weingut Becker - gab es darüber hinaus das Gasthaus „Zum Anker" des Adam Beringer. Es war zweifellos das geräumigste der drei Anwesen und käme am ehesten für unsere Gäste in Frage. Und schließlich muß noch ein „Anker" genannt werden: Der „Goldene Anker". Auch dieses Gasthaus lag unmittelbar am Rhein und im Abendschatten des Kirchenchores, an der heutigen Ecke Kirchgasse, Fischergasse. Der Goldene Anker um 1874Doch Josef Geldners Haus war das kleinste von all diesen vier Gasthöfen um die Kirche und wohl eher nur eine Fischerkneipe, in der man die Nacht - am Kneipentisch sitzend - hätte verbringen müssen. Dennoch. Das Terrain war im Prinzip recht günstig für unsere Reisenden; getreu der katholischen Regel: „ubi messe, ibi esse (und trinke)"; die Gasthäuser immer nahe bei der Kirche.

Wo aber hat er wohl die Nacht verbracht, der junge Wolfgang Amadeus, und das Nannerl, und die Eltern und der treue Knecht und Mozart-Friseur Sebastian Winter?

Leider bleibt dies ein Geheimnis. Zumindest gibt es keinen, von dem wir mit Sicherheit sagen könnten: Er oder sie, habe - wenn ihn schon nicht musizieren gehört - so doch den jungen Mozart ordentlich bewirtet.

Doch halt! Nicht ganz. Einer wird genannt, wenn auch nicht mit seinem Namen. Hören wir Leopolds Tagebuch: „In der frühe (des nächsten Tages) hörten wir die heilige Meß, die ein Pater Dominikaner von unserem Schiffe laß." Und in der Tat residierten die Dominikaner, Das Haus der Dominikanerdie zu dieser Zeit die Niederwallufer Gläubigen betreuten, damals in dem schönen barock-gelben Haus, zu dessen Füßen heute der Leinpfad beginnt. Das kleine Gäßchen, das kurz davor vom Rhein wegführt und unter alten Wallufern nur "die schwarz Laus" genannt wird - eine Verballhornung von „Schwarze Klause" - erinnert noch an diese Dependence des Mainzer Klosters.

Leopold Mozart freilich gibt uns sogleich ein neues Rätsel auf. Was ist damit gemeint, daß der Geistliche „von unserem Schiffe" die Messe las? Las der Geistliche die Messe an Bord des vom Unwetter so schmählich ans Ufer gefesselten Segelbootes, gleich neben der auf Deck festgezurrten Mozart’schen Kutsche? Einem Dominikaner wäre so etwas zuzutrauen. Sei es aus missionarischem Eifer, für den der Orden berühmt ist, oder sei es nur aus übergroßer Kunstliebhaberei und Gastfreundlichkeit, deren der Orden sich selbst gerne rühmt. Was allerdings die Freundlichkeit der Wallufer Klosterleute angeht, sprechen alte Dokumente eher eine andere Sprache. Immer wieder sind Klagen über die Patres zu lesen, und über ihre unüberwindliche Neigung, möglichst schnell von dieser Gemeinde wieder fort und an andere Orte versetzt zu werden.

War es vielleicht so, daß einer von ihnen - ein besonders reiselustiger und schnell entschlossener - die günstige Gelegenheit beim Schopfe faßte, um ausgerechnet mit diesem Schiff und zusammen mit der Mozartfamilie Niederwalluf fluchtartig zu verlassen? Ein Dorf mit vier Kneipen um die Kirche und nachweislich noch ohne eigenes Blasorchester? Dann war er in der Tat „ein Pater Dominikaner von unserem Schiff", wie Leopold schreibt.

Oder war es so, daß einer der Dominikaner, ein Musikkenner, die Messe doch in der Kirche zelebrierte, ausnahmsweise gut gelaunt und exklusiv für die von widrigem Wetter ans Ufer geworfene Musikerfamilie? Dann lud er mit Sicherheit den kleinen Mozart dazu ein, die Orgel zu schlagen, was dieser bei ähnlichen Gelegenheiten auf dieser Reise immer wieder zu tun pflegte. In diesem Falle wäre es einzig die Niederwallufer Kirche, der es zukäme, sich mit einer marmornen Gedenktafel zu schmücken! Das wiederum gäbe manchem Wallufer die Möglichkeit - bei passender Gelegenheit - ganz beiläufig und lässig - die Bemerkung fallen lassen:
„Ach, ... dieser Mozart! ... Ja, der war bei uns mal Hilfs-Organist"

Aber leider - leider ist auch das - reine Spekulation, wenn auch nicht ganz ohne das berühmte Körnchen Wahrheit. Eines nur ist sicher: In der Frühe des 14. September des Jahres 1763 trug die Geschichte den jungen Mozart wieder fort von Niederwalluf. - Nicht sehr schnell, wie wir wissen, und nicht sehr weit, weil schon in Oestrich das böse Wetter die nächste Unterbrechung bringt.

Andererseits - so könnte man sagen - ist es vermutlich eine glückliche Fügung, daß die Mozart’sche Nacht in Walluf in so rätselhaftes Dunkel gehüllt ist und fortan auch bleibt. Auf die Frage nach dem Warum nur so viel:
Häufig auf dieser Reise ist das musikalische Wunderkind von Krankheiten geplagt, von gelenkrheumatischen Anfällen, Ohrenschmerzen und fiebrigen Erkältungen. In diesen frühen Strapazen, so meint später manch einer seiner Biographen, liege womöglich die Ursache für Mozarts frühen Tod. Tragischer noch jene neueren Forschungsergebnisse, nach denen die von Mozart so geliebten Schweinskoteletts als Todesursache von einem Wissenschaftler ausgemacht wurden. Ihre Verseuchung mit Trichinen könnte die fatale Ursache gewesen sein, wie jüngst überall in den Zeitungen zu lesen war.
Und wenn man weiter forschte?
Wir wissen: Die Forschung ruht nicht!
Daran, daß schließlich aller Krankheit Anfang womöglich gar in einer feuchten Niederwallufer Herberge liegen könnte - ganz zu schweigen von dort aufgetischten nicht ganz koscheren Koteletts oder gar einer mißgestimmten, Ohrschmerz verursachenden Orgel in einer nachweislich ungeheizten Kirche - daran wollen wir erst gar nicht denken. Müssten die Wallufer - im Falle neuer hartnäckiger Nachforschungen nicht gar fürchten, selbst eines Tages für den Tod....?

Womöglich sind solch skeptischen Überlegungen der wirkliche Grund dafür, daß diese - historisch sehr wohl belegte - Mozart’sche Nacht in Walluf in so hartnäckiges Schweigen getaucht ist, daß nirgends eine Gedenktafel angebracht wurde, daß so wenig von diesem Ereignis von den Vorfahren auf die Nachkommen überliefert worden ist und daß ein jeder Wallufer vielleicht gerade deshalb auch fortan zu tiefstem Schweigen angehalten werden muß?
Wenn dem so ist, dann tun auch die Biographen gut daran, diese Wallufer Nacht zu verschweigen und weiterhin nur davon zu berichten, daß trotz aller Widrigkeiten die Reise der Familie schließlich doch von Mainz (auch über Walluf) fortführte - dann über Bingen, Koblenz und Köln - und weiter bis nach Paris und London, wo Wolfgang Amadeus Mozart in gut überdachten Konzertsälen, aber häufig in ungeheizten herrschaftlichen Palästen zu einem neuen König der Musik wurde, deren Zauber immer mehr Menschen verfielen.

Und so ist es vielleicht ein Glück: Von Mozarts Nacht in Walluf kennen wir nur die Rätsel. Von Mozarts Musik aber kennen wir noch jede Note, Stück für Stück.
Und das muß - auch für Wallufer - als Trost ausreichen.
 
 

© Elmar M. Lorey 2006


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