Sie befinden sich hier: www.elmar-lorey.de/werwolf/wahrheitsdroge.htm                    Druckversion dieses Textes: Nassauische Annalen, Jg.118, 2007, S.165-195

 

Die „Wahrheitsdroge“ im Hexenprozess?

Mythos und Realität eines ritualisierten Trankes [1]
Elmar M. Lorey

Gliederungs des Dokumentes:
1. Martin Antoine Delrio und der getäuschte Werwolf
2. Friedrich Spee und Johann Weyer als ahnungslose Zeugen?
3. Was wissen die Akten?
Der Rottenburger Fall von 1530
Der Esslinger Fall von 1562
4. „Psychochemische Folter“ im Hexenprozess?
5. ... wie der Teufel das Weihwasser
6. Die Gegenmagie im Zwielicht
7. Vom Abschiedsritual und dem geweihtem Wein
8. Von experimentierfreudigen Henkern?
9. Unter dem Deckmantel des Heilers?
10. Durch Kräuter den Dämon vertreiben?
11. Von Mythensuchern
12. Von den Wirkungen „unwirksamer“ Wahrheits-Tränke

Das Hexen-Thema war schon immer gut für Legenden und populär populistische Ausflüge in die Geschichte, gern auch mit geschwollener Stirnader. Wohl nicht zuletzt weil der Stoff auf dem alten Schlachtfeld weltanschaulicher Polemiken und konfessioneller Streitigkeiten so gut eingeführt ist. Dabei ist der Gegenstand störrisch, wie an der kaum mehr überschaubaren Forschungsliteratur abzulesen ist, die stetig wächst, weil die Komplexität des historischen Phänomens sich einfachen Erklärungen verweigert. Ein Teil der Faszination, die von der Hexenverfolgung ausgeht, liegt in den von Willkür, Gewaltanwendung und Folter geprägten Verfahren, die so offenkundig die Anwendung des Begriffes Justizmord rechtfertigen. Zuletzt hat Robert Zagolla jedoch darauf hingewiesen, dass sich zum Beispiel die Grundsätze der Folteranwendung im Hexenprozess nicht wesentlich von denen in anderen Strafverfahren unterschieden.[2]

Als rätselhaftes Detail der Folterpraxis ist in der gelehrten Literatur der Zeit, wie auch in Akten zu einzelnen Verfahren von unterschiedlichen Tränken die Rede, die den Opfern verabreicht wurden, um sie auf diesem Wege zu einem Geständnis zu bringen. Mitunter schreiben diese Quellen dem Trank die außerordentliche Wirkung zu, dass die Henker nach mehrfach erfolgloser Folter erst mit Hilfe eines solchen „Wahrheits-Trankes“ die Angeklagten zum Bekenntnis hatten bewegen können. Begreiflicherweise erweckt das die Neugier, das Geheimnis um diese Tränke zu lüften.

Das auf den ersten Blick marginale Thema gewinnt eine gewisse Aktualität auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Debatte um Terrorismus und Antiterrorkampf, um Geheimpolitik und um schwindende Berührungsängste gegenüber der historischen Erkenntnis des Folterverbotes. In der Diskussion über Spezialstrategien von Geheimdiensten, Informationen von inhaftierten Personen eher mittels psychochemischer Mittel statt durch Gewaltanwendung gewinnen zu können, erscheint die „Wahrheitsdrogierung“ mitunter als „humanere“ Variante der Informationsbeschaffung, gleichsam als pharmakologische Überwindung der rechtlich tabuisierten Folter.[3] Nach anfänglichen Experimenten mit Barbituraten wie Thiopental oder Sodium Pentothal aus der Gruppe der Hypnotika, die ursprünglich für zahnmedizinische Eingriffe verwendet wurden, scheint man zur Erprobung vermutlich wirksamerer chemischer Substanzen übergegangen zu sein. Von Fachleuten wird jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass ein „Wahrheitsserum“ womöglich die Kommunikations- und damit „Kooperationsbereitschaft“ fördern kann, kaum aber direkt den intendierten Effekt – Preisgabe einer willentlich unterdrückten Auskunft - herbeizuführen vermag.

In der Diskussion ist mitunter die Suche nach „historischen Vorbildern“ festzustellen, die den Eindruck einer hilfreichen Entlastungsstrategie nicht immer verbergen kann. Dass sich dabei Elemente von Legendenbildung beobachten lassen – ähnlich der Diskussion um die so genannten Hexensalbe -, kann kaum verwundern, handelt es sich hier doch um vermeintlich reale und nonfiktionale Fundstücke, die freilich aus einem historischen Grenzgebiet kollektiver magischer Vorstellungswelt stammen, die sich nur auf den ersten Blick als „historische“ Parallelen scheinbar nachbarschaftlich in die heutige Diskussion um die „Wahrheitsdroge“ einfügen lassen.

Bei näherer Betrachtung spricht einiges dafür, dass der mentalitätsgeschicht­liche Hintergrund dieser Epoche und die den damaligen Zeitgenossen vertrauten Vorstellungs- und Denkwelten zumeist nur von weitem besichtigt sind. Gegenüber der kausalen Bravour, die den Zeugnissen bisweilen unterschoben wird, scheint Zweifel angebracht. Machen wir also den Versuch, einigen dieser Quellen zum „Wahrheitstrank“ nachzugehen und ihre Tauglichkeit für Mythen- und Legendenbildung näher zu betrachten.

1. Martin Antoine Delrio und der getäuschte Werwolf

Ausgangspunkt für diese Recherche war jene spektakuläre Episode, die Martin Delrio (1551 - 1608),[4] einer der profiliertesten Theoretiker und Befürworter der Hexenverfolgung, zum „Wahrheitstrank“ beisteuert. Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert berichtet er in einem kleinen exemplum von einem Werwolfverdächtigten, den der Henker mittels eines solchen Trankes zum Geständnis gebracht haben soll. In seinem Traktat "Disquisitionum Magicarum Libri Sex", und dort im Kapitel über die Einwirkungsmöglich­keiten des Teufels auf den Körper des Gefolterten (Buch 5, Sekt.9), vermerkt er nicht ohne ironischen Seitenhieb auf die mancherorts in Deutschland geübte exzessive Folterpraxis:

Entweder täusche ich mich sehr oder es ist tatsächlich in den vergangenen Jahren bei jenem Werwolf in Westfalen das bewirkt worden, wovon, wie mir Carolus Billeus, ein äußerst angesehener Mann, - nach dem durchlauchtigsten Kurfürsten Ernst, des Herzogs von Bayern, persönlich - erzählt hat, folgendes in aller Munde war:
Ein Mann, der zwanzigmal der strengen peinlichen Frage unterworfen worden ist (sieh da, wie weit sich das milde Ermessen der Richter in jenen nördlichen Gegenden erstreckt), hat nichts gestanden, sondern grinsend und lachend hat derselbe alle Martern ertragen. Endlich habe der Henker für den Angeklagten einen gewissen heilsamen Trank vorbereitet.

Er selbst aber habe mit purem, reinen Wein zugetrunken und <diesen> getrunken, dem Angeklagten aber jenen anderen Trank dargeboten <und ihn> so hereingelegt. Ehe man sich versah, habe der Angeklagte alle seine Untaten berichtet, sowohl unter anderem Lycanthropie (= Verwandlung in einen Wolf) für einige Jahre als auch, was er dann meist begangen hatte.
Auf Befragen, woher diese so plötzliche Veränderung stamme, hat er geantwortet, daß er einen Pakt mit dem Dämon habe und dieser ihm diese Unempfindlichkeit gegen Schmerzen mit Verschwiegenheit bei Torturen versprochen habe und daß jener alle Martern, die der Henker ihm selbst auferlegen würde, auf sich nehmen werde. (Das natürlich wie ich gesagt habe, auf dem Wege des Abwendens und Dazwischenschiebens. Es wäre nämlich dumm zu glauben, daß der Dämon selbst in eigener Person hat torquiert werden können.)
Sobald er aber jenes - ich weiß nicht was - getrunken hätte, sei der Dämon gewichen - entweder wider Willen oder als Verächter des Pakts. Deswegen wolle er nicht weiter torquiert werden, er wolle lieber freiwillig bekennen.

Das Schweigen aber pflegt der Teufel durch körperliche Inbesitznahme des Malefikanten unter innerlichem Verschließen von Kehle und Mund in dem Maß herbeizuführen, daß er nicht erstickt wird, jedoch nicht sprechen kann. Manchmal auch indem das Organ des Gehörs so verstopft wird, daß die Angeklagten die Worte und Fragen des Richters nicht vernehmen. Beispiele für dies alles teilt Nicol. Remigius mit. (lib. Daemonolat., c.8. und 9.)"[5]

In ihrer deutschen Übertragung dieser Passage wählte Petra Nagel für das lateinische „imponere“ den unzweideutigen Begriff "hereingelegt" und insinuiert damit in der Tat so etwas wie eine heimtückische Verabreichung eines Trankes mit womöglich psychotroper Wirkung, während der Henker dem Gefangenen „mit purem, reinen Wein zugetrunken“ habe. Der eigentliche Effekt des Trankes, so sagt der Text, lag jedoch in der „Entmachtung“ des während der Folter anwesenden Dämons.

Der Fall selbst kann wegen der von Delrio genannten Gewährsleute als glaubhaft gelten, auch wenn aktenmäßige Belege für diesen frühen westfälischen Werwolfprozess bisher nicht bekannt geworden sind.[6] Als Quelle für sein exemplum gibt Delrio persönliche Mitteilungen aus dem Mund des Kölner Kurfürsten Ernst von Bayern [7] und dessen Höfling Carolus Billeus [8] an.

Auf der Suche nach einem Echo dieser Episode finden wir diese Stelle aus Delrios "Disquisitiones" wieder in einem Aufruf der Schweizer Ärzte gegen Drogen (Zürich 1997), [9] und sie wird in einer sehr weitreichenden Aussage als Beleg für die Praxis einer „Wahrheitsdrogierung im Hexenprozess“ herangezogen. Im Zusammenhang mit der Hexensalbe und unter der Überschrift: „Mittelalter: der Weg zum Blocksberg und zur 'Wahrheit'“ ist dort zu lesen:

„Im mittelalterlichen Europa begab man sich mit Hilfe von Hexensalben auf den Trip zum Blocksberg. Es waren - von ihnen war etwa in Hexenvernehmungen wiederholt die Rede - obskure Pflanzendekokte, die für Störungen der Wahrnehmungen und des Verhaltens verantwortlich waren. Kräuterkundige Frauen nutzten damals giftige Nachtschattengewächse (Solanazeen) für Extrakte, die dann in Salben und Mixturen gegen Schmerzen, Krämpfe und Unfruchtbarkeit oder als Aphrodisiaka, Schönheits- und Verjüngungsmittel verwandt wurden. Ihre gefährlichen Nebenwirkungen waren anfangs kaum bekannt. Auch Inquisitoren benutzten sie, um durch «Hexentrunk» oder «Hexensuppe» des Delinquenten «Schweigen zu brechen». Der Jesuit Martin Delrio (1551-1608), einer der eifrigsten Hexenverfolger, berichtete in seinem Buch Inquisitiones magicae (1599), dass ein westfälischer Edelmann, der zwanzigmal der Folter widerstanden hatte, unter dem Einfluss eines berauschenden Getränkes sofort gestand.“

Dass dem Autor, Dr. Michael G. Koch, Delrios "Disquisitiones" zu „Inquisitiones“ gerieten und der „Lycanthropo illo VVestphalico“ des Originaltextes zu einem „westfälischen Edelmann“ mutierte, mag auf den ersten Blick verwundern. In der Sache jedoch beruft sich der Mediziner Koch – wenn auch ohne Seitenangaben - auf den angesehen Hygieniker und Seuchenhistoriker Prof. Dr. med. Stefan Winkle, (Emeritus für Hygiene in Jena und Hamburg) und speziell auf sein Standardwerk „Geisseln der Menschheit. Kulturgeschichte der Seuchen“ (Zürich, Düsseldorf 1997).

In dem stattlichen 1.400 Seiten umfassenden Band lassen sich zwar keine Hinweise in dieser Sache finden, dafür wird man bei weiterer Suche jedoch in einem Beitrag Winkles im „Hamburger Ärzteblatt“ fündig.[10] Im Zusammenhang mit den möglichen Bestandteilen der so genannten Hexensalben verweist Winkle in Anmerkung Nr. 60 auf die mögliche Praxis der Scharfrichter/Henker, den geständnisunwilligen Delinquenten einen "solanazeenhaltigen Hexentrank" oder die "Hexensuppe" verabreicht zu haben, um "das Schweigen zu brechen". [11] Übrigens finden sich schon in diesem Text der „westfälische Edelmann“ statt des Werwolfs und auch der verdorbene Titel für Delrios Traktat.

Neben Delrio zieht Winkle als weiteren Beleg für diese Scharfrichter-Praxis eine Publikation von Johann Peter Frank aus dem Jahre 1788 heran. In der Hoffnung hier einen konkreteren Befund für die so allgemein behauptete Praxis der „Wahrheitsdrogierung“ im Hexenprozess zu finden, wird der Leser jedoch schnell enttäuscht. An angegebener Stelle schreibt Frank zwar davon, dass „es Menschen gab, die sich rühmten, hinter das Geheimnis gekommen zu seyn, die Hexen zu nöthigen, ihrer Bezauberung ein Ende zu machen, und die geraubte Gesundheit wieder unverletzt zu ersetzen“. Und weiter: „Die Scharfrichter und Aerzte, welche bey der Folterbank gebraucht wurden, auf welcher die Unholden ihre Thaten bekennen sollten, waren zum Theil auf die Aussagen der weisen Weiber sehr aufmerksam, oder suchten wenigstens die Welt glauben zu machen, dass sie ihre Kunststückchen selbst daher hätten. So verschafften sich diese Herren ein besonderes Zutrauen in allen Zufällen, welchen eine Zauberey zum Grunde liegen sollte.[12] Als Beleg für diesen „Lerneifer“ der Scharftrichter und als Beispiel für ein solches „Kunststück“ lässt Frank jedoch einzig ein Exempel aus Bodins „Démonomanie“ folgen, in dem es freilich um brave und nachgerade kirchentreue Wortmagie geht.[13]

Doch die These, von den frühneuzeitlichen Scharfrichtern und Henkern (denen ohne Zweifel niemand besondere Menschenfreundlichkeit attestieren wird) als den historischen Vorläufern der Wahrheitsdrogierung bei CIA und vergleichbaren Akteuren, hat längst ein interessiertes Publikum - etwa in Internetforen - gefunden. Aus den Henkern sind dabei längst „die Inquisitoren“ geworden,[14] jene rätselhaft anonymen Gestalten, die nach allgemeiner Vorstellung ihr undurchsichtiges Handwerk noch immer hinter Vatikanischen Mauern betreiben.

2. Friedrich Spee und Johann Weyer als ahnungslose Zeugen?

Neben dem entschiedenen Befürworter der Hexenverfolgung Delrio hält die gelehrte Beschäftigung mit der Malefizjustiz auch unter den Gegnern vergleichbare Zeugnisse für die Theorie eines ominösen „Wahrheitstrankes“ bereit. In der 26. Frage zum „Schweigezauber“ oder dem so genannten „Hexenschlaf“ (maleficium taciturnitatis) findet sich auch eine Spur in Spees (1591-1635) „Cautio Criminalis“. Gerade hat er sich über die „Grausamkeit und Dummheit“ eines Kaplans erregt, der mit dem hinterhältigen Trick operierte, ein leblos scheinendes Folteropfer durch „beiläufiges Reden“ und Scherze wieder zum „Aufwachen“ zu bringen, als er unvermittelt fortfährt:

„Während ich das schreibe, fällt mich noch etwas ein, was ich nebenher anmerken will. An manchen Orten darf sogar der Henker den Schweigezauber durch ein den Angeklagten gegebenes Getränk austreiben; woraus es bestehen mag, weiß ich nicht. Aber das weiß ich, dass sich Angeklagte beklagt haben, sie seien nach diesem Getränk so verwirrt gewesen, daß sie sich von einem Schwarm Geister umringt oder besessen gewähnt hätten. Und wenn man sie dazu bringe, überhaupt etwas von bösen Künsten zu wissen, dann hätten sie sie freilich erst mit diesem Getränk in sich hineingetrunken. Doch wir wollen fortfahren.[15]

Angesichts der Leidenschaft, mit der Spee in den vorausgehenden Kapiteln und an Hand zahlreicher Beispiele die grundsätzlichen Einwände gegen die Folter durchdekliniert und die Exzesse der Henker gegeißelt hat, erscheint diese quasi parenthetische Bemerkung auffällig beiläufig und leidenschaftslos. Allerdings hat er, der den Hexenglauben keineswegs insgesamt in Frage stellte, sich auch kaum für die medizinischen Aspekte der teuflischen und durch Salben induzierten Traumvisionen der vermeintlichen Hexen interessiert. Dennoch erweckt diese Passage den Eindruck, dass er aus eigener Anschauung von Aussagen der Opfer berichtet, die ihren Zustand nach Abklingen der Trankwirkungen beschrieben hatten. Die Einschränkung auf „manche Orte“ und die geringe Neugier hinsichtlich der verwendeten Materie erscheint verwunderlich, so als notiere Spee hier gewissermaßen pflichtgemäß eine eher marginale Praxis. Eines jedenfalls bleibt deutlich festzuhalten: Auch Spee scheint einen desorientierenden Effekt des Trankes zu bestätigen.

Deutlicher noch wird diese Beobachtung ein dreiviertel Jahrhundert zuvor von einem weiteren Vertreter von den schmalen Rängen der Verfolgungsgegner beschrieben. In seinem 1577 erschienenen Traktat „De Lamiis“, in dem sich Johann Weyer (1515-1588) ausführlich mit Verfahrensfragen des Hexereiprozesses beschäftigt, beklagt der Agrippa-Schüler und Leibarzt des freisinnigen Herzogs Wilhelm IV. von Jülich, Cleve und Berg unter anderem die mangelnde Aufsicht der „unbarmhertzigen Richter“ über die „blutdürstige Henckertsbuben“, die es

dann nit allein bey der gemeinen Tortur und Folterung / dadurch den armen Leuten wehe genug geschicht / verbleiben lassen / sondern sie preparirn vnd richten auch noch solche Träncke zu / welche sie den armen beschuldigten Weibspersonen eyngiessen / welche Träncke / wie ichs davor halte / von solchen substantiis müssen zugerichtet seyn / die sie entweders voll / oder aber gar toll machen / vnd erzwingen also durch solche Träncke / solcher Ding Bekandtnuß / welche vnerhört / vnd auch in Wercken der Natur nicht mögen befunden werden.“[16]

Weyer hebt vor allem auf die juristisch zweifelhafte Qualität der auf diesem Wege erwirkten Geständnisse ab, wenn er fortfährt:

Wie kan aber nun das Bekandtnuß / so durch solche Träncke außgedrungen ist worden / vnd das Gemüth mit Gewalt verletziget / der Wahrheit gemäß / vnd so kräfftig seyn / daß man in den Criminal Sachen / drauff fussen / vnd ein gewisses Urtheil fellen vnd sprechen solte.[17]

Überraschen mag uns hier, dass der erfahrene Mediziner und praktische Arzt Weyer, der sich in seiner aufklärerischen Leidenschaft - und sehr zum Verdruss seiner Gegner - auch hier wieder weit auf juristisches und theologisches Terrain begibt, allem Anschein nach kein Interesse an den „voll oder gar toll“ machenden „substantiis“ zeigt, um sie beim Namen zu nennen und dadurch zu ächten. Dass er dergleichen pharmakologische Zubereitungen sehr wohl bis in die Rezeptur – inklusive Gewichtsangabe für unterschiedliche Wirkungen – kennt, darunter auch solche aus der Wurzel des „Solano furioso“, die mit Wein eingenommen wird, beweist er nicht nur in seinen späten medizinischen Werken, sondern auch schon im 3. Buch, X. Kap. seines Hexen-Traktates „De Prestigiis“. Als er dort neben aussagekräftigen Exempeln zur Beschreibung einer weiteren Trank-Variante ansetzt, hält er jedoch - gleichsam erschrocken - inne mit dem Hinweis: „welche ich lieber hab wollen verschweigen, dann jemand ursach zu geben die zu mißbrauchen“.[18] Verschweigt Weyer sein Wissen aus Vorsicht?

3. Was wissen die Akten?

Unter den Hexenforschern scheint Übereinstimmung zu herrschen, dass die Anzahl konkreter Befunde zur Verabreichung vergleichbarer Tränke auffallend gering ist. In der einschlägigen Literatur sind es vor allem zwei Verfahren, die als Belege für eine solche Praxis der Scharfrichter herangezogen werden und mitunter Anlass zu doch sehr weitreichenden Schlussfolgerungen geben.

Der Rottenburger Fall von 1530
In einer erstmals 1828 erschienen „Beschreibung des Oberamtes Rottenburg“ wird von einem frühen Hexenprozess in Rottenburg, in der katholischen Grafschaft Hohenberg, berichtet, an dessen Ende drei Frauen hingerichtet wurden. Am 2. Juli 1530 hatten sieben Bauern „aus Befehl der Obrigkeit“ aus dem benachbarten Schwalldorf  insgesamt fünf verdächtigte Personen nach Rottenburg gebracht, von denen zwei bis Ende August wieder freigelassen wurden. Gegen die in Haft verbliebenen Frauen Margarete Schmid, Agnes Schweitzer und Endlin Tusentteufelin begann das peinliche Verfahren gleich zwei Tage nach ihrer Ergreifung.

Vom 4. Juli ab hat der Rottenburger Nachrichter Wolf Balch von Ravensburg die drei gefangen gebliebenen Frauen wegen ihrer unholden Werke und ihrer Zauberei peinlich und strenge befragt. Zuvor hatte er ihnen die Haare am ganzen Körper abgeschoren, hänferne Hemden angezogen, Handschuhe und Stricke angelegt und sie 186 mal aufgezogen. Am 19. August wurden sie vor das Rottenburger Stadtgericht geführt, nachdem man ihnen dem Brauch gemäß eine Weinsuppe zum Morgenessen und acht Maas Wein dazu gegeben hatte. Da sie beim peinlichen Verhör nichts bekennen wollten, so wurde der Arzt Wolf Wischler von Balingen, der solche `verzweifelte Personen` mit besonders dazu bereiteten Tränken zum Geständnis zu bringen pflegte, geholt. Seine Kunst wirkte im gegebenen Fall derart, daß die Beklagten mehr als nötig bekannten, um zum Feuertod verurteilt zu werden. Da sie der herrschenden Sitte gemäß erst nachmittags gerichtet wurden, so gab man ihnen mittags genug zum Essen und Trinken, woran ihr Züchtiger und Hüter teilnahm. Der Henker führte die Unholde an der Hand zu Fuß auf die Richtstatt, während es sonst Sitte ist, sie mit Roß und Karren dahin zu führen.[19]

Ohne hier weiter auf die Quellenlage einzugehen – als Nachweis beschränkt sich der Autor auf Aufzeichnungen des Rottenburger Stadtschreibers Stefan Lindenfels – fällt auf, dass hier gewissermaßen eine Art „Regelbehandlung“ beschrieben wird, bei der den drei Beklagten neben einer Weinsuppe auch „acht Maas Wein gereicht wurden“, was einer Menge von knapp 13 Litern entspricht, ehe (oder nachdem?) man sie mit jenem Trank konfrontierte, der ein Geständnis bewirkt haben soll. Mit der Formulierung, dass der Arzt die Delinquenten mit solchen „besonders dazu bereiteten Tränken zum Geständnis zu bringen pflegte“, scheint der Autor anzudeuten, dass es sich hierbei um eine auch sonst geübte Praxis gehandelt haben könnte.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Weine der Zeit erheblich geringere Alkoholkonzentrationen aufwiesen (ca. 5-6% gegenüber heute durchschnittlich 10-13%), muss man davon ausgehen, dass die Delinquenten nach der vorausgehenden Tortur durch diese Weinmenge in der Tat in einen außergewöhnlichen Zustand versetzt worden waren. Dass der ominöse Trank, über dessen Verabreichungszeitpunkt der Text wenig Eindeutiges mitteilt, von einem „Arzt“ zubereitet wurde, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass es sich dabei tatsächlich um eine schulmedizinische ausgebildete Person gehandelt haben muss.

Der Esslinger Fall von 1562
In der „Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte“ veröffentlichte Karl Pfaff im Jahre 1856 über mehrere Folgebeiträge hinweg eine Darstellung der Esslinger Hexenprozesse. Im ersten Beitrag behandelt er die erste Verfolgungswelle der Jahre 1562/63, die nach Unwettern und durch die anfeuernden Predigten eines calvinistischen Oberpfarrers sehr zum Unwillen des Rates ausgelöst worden war. Die ersten drei inhaftierten Frauen wurden recht bald gegen Urfehde wieder auf freien Fuß gesetzt, weil sie auch unter Tortur kein Geständnis abgelegt hatten.
[20] Eine der Frauen, Berchta Bul (Pfaff schreib sie Bertha), die heilkundige Ehefrau eines Schreiners, „die sich vergeblich um die Gesundheit eines Kindes bemüht“ hatte,[21] war 12 Jahre zuvor schon einmal unter Verdacht geraten, nach einer Verhandlung aber als unschuldig erkannt, wieder frei gekommen. Erneut unter Verdacht geriet sie im Sommer 1562 anlässlich eines Hochzeitsfestes, an dem sie gar nicht teilgenommen hatte.

Bei einem Hochzeitsmahle auf dem Krämerzunfthaus nämlich wollten mehrer Gäste eine Frau erblickt haben, die auf dem Dach wandelte und durchs Fenster hereinschaute; als man ihr nachforschte, verschwand sie plötzlich, dagegen sprang eine Katze zum Fenster herein und zum anderen wieder hinaus. Zufällig war sie schwarz und konnte daher, nach einem schon sehr alten Aberglauben, niemand anders sein als eine Hexe oder gar der Teufel selbst. (...) Der Verdacht gegen sie vermehrte noch der Umstand, daß ein bei der Hochzeit anwesender Wundarzt von Tübingen, Georg Funk, ihren Sohn aufforderte, seine Mutter zu ihm zu bringen, er wolle dann einen Becher mit einem Kraute beschmieren, welches die Hexen nicht leiden könnten, und ihr aus demselben zutrinken, thue sie ihm dann Bescheid, so sei sie eine fromme Frau, und daß die Bul nicht gekommen war.“[22]

Das heißt also: Der „Wundarzt“ wollte der Verdächtigten mit einem präparierten Becher zuprosten und erst wenn sie diese geläufige Geste, ebenfalls trinkend, beantwortete, sollte dies der Beweis sein, dass sie keine Hexe ist. Berchta Bul war dieser „Einladung“ jedoch nicht gefolgt.

Weil man nun über die Saumseligkeit der Obrigkeit in Bestrafung so gefährlicher Personen zu murren begann“ beschloss der Rat nach einigem Zögern, damit dieses Murren “nicht weiter einreiße, weil sonst manchen Biedermanns Weib Unrecht geschehen könnte“, ein Verfahren gegen die Frauen zu eröffnen. Berchta Bul wird jetzt neben den alten Vorwürfen aus dem längst abgeschlossenen Verfahren auch damit konfrontiert, „sie habe bei der schon erwähnten Hochzeit zum Fenster herein geschaut und sei der Aufforderung des Tübinger Wundarztes nicht gefolgt.“[23]

Am 13 August wird sie zum ersten Mal verhört und streitet alle Vorwürfe ab. „Ihr Hauswirth könne bezeugen, daß sie während der Zeit des Hochzeitsessens gar nicht aus dem Hause gekommen sei, Gatte und Sohn (bestätigten) aber, daß sie von der Aeußerung des Tübinger Wundarztes Nichts erfahren habe, sonst würde sie ihn gewiß darüber zur Rede gestellt haben.“ Nachdem sie eine dreimalige Folter (Aufziehen vom 1. bis zum 3. Grad.) überstanden hatte, „fiel sie in Ohnmacht, erholte sich aber wieder und antwortete auf die Drohung mit neuer Folter, wenn man sie auch alle Stunden so quälte, würde man doch Nichts Unrechtes an ihr finden.“[24]

Darauf hin beschließt der Rat am 15. August nach Verlesung der Verhörprotokolle das peinliche Verhör fortzusetzen. „Weil der Tübinger Wundarzt gerade wieder in der Stadt anwesend war, forderte man ihn auf, bei den Weibern 'seine Probe anzuwenden', wenn dieß aber wirklich geschah,“ so Pfaff weiter, „so muß diese schlecht ausgefallen sein, denn es ist davon später nirgends die Rede mehr.[25]

Berchta Buls Standhaftigkeit unter der Folter, wie auch die ihrer beiden Mitgefangenen, ist kein Sonderfall. „Die Hälfte der Gefolterten legte auch unter der Folter kein Geständnis ab, wobei Frauen tortourresistenter waren als Männer“, wie Jerouscheck zu den Esslinger Verfahren anmerkt.[26] Schließlich war der Rat schon entschlossen, die Inquisitin wegen der Bitten von Verwandten, Freunden und Nachbarn freizulassen, als am 14. August ein Schreiben mit neuen Indizien eintrifft, das für neue Verzögerungen sorgt. Im benachbarten Wiesenstein hatten andere Beklagte ausgesagt, drei Hexen aus Esslingen auf dem Tanzplatz gesehen zu haben. Am 25. August damit konfrontiert, leugnet Berchta Bul jegliche Bekanntschaft mit den „Wiesensteiner Hexen“ und beteuert erneut ihre Unschuld. Nach dem zweiten am Nachmittag durchgeführten Folterdurchgang wird sie ohnmächtig. „weswegen man sie bei dem Verhöre am Abend 'nur wenig aufzog', wobei sie dennoch 'jämmerlich zu Gott schrie'“.[27] Weil man jetzt aber mit der Suche nach der dritten von den Wiesensteinern besagten Hexe beschäftigt ist, erfolgt das nächste Verhör erst am 9. September. Auch nach erneuter viermaliger Folter leugnet Bertha Bul und „sagte dem Nachrichter, er lüge wie ein Schelm, wenn er behaupte, sie habe jemals mit dem bösen Geist zu schaffen gehabt.“[28]

Nachdem die drei Frauen am 18. September von den beiden Geistlichen Thomas Raogeotgus und Martin Severus vergeblich ermahnt worden waren, sich zu bekennen, beschließt der Rat, den Nachrichter von Ehingen, dem der Ruf vorauseilte, in seinem Handwerk besonders erfolgreich zu sein, anzufordern. „Als dieser, durch seine Geschicklichkeit, die Hexen zum Geständnis zu bringen, berühmte Mann kam, freuten sich die Weiber seiner Ankunft, 'weil ihrer Sache nun doch einmal einer Endschaft kommen würde'. (...) Aber auch die gerühmte Geschicklichkeit des Ehinger Nachrichters wurde zu Schanden, obgleich er 'mit den Weibern in aller Strenge handelte und auch andere Mittel anwandte', so daß er zuletzt erklären mußte, 'wisse weitere Handlung nicht vorzunehmen'“.[29] Damit waren auch die Torturen vom 14. Dezember erfolglos geblieben. Am 16. Dezember werden die drei Frauen schließlich gegen Urfehde (= Verzicht auf Rache) freigelassen.

Für unsere Fragestellung bleibt festzuhalten:

- Im dargestellten Fall handelte es sich keineswegs um einen verabreichten Trank, geschweige um einen „Wahrheitstrank“, sondern eher um eine Art von Gegenmagie des „Tübinger Wundarztes“. Die Bedingung lautete, er selbst werde mit dem präparierten Becher der Verdächtigten zuprosten und erst ihre Reaktion würde sie „entlarven“.

- Pfaffs Schilderung lässt kaum einen Zweifel daran, dass ein solcher Versuch gar nicht erst durchgeführt worden war.

- Dass angesichts der ebenfalls standhaften Mitgefangenen und des generell hohen Anteils von „torturresistenten“ Delinquenten niemals mehr von einem vergleichbaren Versuch berichtet wird, deutet darauf hin, dass es sich hier um eine Ausnahme gehandelt haben dürfte, die beim Rat der Stadt keinen bleibenden Eindruck hinterließ und bei späteren Verfahren auch nicht mehr erwogen wurde.

Die Skepsis gegenüber der Methode des Tübinger Wundarztes findet ihren Ausdruck auch darin, dass der Ehemann der Beklagten, Anton Bul, am 29. September ein Schreiben an den Rat richtete, in dem er nicht nur „die Unschuld seiner Gattin aufs Höchste betheuerte, (und) bezeugte, sein Sohn habe aus Jugend und Unerfahrenheit die Reden des Tübinger Wundarztes weder ihm noch seiner Mutter mitgetheilt“, sondern auch „den Rath um 'Fürschriften bat', damit er den Arzt bei seiner Obrigkeit verklagen könne“.[30]  Anton Bul rechnete sich also noch vor Freilassung seiner Ehefrau Chancen aus, erfolgreich gegen den „Tübinger Wundarzt“ gerichtlich vorgehen zu können.

4. „Psychochemische Folter“ im Hexenprozess?

Die bisherigen Befunde weisen in verschiedene Richtungen und sind zumindest von unterschiedlicher Qualität. Die Verabreichung des Trankes im Rottenburger Verfahren lässt ihn als Teil eines festgelegten Rituals erscheinen, bei dem der Wein eine augenfällige Rolle spielt, während in Esslingen ein „Trank“ erst gar nicht verabreicht wurde. Was also ergeben diese Befunde?

1. Der Jesuit und Jurist Delrio spricht von einem „poculum quoddam medicarum“, was Nagel mit „einem gewissen heilsamen Trank“ übersetzt. Mit seiner Wortwahl scheint Delrio eine pharmakologische Weinbereitung nicht auszuschließen zumal der Text betont, dass der Peiniger dem Gefolterten mit „purem Wein“ zutrank.
2. Der Arzt und Verfolgungsgegner Weyer spricht von „Träncken (...) von solchen substantiis (...) die sie entweders voll / oder aber gar toll machen“, ohne sich näher mit der verwendeten Materie zu befassen.
3. Der Jesuit und Augenzeuge zahlreicher Verhöre, Friedrich Spee, spricht von einem Getränk, durch das die Angeklagten „so verwirrt gewesen, daß sie sich von einem Schwarm Geister umringt oder besessen gewähnt hätten“.
4. Im Rottenburger Verfahren wurde den drei Beklagten ein besonders „dazu bereiteter Trank“ verabreicht, nachdem (oder bevor?) sie neben einer Weinsuppe auch eine beachtliche Menge Wein zu sich genommen hatten, worauf sie „mehr als nötig bekannten“.
5. Im Esslinger Verfahren wird nicht von einem Trank, sondern von einer Art Gegenzauber berichtet, bei dem zudem fraglich ist, ob die Probe aufs Exempel überhaupt stattgefunden hat. Das Opfer wurde jedenfalls ohne Schuldbekenntnis auf freien Fuß gesetzt.

In seinem Buch „Witchcraft, Lycanthropy, Drugs and Disease (1997) widmet der amerikanische Anthropologe Homayun Sidky (Oxford, Ohio) - neben einem Exorzismus-Beispiel aus England - diesen fünf Befunden ein eigenes kleines Kapitel unter dem Titel „Psychochemische Folter“.[31]  Nach der Erwähnung des Rottenburger Falls, verweist er auf den Esslinger Befund mit dem Hinweis, „a similar concoction was employed for the same purpose in the german town of Esslingen“,[32] um schließlich zu einer in der Sache sehr weit gehenden Folgerung zu kommen: „Hallucinogenic or psyhotomimetic drugs appear to have been part of this arsenal of weapons at the dispoal of the interrogators.“[33] Den von Delrio erwähnten Trank bezeichnet er als „an intoxicating draght“, was vom lateinischen Text kaum gedeckt sein dürfte, womöglich aber auf die englische Übersetzung seiner Delrio-Quelle (Charles Mackay)[34] zurückzuführen ist.

Eine Erklärung für diese überraschend weitereichende Schlussfolgerung, die an das Grundmuster der oben schon beschriebenen Legendenbildung erinnert, mag u.a. darin zu sehen sein, dass Sidky die Originalquellen nicht vor Augen hatte und sich durchweg auf Sekundärliteratur beruft. Erik Midelfort, den er als Beleg zu den beiden Verfahren in Rottenburg und Esslingen heranzieht, kannte hingegen seine Quellen und folgert entschieden zurückhaltender: „Unfortunately there is no record of what this drink might have contained,“ und mit Verweis auf den Esslinger Fall, „but we do know that samething like it was used in other trials“[35]

Ein weiteres Beispiel für einen solchen Trank dokumentiert Erika Münster im Zusammenhang mit einem Verfahren vom Jahre 1499 im bergischen Amt Angermund, einem heute zu Düsseldorf gehörigen Ort. Drei Frauen wurden „beschuldigt, einem Bauern namens Slyngerstock ein Pferd bezaubert zu haben. Es wurde eine juristische Prozedur in Gang gesetzt, die sich über ein dreiviertel Jahr hinzog. Die mehrfache Folter der angeklagten Frauen erbrachte jedoch kein Geständnis. Neben den beteiligten Amtsträgern des Landesherrn, den Schöffen der zuständigen Gerichte (...) sowie Adligen aus der Umgebung wurde für die Urteilsfindung auch ein Wahrsager, ein `weißer Magier`, namens `Meister Conrat` hinzugezogen. Dieser flößte den Frauen einen Trank ein. In einer Schöffenurkunde heißt es:

'So hait de obgenante meister Conrat synre künste, eme van Gode verlynt is, an den seuen frauwen gebruicht mit eyme drancke so wanner sy den gedruncken haven, so wes sye dan bosheit ind thoverien (= Zaubereien) gedain ind begangen haven, moissen sie bekennen werden'. Schließlich befand er beide für unschuldig; nichts anderes, als daß sie ehrbare Frauen seien, die das Zaubern weder `gewußt, getan noch gekonnt hätten`, war das Ergebnis seiner Untersuchung. Sie kamen offensichtlich frei, obwohl die Folter sicherlich ihre Spuren hinterlassen hatte.[36]

Das Gericht sah sich mit diesem frühen Zauberei-Vorwurf augenscheinlich überfordert und holte - wie der Esslinger Rat – aus umliegenden Ämtern Informationen ein. Im benachbarten Rheinberg (etwa 30 km entfernt, auf der anderen Seite des Rheins gelegen) war ein Jahr zuvor bereits eine Frau wegen Zauberei (schon mit dem kumulativen Hexereivorwurf) verbrannt worden. Durch die Auskünfte bei dem dortigen Amtmann hatte man von einem Meister Conrad erfahren, der offensichtlich für seine Künste in der Gegend bekannt war. Schöffengericht und Amtmann luden ihn ein, auch in diesem Fall aktiv zu werden. Man ging also zum einen den "Rechtsweg" und zugleich bediente man sich tradierter "magischer Methoden". Dies zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt die gelehrte Juristerei, in deren Kontext das kumulative Hexendelikt einzuordnen ist, auf der Ebene der mit Laien besetzten Schöffengerichte noch nicht unangefochten war. Die Versicherung, dass die zwei Frauen aufgrund des Trankes für unschuldig befunden worden waren, wurde eigens in einer Schöffenurkunde niedergelegt. Die Amtsrechnung über die Leistungen des „Meister Conrad“ lässt allerdings keine Rückschlüsse auf den „in der Küche der Kellnerei zubereiteten Trank“ und die verwendete Materie zu.[37]

5. ... wie der Teufel das Weihwasser

Kehren wir noch einmal zu den Esslinger Verfahren zurück. Wie bei den ersten Prozessen wendet sich der Rat auch während der zweiten Verfolgungswelle zum Ende des 16. Jahrhunderts an auswärtige Hexenkapazitäten. Im Fall der Walpurga Hoppenhaas, die trotz Folter kein Geständnis ablegte und später gegen Urfehde frei kam, fordert der Rat 1594 bei dem Nördlinger Juristen Sebastian Röttinger, der sich bei den dort recht scharf geführten Verfahren einen Namen gemacht hatte, ein Gutachten an, das einige Rückschlüsse auf Nördlinger Gepflogenheiten zulässt. Nach Röttingers Darstellung bevorzugt man dort die klassische Strategie der Desorientierung und Destabilisierung des Angeklagten, eine Methode, der schon der "Hexenhammer" gegenüber der Folter den Vorzug gegeben hatte.

Durch subtile und geschwinde general- und spezial fragestuck (wird) vilmale mehr erforscht dann durch die tortur: dann wann solche persohnen geschwind auffeinander mit allerley fragstukhen angezepfft und sich in etwas (wie nit ohn sein kan) verschnappen und verreden, so kombt alsdann ymmer ains auff und auß dem andern“.[38] Röttingers Ratschläge lassen keinen Zweifel daran, dass die Juristen im Falle des Misserfolges dieser Methode bereits einzelne Elemente der bisher praktizierten „Regelbehandlung“ -  eine Art ritualisierte Folge von gegenmagischen Vorkehrungen, zu denen auch die Verabreichung eines Trankes gehörte - bis zu einem gewissen Grad schon zurückgedrängt hatten:

Extraordinari mittl mit haarabschneiden, verenderung der klaider sein allhie nit gebraucht und obwohl nachrichter gewiße tränkh brauchen wollen, ist dasselbige nit gar abgeschlagen und doch anderst nit, dann mit gewißer maß zugelaßen worden.“[39]

Hier spiegeln sich noch deutlich die Anweisungen des "Hexenhammers". Sein Autor Kramer, der selbst tief im magischen Denken verhaftet war und immer wieder darum ringt, auch kirchenrechtlich Anstößigem den Anschein von Legalität zu verleihen, empfiehlt im III. Buch, 15. Frage zur Behandlung von geständnisunwilligen Beklagten:

Wo sie weder durch Änderung der Bekleidung noch durch Abrasieren der Haare zum Geständnis der Wahrheit auf der Folter gebracht werden können“, haben wir „mit Gottes Gnaden von den meisten den Schweigezauber entfernt, in dem wir ihnen nach Abrasieren der Kopfhaare einen Tropfen geweihtes Wachs in einem Kelch oder Becher Weihwasser mischen und drei Tage lang unter Anrufung der heiligsten Dreifaltigkeit bei nüchternem Magen im Trank reichen.“[40]

Kramer schöpft hier aus dem Arsenal früher Dämonologen wie Cäsarius von Heisterbach, der schon im 13. Jahrhundert Weihwasser, geweihtes Wachs und Weihrauch als wirksame Schutzmittel gegen dämonische Mächte beschrieben hatte. Zu Kramers Zeiten hatte sich dieses Arsenal freilich erweitert. Im Rahmen dieser Vorkehrungen sollten nach seiner Auffassung auch „geweihtes Salz und andere geweihten Dinge (...) samt den sieben Worten, die Christus am Kreuz aussprach, auf einen Zettel geschrieben und ihm (dem Delinquenten) um den Hals gebunden werden. Das Längenmaß Christi werde ihm aus geweihtem Wachs auf den bloßen Leib gegürtet. (...). Die Erfahrung hat gelehrt, daß sie dadurch auf wunderbare Weise bedrängt werden und schwerlich an sich halten. Besonders aber (gilt dies) von den Reliquien der Heiligen. Wenn dies so eingerichtet und Weihwasser im Trank gereicht worden ist, werden wiederum (Vorbereitungen) zu den (peinlichen) Fragen getroffen, unter fortwährender Ermahnung wie vorher.“[41]

Es ist kaum verwunderlich, dass solche Vorschläge vor allem in der Frühphase der Prozesse von Richtern und Schöffen, die nicht selten wegen möglicher zauberischer Angriffe auf die eigene Person besorgt waren, bereitwillig aufgegriffen wurden. Einerseits sollten die genannten Vorkehrungen dazu dienen, Richter und Verhörpersonal vor möglichem Schadenzauber zu schützen. Zum anderen sollten sie den vermeintlichen Hexen zauberische Aktivitäten zum eigenen Schutz unmöglich machen. Mit dem Ablegen der Kleider und dem Scheren der Haare verfolgte man den Zweck, das Verbergen zauberischer Mittel in Gewand und am Körper zu unterbinden.

Dieses Schema, zu dem auch der Weihwassertrank gehörte, finden wir noch ungebrochen in der Schilderung des Scharfrichters Diepolt Hartmann von Miltenberg. Bei einer Anhörung im Februar 1494 gibt er Details zu den Trierer Hexenprozessen von 1492-94 zu Protokoll, an denen er beteiligt war und die noch ganz unter dem Eindruck und den Vorgaben des "Hexenhammers" durchgeführt worden waren und mehr als 30 Opfer gefordert hatten. Getreu den Kramer'schen Anweisungen werden dem Weihwasser und den damit zubereiteten Speisen förderliche Wirkung auf die Geständnisbereitschaft zugeschrieben:

Wan man eyn Zeyberin angriffen, so sollen die (....) alsbalde von der erden uff eynen Karen heben, und sunst, das sie die erden oder steyn nit ruren, ire augen zubinden und den münt verstoppen und also zu gefengnuß bringen und danach die augen uffthun und den klotz uß dem munde;
unde alsbalde sie in das gefengnuß komet, alle hare abscheren, es sy an der scheym, an oren und an braen, und sol man ir alle sleyer znd bende lacht huben abe thun. domit sie sich nit hencke. Item alle negel an den fußen und henden absnyden bis an das fleisch.
Item eyn nuwe hemmet ir andhün, das sol gedeuffet werden uff den sonntag in einer fronfasten im wychwasser und gewicht saltz.
Item sal eyner alleyn im uffziehen sie verhoren und kein ander mittel ir anthun, dan slecht uffziehen und sie mit vertrostung miltiglich fragen.
Item keyn wasser zu drinken geben, es sy dann gemischet mit wychwasser und wychsalz, und wanne sie ein rechte zeyberryn ist, so esset sie es nit, ist sie anders eyn meysterin.
Item die spijß ire auch mit wychwasser und wychsaltz kochen. (....) sie bekennen aber balde
."
[42]

Vor dem Einsatz von Weihwasser und geweihtem Salz als Mittel zur Förderung der Geständnisbereitschaft, werden eine Reihe von magischen Schutzmaßnahmen beschrieben. Mit ihnen ist die Vorstellung verbunden, dass die vermeintliche Hexe ohne Boden- und Blickkontakt ihrer zauberischen Kräfte beraubt war, während das Haarescheren, Nägelschneiden und der Kleiderwechsel dem Verbergen zauberischer Hilfsmittel vorbeugen sollte. Um Suizidversuche zu verhindern, wurden den Beklagten Bänder, Gürtel und Schleier abgenommen.

6. Die Gegenmagie im Zwielicht

Im Zuge der zunehmenden Ausformulierung des gelehrten Hexenstereotyps und der Professionalisierung der Verfahren im Laufe des 16. Jahrhunderts, bei denen gemäß den Vorgaben der „Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V.“ von 1532  (Art. 219) Hofräte und Berufsjuristen gegenüber den einfachen Laienrichtern und Schöffen immer mehr an Einfluss gewinnen, gerät dieser vom "Hexenhammer" vorgegebene Kanon gegenmagischer Akte mehr und mehr in Bedrängnis. Zugleich setzt als Folge der Reformation ab Mitte des Jahrhunderts ein Prozess der Delegalisierung ein, bei dem traditionelle religiös-magische Praktiken einer Neubewertung unterzogen wurden. Die Anhänger der neuen Kirche, die häufig allein durch den Rechtsakt ihrer Landesherren zum neuen Glauben konvertiert worden waren, musste das in einige Unsicherheiten und Verwirrungen stürzen. Denn durch Predigt und Lehre gerieten jetzt vertraute und alltagsmagisch besetzte Mittel wie Weihwasser, Reliquien und geweihtes Salz, die bisher zum allgemein üblichen Repertoire alltagsmagischen Handelns gehört hatten, in Misskredit. Die reformatorische Lehre verwarf ihre Verwendung als Götzendienst und Aberglaube. Was seit Generationen im alltäglichen Leben als schutzmagisches Mittel gedient hatte, kam jetzt abhanden.[43]

Es liegt auf der Hand, dass in reformierten Herrschaftsgebieten auch weiterhin beide Vorstellungen nebeneinander existierten. Keineswegs hatten alle an einem Hexereiverfahren beteiligten Gerichtspersonen den Vorstellungen von den magisch apotropäischen Kräften dieses speziellen Wassers schon abgesagt. Über all dort jedoch, wo auf Initiative der Laiengerichte selbst – wie etwa in Esslingen - oder durch landesherrliche Verfahrensvorschriften der Einfluss professioneller Juristen (und reformierter Geistlicher) wuchs, wurde der Einsatz solcher Mittel bei Gericht zunehmend schwieriger.[44] Anders war es in katholischen Herrschaftsgebieten, wo dieses Trank-Ritual auch weiterhin praktiziert wurde. Im April des Jahres 1590 bittet beispielsweise der Stadt- und Landrichter von Freising beim Landgericht Schongau dringend um Übersendung des in der Region berühmt gewordenen Scharfrichters Johann Georg Abriel, damit dieser den der Hexerei verdächtigten Personen „Drunkh und Prot eingeben“ und auch die üblichen Hexenproben vornehmen könne.[45]

Auch in Eichstätt galt um diese Zeit noch immer die alte „Regelbehandlung“, wie ein Scharfrichtergehilfe 1590 in Nürnberg berichtet: „Dann wan ein trudt in die gefengknus kombt, so mus sie sich nackendt ausziehen, alsdann sein maister ihr des geweihten salz in den mundt, soviel als er zwischen zwaien fingern halten kann un ein trunck geweihten wassers und ein trunck taufwasser. (...) Das salz und wasser aber solle darzu helfen, das sie in den verhör desto eher bekhennen solle, aber doch mus manche auch sehr gemertert werden, bis man etwas aus ihr bringe.“[46]

Das entsprach im Übrigen auch der bayrischen „Hexenprozessinstruktion“ von 1590, in der es heißt, für die inhaftierten Verdächtigen „sollen vorhanden sein geistliche remedia abzutreiben die Schmach und macht des Teufels, als geweihtes Wasser, Agnus dei, Crucifix und Heilige Bilder“.[47] Hier wird die wirkliche Intention des Weihwasser-Trankes noch einmal deutlich: ein Mittel zur Ausschaltung des Dämons, der nach dem dämonologischen Konzept in der Lage war, den Beklagten am „Bekenntnis der Wahrheit“ zu hindern. Im Begriff „Antidotes“, wie die in Kurmainzischen Amtsschreiben gebräuchliche Sammelbezeichnung lautet[48], wird die Doppeldeutigkeit sichtbar, in der sich das Missverständnis einer medizinisch-pharmakologischen Zubereitung förmlich anbietet.

Die konfessionelle Weihwasser-Kontroverse findet ihren Niederschlag in den gelehrten Schriften des protestantischen Lagers,[49] beispielsweise auch in Jakob von Liechtenbergs „Hexen Büchlin“ aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, das der schreibfreudige Colmarer Stadtarzt Johann Jakob Wecker (1528-1586) aus Sorge vor der wachsenden Hexenseuche – wie er meinte -  „zu nutz allen Vögt / Schultheissen / Amptleuten / Regenten des Weltlichen Schwerddts“ im Jahre 1575 in Druck hatte gehen lassen. Der elsässische Protestant und bekennende Antipapist Liechtenberg bringt seine Abneigung gegen diese, in seinen Augen abergläubischen Praktiken, deutlich zum Ausdruck:

 „Vil andere seind / die zaubery mit segen / wiehwasser / saltz / kraut / worten / deutten / glockenleuten vnnd anderen Ceremonien vertreiben wölln / geben den sonderliche krafft zu / das die den andern obligen mögen / auch mit natürlichen krefften / kreuter / steinen / als nußärlein / far(n) / ysenkraut / Holderrauten, buggeln / Corallen (.....) vnd vil mehr experimenten / die umb der thorheit willen nicht zu schreiben seind.“[50]

Im gelehrten katholischen Lager bleibt diese Entwicklung nicht folgenlos, zumal die Amtskirche selbst bemüht ist - etwa durch die Kölner Synode von 1536 -, volksgläubige Praktiken mit Weihwasser, Salz, Wachs und Kräutern zu unterbinden, sofern sie sich abseits geistlicher Kontrolle abspielten.[51] Als sich der Jurist und Theologe Martin Delrio das von Kramer 1486 im "Hexenhammer" empfohlene gegenmagische Ritual gut ein Jahrhundert später erneut vornimmt, zeigen sich bei aller unnachgiebigen Verfolgungsbereitschaft auch die Spuren dieser juristischen - und eben längst auch theologischen – Debatte.

Von denen die geweihtes Wasser hineingießen, sei es vor der peinlichen Frage oder während der peinlichen Frage, fürchte ich, daß sie abergläubisch sind, wenn sie meinen, daß sie (die Beklagten) so direkt dazu getrieben werden, die Wahrheit zu äußern.“ Delrio ist am theologischen Subtext gelegen, an der Präzisierung der katholischen Doktrin, nach der sich die Wirkung dieses Trankes nicht unmittelbar auf Körper und Psyche des Inquisiten richtet, sondern als geistliches Mittel zuerst auf die Entmachtung des womöglich anwesenden Dämons zielt. Und so fährt er fort:

Wofern aber indirekt, weil sie glauben, es handle sich um Besessene oder der Dämon stehe nahe dabei, und deshalb diese entsündigende Welle zu trinken geben oder draufsprengen, würde ich nicht wagen, (das) zu verurteilen. Ich würde es eher gutheißen. Denn für Katholiken steht fest, daß dieses Taufwasser wirkt, indem der Dämon es fliehen muß.“[52]

Kramers Hinweis, dass der Delinquent nach Verabreichung des Weihwassers „drei Tage lang unter Anrufung der heiligsten Dreifaltigkeit bei nüchternem Magen“ bleiben müsse, um den gewünschte Effekt zu erreichen, kommentiert Delrio nicht ohne ironischen Unterton: „Das übrige kann man übergehen, um sich davor zu hüten, daß jener dreifachen Zahl oder dem nüchternen Magen Bedeutung zugemessen wird, denn jedes von beiden trägt nicht zur Wirkung bei.“[53] Weihwasser - so könnte man seine Position paraphrasieren - wirkt eben unmittelbar auf den Dämon und nicht direkt oder – in einem magischen oder nur medizinischen Missverständnis – erst nach einer gewissen Anwendungszeit auf den Inquisiten. (Beim Korrekturversuch dieses nicht zuletzt vom "Hexenhammer" eingeflössten Missverständnisses unterliegt Delrio - zumindest nach dem Stand heutiger medizinischer Kenntnis – freilich seinerseits einem gewissen Irrtum. Wie von Aldous Huxley bei seinen Selbstversuchen beschrieben, kann nachhaltiger Nahrungsentzug und Mangel am absolut notwendigen Glukosebedarf sehr wohl zu halluzinativen Zuständen und Anfällen mentaler Desorientierung führen.[54] )

Auf dem Hintergrund der juristisch-theologischen Kontroverse bietet der Trank „zum Zwecke der Wahrheitsfindung“ also auch hier ein oszillierendes Bild. Der rituelle Weihwasser-Trank stellt gewissermaßen das paradigmatische Grundmuster dar, das im Laufe der Zeit in reformatorischen Gebieten die eine oder andere „Abwandlungen“ erfährt. Vielleicht sind die Verfahrensakten auch deshalb so zögerlich, diese Praxis zu erwähnen, weil sie selbst unter den Angehörigen desselben Gerichtes vermutlich kontrovers bewertet wurde. Aus diesem Blickwinkel mutet es fast wie ein Entgegenkommen für experimentierfreudige Gerichte und Peiniger an, die in diesem Dilemma auf der Suche nach Auswegen und „wirkungsvollen“ Alternativen sind, wenn Delrio – im Übrigen gleich nach der eingangs erwähnten Episode vom Westfälischen Werwolf und dessen „trankinduziertem“ Geständnis, bei dem offensichtlich eher Wein als Weihwasser im Spiele war – gewissermaßen eine säkulare Variante zur Diskussion stellt. Tatsächlich verbirgt sich in dem etwas verwundenen Gedankengang jedoch seine Ablehnung gegenüber neuartigen und ungewöhnlichen Torturmethoden:

Es gibt welche, die ungeweihtes kaltes Wasser in den Mund hineingießen möchten. Das ist, wenn es bei der peinlichen Frage selbst geschieht, weil es Pein und einen gefährlichen Krampf herbeiführt, für einen Teil der Tortur zu halten. Wenn nach der peinlichen Frage, so lange der Körper noch nicht zur Ruhe kommen konnte, schätze ich es genau so ein. Wenn lange danach, was außer infolge des Pakts oder auf dem Wege eines Malefiziums wirken kann, bin ich nicht dieser Meinung.“[55]

Im Sinne unserer Fragestellung einer möglichen „Drogierung“ scheidet der „Weihwasser-Trank“ also aus. Das bedeutet jedoch nicht, dass er in der konkreten Situation ohne „Wirkung“ auf das gequälte Opfer bleiben musste. Nach theologischem Verständnis galt er als „geistliches“ Mittel zur Schwächung des Dämons oder im Zweifelsfall auch als Indikator für dessen Anwesenheit, wie das in den Akten eines Verfahrens gegen eine Frau im Kurmainzischen Dieburg vom Jahre 1627 belegt ist:

Und ob der Meister (die Angeklagte) auf ein Holz schraubte, auch mit aufgesperrtem Mund in einen Schlaf geraten. Und als man ihr Weihwasser in den Mund geschüttet, hat sie dasselbe wieder ausgespieen und abscheuliche Geberden im Gesicht von sich gegeben“.[56] Nach dem Verständnis der Anwesenden war dies ein Hinweis auf einen gegenwärtigen und noch stark wirksamen Dämon. Aus heutiger Sicht würde man darin wohl eher den verzweifelten Akt der Gegenwehr erkennen, sich dem aufgezwungenen fremden Willen noch immer zu verweigern.

Unter den lutherischen Juristen, die auch weiterhin zu den Befürwortern des Weihwasser-Trankes gehören, vor allem unter den Anhängern der Carpzov'schen strengen Observanz, ist auch noch zum Ende des 17. Jahrhunderts die Überzeugung verbreitet, dass mit diesem Trank-Ritual ein bis dahin geständnisunwilliger Angeklagter zum Geständnis zu bringen sei. So berichtet der aus Norddeutschland stammende und später zum Katholizismus konvertierte Rechtsgelehrte Nikolaus von Beckmann (1634-1688) in seinem Traktat „ Idea Juris“[57] von jener „halsstarrigen Angeklagten“, der er ohne Beweise und nur auf Verdacht hin die Teilnahme an einer „teuflischen Gesellschaft“ vorgeworfen hatte:

Wie wir dann auf so thane verdächtigte Rede das geweihte Wasser zu trinken geben, da hat sie angefangen mit den Händen, Füßen und mit dem ganzen Leibe grausam zu zittern, ist ganz bleich im Gesicht geworden und hat den Kopf mit beiden Händen gehalten, laut rufend: Ach wie ist mir ect. Wie nun das heil. Wasser so große und wunderbare Kraft und Wirkung wider den Teuffel verrichtet hat, so hat die arme Person hierauf selber in Etwas von uns bekannt, es wäre ihr schon viel leichter; sie glaube, der Teufel habe ihr das Maul verstopft gehabt.“[58]

Es sind also auch die Juristen, die im Kielwasser des frommen lutherischen Juristen Benedikt Carpzov (1595-1666) segeln, der mit seiner strengen Hexereivorstellung die Rechtsprechung weit über Sachsen hinaus nachhaltig beeinflusst hat.[59] Auch sie sind daran beteiligt, dem theologischen Konzept gewissermaßen den Boden zu entziehen und der volkstümlichen Vorstellung vom magisch wirkenden „Wahrheits-Trank“ Vorschub zu leisten. Es gibt jedoch auch die juristischen Widersacher wie den Hildesheimer Juristen Justus Oldekop (1597-1667), [60] oder den Thomasius-Schüler, „brandenburgischen Rat“ und Ordinarius der Juristenfakultät in Frankfurt an der Oder Johann B. Brunnemann (1606-1672). Nach dem Studium von Theologie und Philosophie hatte er sich den Rechtswissenschaften zugewandt und greift anfangs Carpzovs Position noch unter Pseudonym an.[61] Doch dann tritt er 1647 in seinem „Tractatus juridicus de inquisitionis processu“ (Frankfurt), der u.a. die Grundlage für die Brandenburgische Kriminalordnung von 1717 bildet, auch offen gegen dieses magische „Missverständnis“ auf:

Der Richter muss also auf alle Hilfsmittel zur Erforschung der Wahrheit verzichten, die auch nur den geringsten Anschein von Aberglaube und Magie erwecken“. Und er beruft sich sodann auf Oldekops „Observationes“, der diese Praxis widerwillig bestätigt hatte, „wo sie sogar Tränke, die von Henkern zubereitet sind, erwähnen, die den Henkern verboten werden mussten.“[62]

7. Vom Abschiedsritual und dem geweihtem Wein

Neben dem vielerorts obsolet gewordenen Weihwasser findet sich in den gelehrten Schriften der Zeit auch die Spur einer weiteren Trank-Variante, deren Praxis über eine andere – auf den ersten Blick weniger belastete - Traditionslinie mit Rechtspflege und Gerichtsbarkeit verknüpft ist: der rituelle Abschiedstrunk, die so genannte „Johannisminne“. Der christliche Brauch ist schon zu karolingischer Zeit fest eingewurzelt. Am 27. Dezember, am Tag des Johan­nes des Evangelisten, wurde im Rahmen eines eigenen liturgischen Aktes Wein geweiht, dem erstaunliche Kräfte zugeschrieben wurden. In Erinnerung an den Gifttrank, den der Apostel nach der Legende unbeschadet zu sich genommen hatte, sollte dieser Wein nicht nur Schutz bieten vor jeglicher Vergiftung und vor nahezu allen Krankheiten. Man goss ihn auch auf die Weg­kreuze, damit er die Fruchtbar­keit der Felder sicherte. Er beförderte und be­wahrte die Freundschaft und galt lange Zeit als Hoch­zeits­trunk des Braut­paares. Das ganze Jahr über trank man ihn bei Abschieden und Wie­dersehen und nannte ihn den "Valet-Trunk". Man gab ihn den Sterbenden und reichte ihn auch den Verurteilten vor ihrem letzten Gang.

Für diesen - dem Henkersmahl verwandten – Brauch, der nicht direkt Teil des Gerichtsganges war, gibt Mackensen als ältesten Beleg ein Frankfurter Botenbuch von 1435 an, in dem es heißt: „20 heller den gefangenen umb wyne als man sie richtet“.[63] Nach der frühen Fassung der „Historia“ von 1587 hält auch Faust sich in seiner Todesnacht an das Ritual, als er das Ende und den „Lohn“ für den Teuffelspakt und all die daraus erworbenen „Künste vnd  Zauberey“ kommen sieht. In einer Abschiedsrede wendet er sich an seine Studenten, die er um sich versammelt hat:

Darumb habe ich euch freundtliche günstige liebe Herren / vor meinem Ende zu mir beruffen / vnd mit euch ein Johanns trunck zum Abschied thun wöllen / vnd euch mein Hinscheiden nicht sollen verbergen.“[64]

Der Brauch ist vor allem im oberdeutschen Raum stark verbreitet. In einem bayerischen „Krankenbüechel“ vom Anfang des 17. Jahrhunderts wird dem Seelsorger auferlegt, „ehe man den armen Sünder ausführt, soll ihm St. Johannissegen gegeben“ werden.[65] Nach einer Schweizer Quelle von 1524 brachte man dem Verurteilten „wie man spricht, Sant Johanns segen oder den scheidttrunck“ und auch die Zimmersche Chronik nennt die Sitte „gebräuchlich“.[66] Er gilt als Abschiedsgeschenk und dient der Versöhnung. Wer ihn akzeptiert, der verzichtet auf Rache und schließt, wie Hans von Hentig generell vom Ritual des Henkersmahles annimmt, stillschweigend Urfehde mit denen ab, die Schuld an seinem Tode tragen.[67] Es gibt keine feste Norm, „jedes Gericht hat seine eigenen Bräuche“.[68]

Im Grunde muss es nicht verwundern, dass dieser symbolisch stark besetzte rituelle Trank, der eben nicht Teil des Rechtsganges ist, jedoch in Brauch und Sitte fest verwurzelt war und weite Verbreitung gefunden hatte, auch auf seine Tauglichkeit in der Hexenjustiz überprüft wurde. Bezeugt finden wir dies im schon erwähnten „Hexen-Büchlin“ des Jakob von Liechtenberg. An elsässischen Gerichten war man offensichtlich dazu übergegangen, auch dieses Trank-Ritual einzusetzen, um auch schon vor dem „Endlichen Gerichtstag“ den Druck auf den Angeklagten zu erhöhen, eine Praxis, die freilich nicht die Billigung des Autors findet:

Gantz thörlich ist auch hie der Hencker / Nachrichter verwähnt so die armen leut mit gespenst vnnd segen / zu der vergicht zwingen will / schüttet der person / Ostertauff vnd S.Johanns segen ein. da sehe die Oberkeit zu / dann gewißlich die leut in disem handel kein Conscientz noch wissens haben / ist also alles jr thun vnnd lassen nur auff die marter geneigt.“[69]

Wenn der elsässische Freiherr auch häufig den Eindruck erweckt, für einen moderaten Umgang mit den vermeintlichen Hexen zu plädieren, so ist er doch ein entschiedener Verfolgungsbe­fürworter. Die Verabreichung von Taufwasser und Johannissegen als Mittel geständnisunwillige Delinquenten zum Bekenntnis zu bewegen, lehnt er jedoch als untaugliche Mittel ab. Was mögen seine Gründe sein, wenn er sagt, dass „die Leute kein Conscientz noch wissens haben“? Sind es ausschließlich juristische oder theologische Einwände oder weiß er nur zu gut, wie seine Zeitgenossen mit diesem Brauch umzugehen pflegen?

Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. kennt dieses auf Versöhnung setzende Ritual ebenfalls (Art. 79), das nach dem Urteilsspruch gewährt wurde und von dem man mancherorts besonders intensiven Gebrauch machte. Es gehörte wohl nicht zu den Seltenheiten, wie dies beispielsweise in Quellen für das Hochstift Würzburg belegt ist, dass nicht allein der Nachrichter, sondern auch der Delinquent betrunken am Richtplatz erschien. Angesichts der vielerorts belegten Rechnungen über die bei den Hexenverfahren konsumierten beeindruckenden Weinmengen, verfügte Artikel 79 der Carolina wohl in gewisser Vorsorglichkeit, man soll „jm (= dem Verurteilten) inn dem ausführen (= beim Hinausführen zur Strafvollstreckung) und sunst, nicht zuuiel zu trincken geben dardurch sein vernunfft gemindert werde.“[70]

Mit dem Johannissegen ist hier auf ein Trank-Ritual verwiesen, das - wie Spee und Weyer beobachtet hatten - die Angeklagten unter Umständen sehr wohl „verwirren“, „voll und toll“ machen konnte. Der Alkohol kann in der Tat als älteste „Wahrheitsdroge“ der Geschichte gelten, und Wein war – zumindest auf Seiten des Henkers - auch in Delrios Exempel vom westfälischen Werwolf im Spiel.[71] Wir erinnern uns auch an die oben erwähnten Rottenburger Gepflogenheiten.[72] Dort war es auch üblich am „Versöhnungstag“, dem 24. Juni – also ausgerechnet am Festtag Johannes des Täufers, der jeden Wein verabscheut und für den der Volksmund deshalb den Namen „trockner Hannes“ geprägt hatte – dass ausgerechnet an seinem Festtag dort vor den Häusern so ausgiebig Johannissegen getrunken wurde, bis alle miteinander verfeindeten Nachbarn ihren Streit beigelegt hatten.[73]

Also auch hier ein schillerndes Bild, das womöglich die Ursache dafür sein könnte, dass eine solche Praxis in den Verfahrensakten nicht die offenherzige Erwähnung findet, wie dies noch im Rottenburger Prozess von 1530 der Fall gewesen war. Kontroversen um diesen rituellen Trank gab es bereits in der alten Kirche. Mancherorts sprachen die Leute diesem Wein am 27. De­zember in solchen Mengen zu, dass kirchliche wie weltliche Obrigkeiten mehrfach Versuche unternahmen, das Fest zu verbieten.[74] Schon Karl der Große war vergeblich gegen diesen Brauch vorgegangen, weil in manchen Regionen das "Wein­fest des Heiligen Johannes" zur ernsthaften Konkurrenz für Weih­nachten geworden war und das zentrale kirchliche Fest in den Schatten zu stellen begann.

Unter den Reformatoren war der Brauch gleichfalls umstritten. Während Zwingli diese Art des rituellen Trinkens als Aberglaube verbot, wird von Martin Luther[75] überliefert, dass er sich häufig des Johannis-Trunkes bediente. Die innerprotestantische Kontroverse findet ihren Niederschlag in einer Publikation des Leipziger Gelehrten Jacob Thomasius (1622-1684), Lehrer von Leibniz und Vater des berühmt gewordenen Christian Thomasius, der mit seinen Büchern beitrug, den Hexenprozessen ein Ende zu bereiten. In seiner 1657 erschienenen Abhandlung „De Poculo S. Johannis, quod vulgo appellant S. Johannis=Trunck“ handelt er nacheinander all die abergläubischen Aspekte des Johannistrunkes ab, um schließlich im letzten der 76 Paragraphen doch zu dem - wohl unvermeidlichen und zugleich resignativ klingenden -  Schluss zu kommen: „Poculum Johannis vulgare certo modo tolerari potest.“[76] Da aber vielerorts die kirchliche Weinweihe verboten wurde, wie das etwa schon 1543 in der Pfalz-Neuburgischen Kirchenordnung belegt ist, wurde dem Brauch allmählich der Boden entzogen.[77]

8. Von experimentierfreudigen Henkern?

Wenn unsere Annahme zutreffend ist, dass im Diskurs der gelehrten Traktate sich die Auseinandersetzung mit der bei den Gerichten geübten Praxis bis zu einem gewissen Grad niederschlägt, ist davon auszugehen, dass im Laufe der Ausformulierung des kumulativen Hexenmusters das vom "Hexenhammer" angebotenen Arsenal gegenmagischer Mitteln von zunehmendem Schwund bedroht war. Kramer selbst hatte in dieser Frage - wie auch zur Heranziehung magischer Spezialisten und Wahrsager, die er „als Beleidigung der göttlichen Majestät“ eigentlich ablehnt,[78] - die Gerichte freilich zur Eigeninitiative ermuntert und strategisch die Hintertüren weit geöffnet:

„Diese Verschwiegenheit zu beenden, kann durch keine einzelne und unfehlbare Regel oder Methode angegeben werden. Ja es wäre auch deshalb nicht sicher, eine zu geben, weil, wenn die Söhne der Finsternis diese fürderhin angewendete Methode und allgemein (gültige) Regel vorher kennen, würden sie diese als Schlinge ihres Verderbens leichter meiden oder Vorkehrungen dagegen treffen.“[79]

Für den Fall, dass die üblichen Maßnahmen zum „Schweigezauber“ versagten, empfiehlt er dem Richter, dass er „sich an andere Leute wenden soll, die ihm vielleicht ein Mittel verschaffen, an das er niemals gedacht hatte, weil es verschiedene Arten zur Aufhebung eines Schadenzaubers gibt“.[80] Über den Einsatz solcher Mittel sollte das Gericht also jeweils selbst entscheiden. „Weil hierbei die Erfahrung wie auch die Praxis und die Mannigfaltigkeit der Verhältnisse die Richter mehr belehrten als irgendjemandes Kunst oder Lehre, so wird das den Richtern anheim gestellt.“[81]

Scharfrichter und Henker sind in eigenem Interesse auch weiterhin an Effektivität interessiert, selbst wenn einzelne unter ihnen die Irrealität des Verfahrens und die tatsächliche Mechanik des Systems längst durchschaut hatten. Wo Gerichte die Verwendung von Weihwasser-Trank und anderen kirchlich imprägnierten gegenmagischen Mittel verworfen hatten, war Scharfrichtern und Henkern nicht zwangsläufig die Möglichkeit verschlossen, nach anderen Mitteln zu suchen, von denen sie sich bestimmte Wirkungen auf ihre Opfer versprachen. Dem Gefangenen kein Geständnis zu entreißen, beschädigte das Expertenimage und den Marktwert eines Nachrichters. Das mag für manchen hinreichende Motivation zum Experimentieren gegeben haben. Womöglich lässt sich hier – und mit Blick auf Delrios säkulare Trank-Varianten - ein Zusammenhang zu jenem Verfahren in Lemgo herstellen, bei dem einer Delinquentin als Trank (im Austausch gegen geweihtes Salz?) eine Art Heringslake eingeflößt wurde,[82] deren Salzgehalt sehr wohl als Verschärfung der Folter angesehen werden kann und möglicherweise zum späteren Geständnis der Frau beitrug

Skrupellosigkeit zahlte sich direkt in barer Münze aus, denn viele Gerichte, die über keinen eigenen Scharfrichter verfügten, vergaben diese Dienstleistung nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt von Professionalität, Reputation und Effektivität. Die Scharfrichter selbst waren um ihr Image als erfolgreiche Peiniger bemüht, weil ihnen gerade die Erstattung der Reisekosten ein erhebliches Mehreinkommen sicherte.[83]  Betrügerische Manipulationen traute man ihnen zweifellos zu. Sofern sie aber die gewünschten Geständnisse erzielten, konnten sie in dieser Sache mit nachsichtigen Gerichten rechnen.[84] Im Interesse der Gerichtsfestigkeit ihrer Akten konnten Protokollanten und Gerichtsschreiber -  sofern sie denn obrigkeitlicher Kontrolle unterworfen waren - nicht wirklich daran interessiert sein, solche Praktiken während des Verhörs in die Dokumente aufzunehmen, deren Legalität bei den Verfahrensbeteiligten umstritten oder gar von der Rechtsaufsicht förmlich untersagt worden waren. Die Protokolle verharmlosen und verschleiern das tatsächliche Maß der praktizierten Folter und sie übertreiben die Widerstandskräfte der Gefolterten, um vor den Gutachtern und der Rechtsaufsicht den Eindruck der „gelinden“ Folter zu erwecken, wie dies von der Carolina vorgeschrieben war.

Bei diesem beiderseitigen Interesse an einer Grauzone erscheinen die Chancen gering, differenzierte Spuren solcher Henker-Alternativen in den Akten auffinden zu können. So liest sich das Protokoll der Gertraud Schäfer, die bei einem Kastellauner Verfahren nach der Tortur starb, „wie eine wohlwollende, wenn auch gescheiterte Krankenbehandlung“, wie Rummel anmerkt: „Ein wenig feur in dem offen gemacht / daruff / alß sie einwenig schwach worden / man sie vom faß herunter gethan, mit wasser erkühlet und ihr ein drunck gegeben / auch ermahnet und gebetten / die wahrheit zu bekennen, so wurdet sie nit also geplagt / weillen sie aber nichts bekhenen wollen, ist sie widerumb auff das faß gesetzt worden.“[85]

9. Unter dem Deckmantel des Heilers?

Die Hypothese einer wie auch immer gearteten „pharmakologischen Behandlung“ von Angeklagten im Hexereiprozess, für die ein handfester Nachweis bisher nicht zu führen war, lässt sich möglicherweise noch über eine andere Linie verfolgen. Abseits der Malefizjustiz könnten sich im gelehrten medizinisch-pharmakologischen Diskurs Spuren einer solchen Praxis niedergeschlagen haben. Für unsere Fragestellung hätte dieser Überlieferungsstrang den Vorteil, dass seine Zeugnisse sich einer Überprüfung am Zugewinn naturwissenschaftlicher Erkenntnis zugänglicher erweisen.

Die Henker und Nachrichter sind erfahren in praktischen medizinischen Fragen und in der nebenberuflichen Ausübung heilkünstlerischer Kenntnisse erwirbt mancher von ihnen gar das Renommee, das ihm die Karriere bis zum Leibarzt hoher Herrschaften ermöglicht.[86] Sie werden in ängstlicher Scheu gemieden, weil sie das Monopol auf solche magische Mittel besitzen, die allein unter dem Galgen entstanden. Zugleich sind sie als Wundärzte gesucht und umworben. Warum sollte es ihnen also nicht gelingen, jene schmale Lücke ausfindig zu machen, in der im Einvernehmen mit anerkanntem Heilwissen und jenseits des Illegalen die Anwendung eines „wirksamen“ Mittels möglich war? Die Vorstellungen, Kenntnisse und Praktiken von magisch sympathetisch wirkenden Präparaten sind in allen Volksschichten verbreitet und werden noch lange Zeit das Denken der Menschen bestimmen. Sie geben vermutlich auch den Anstoß zu manchem Experiment. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Nachrichter und Henker überall dort um „Ersatz“ bemühten, wo die Gerichte aus juristischen oder theologischen Gründen die herkömmlichen Mittel zur „Beförderung der Wahrheit“ als abergläubisch verworfen hatten. Es ist sehr wohl denkbar, dass sie im Gewande des medizinisch gebildeten Wundarztes eine Suchstrategie verfolgten, die sie nicht in Konflikt mit Juristen und Theologen brachte.

Nach theologischem Verständnis als auch nach geltender medizinischer Lehre (Humoraltheorie) galt der Hexereiverdächtigte als potentieller Melancholiker, als Kranker, dessen Gesundheit durch ein gestörtes Verhältnis der Körpersäfte "geschwächt" und der somit leichter den Einwirkungen des Dämons ausgeliefert war. Die Frage einer möglichen Behandlung wurde zwischen Verfolgungsbefürworten und Gegnern zwar kontrovers geführt (etwa Delrio gegen Weyer), in den Kräuter- und Medizinbüchern der Epoche finden sich jedoch zahlreiche Hinweise, die auf einen solchen Zusammenhang hindeuten.

Das Krankheitsbild des Melancholikers hatte zum Beispiel Caspar Peucer (1525-1602) eindrücklich beschrieben. Der Leibarzt des sächsischen Kurfürsten und Zeitgenosse Delrios schildert in seinem „Commentarius“[87] in anschaulichen Bildern, wie der humor melancholicus das Mischungsverhältnis der Säfte im Gehirn und damit die gesamte Person veränderte. Als Folge dieser Veränderung ziehe sich die Seele in sich selbst zurück und gab damit gleichsam auch die Verwaltung des Körpers auf. Allein mit sich selbst und der eigenen Bild- und Gedankenwelt beschäftigt, sei der Körper förmlich seiner Führung beraubt, unfähig die normalen geistig-personalen Funktionen zu erfüllen. Vom humor melancholicus ausgelöst, sieht Peucer das Gehirn beherrscht von düsteren Bildern und unkontrollierten Phantasmen, die vom Dämon leicht zu manipulieren waren. Dieser Zustand bestimmte das Verhalten des Kranken so lange, bis frisch zugeführtes Blut alles hinwegspülte.

Auf diesem Hintergrund sind die wiederholten Aufforderungen Weyers und anderer zu verstehen, solche Menschen ärztlich zu behandeln, statt sie vor die Richter zu ziehen.[88] Im dritten Buch seiner „Praestigiis“ gibt er nicht nur allgemeine therapeutische, sondern ganz konkrete pharmakologische Anweisung, wie zum Beispiel vermeintliche Werwölfe zu behandeln seien:

Man hilfft diesen mit aderlassung biß das sie in ohnmacht fallen / mit guter speise / gemeinen süssen ba(e)dern / milch / Hoi Hiera colocynthide, ruffi oder archigenis Justi, mit triackel / vnd was sonst der melancholey dienlich ist / Das haupt wirdt diesen Leuten zu anfanck mit schlaffmachenden dingen gefeuchtet / vnd die nasen mit den opio geschmiert / Man muß ja auch zu weilen ein schlaffdranck geben.[89]

Neben Beruhigungsmitteln und dem als umfassend wirkenden und noch bis ins 19. Jahrhundert geschätzten Gegengift Theriac empfiehlt Weyer eine Kur mit zwei traditionsreichen Rezepturen eines Purgiermittels, das aus dem Mark der Koloquinte gewonnen wird (Citrullus colocynthis (L.).[90] Nach Tabernaemontanus (1520-1590), Schüler des berühmten Kräuterkenners Hieronymus Bock, wird die Koloquinte als „heftiges“ Purgiermittel „zu langwierigen Krankheiten gebraucht (...) Die Alten haben ihm grosse Kräffte zugeschrieben das Hirn zu reinigen / und das Geäder: Ein sonderlich Artzney zu veraltetem Hauptwehe des gantzen oder halben Hauptes.“[91]

Die Scharfrichter und Henker waren in der Regel sehr wohl bemüht, nach einem Folterdurchgang dem Gericht einen aussagefähigen Angeklagten zurückzugeben. Es ist nicht auszuschließen, dass Nachrichter sich auch an diesem Konzept orientierten und eine solche Behandlung wählten, nicht zuletzt in der Hoffnung, auf diesem Wege der Geständniswilligkeit des Angeklagten nachzuhelfen. Eine solche Behandlung widersprach grundsätzlich nicht der Vorstellung, nach der ein von der Melancholie geheilter Angeklagter wieder die Herrschaft über sich selbst zurückerlangte und damit in die Lage versetzt war, den Einwirkungen des Dämons den nötigen Widerstand entgegenzusetzen. Man verfolgte damit gewissermaßen den gleichen Zweck, zu dem auch die Weihwasser-Behandlung angewendet worden war. Wahrheit verstand man als materiell im Menschen anwesende Substanz.

Körperlich gestärkt und auf diese Weise dem dämonischen Einfluss entzogen, erhöhte sich also die Chance für eine wahrheitsgemäße Aussage, die der Dämon im Melancholie-Geschwächten zuvor hatte zurückhalten können. Es sind gerade diese Einwirkungsmöglichkeiten des Dämons auf den körperlichen wie psychischen Zustand des Gefolterten, mit denen sich Delrio in dem eingangs herangezogenen Kapitel seines Werkes beschäftigt.

10. Durch Kräuter den Dämon vertreiben?

Wenn wir uns an den „Meister Conrad“ beim Verfahren im Amt Angermund und seine nicht sehr auskunftsfreudige Rechnungsstellung, oder an den „Tübinger Wundarzt“ erinnern, so stellt sich die Frage, wie weit sich eine solche Praxis an Hand vorhandener Hexenakten tatsächlich nachzeichnen und belegen lässt. Kramer hatte im "Hexenhammer" die Brauchbarkeit gegenmagisch wirkender Kräuter eher misstrauisch bewertet, „da dem Dämon selbst die Kräfte der Kräuter durchaus nicht verborgen sind“.[92] Auffällig ist jedenfalls, dass Hinweise in den gelehrten medizinischen Zeugnissen auf die Möglichkeit einer solchen Behandlung umso eindeutiger ausfallen, je weiter sie zeitlich von der Epoche intensiver Verfolgung entfernt sind.

Nehmen wir als Beispiel die „Fuga Daemonum“, das Johanniskraut, Hypericum perforatum, das gerade in den letzten Jahrzehnten eine Wiederentdeckung als Antidepressivum erfahren hat. Wenn das, was die heutige Medizin unter Depression versteht, auch nur teilweise mit dem damaligen Verständnis von Melancholie zur Deckung zu bringen ist, so erscheint es allein schon deshalb interessant, dieser Spur nachzugehen, weil sich auch hier die Muster einer Legendenbildung beobachten lassen.

In Brauchtum wie in der volkstümlichen Medizin, die von magischer Überlieferung und „abergläubischen“ Vorstellungen gründlich durchmischt sind, spielte das Kraut eine herausragende Rolle.[93]Die frühneuzeitlichen Kräuterbuchautoren zitieren dazu gerne den antiken Arzt Fernelius, nach dem „diß Kraut gar nützlich zu gebrauchen sey zu den zerknitschten und zerstossenen Nerven“, wie Tabernaemontanus überliefert. Genau hier setzt auch das heutige Interesse von Neurologen, Psychiatern und Pharmakologen an. Nach gegenwärtigem Forschungsstand stellt der standardisierte Johanniskrautextrakt als nahezu risikoloses Präparat ohne störende und belastende Nebenwirkungen die rund vierzig verschiedenen synthetischen Präparate in den Schatten, die heute bei leichten bis mittelschweren Depressionen angewendet werden. Bei den Wirkstoffen des gut verträglichen Naturheilmittels handelt es sich vorwiegend um zwei Substanzen, die Hypericine und Flavonoide. In ihrem molekularen Aufbau ähneln die Hypericine den so genannten trizyklischen, synthetisch hergestellten Antidepressiva. Eines der Erklärungsmodelle sieht die Wirkung in einer „sanften“ Hemmung des Enzyms MAO (Monoaminoxidase), das man unter anderem auch für die menschliche Aggression verantwortlich macht und das zum Abbau der Botenstoffe Noradrenalin und Serotonin beiträgt. Serotonin wiederum gehört zu jenen Neurotransmittern, die im Zentralnervensystem einen antidepressiven Effekt auslösen.

Nach gegenwärtigem Kenntnisstand wirkt ein Aufguss aus Johanniskraut anregend, für eine gezielte Behandlung depressiver Zustände jedoch ist die Extraktausbeute weit aus zu gering. Zum Vergleich: Drei Tassen Tee enthalten 0,3 bis 0,5 Milligramm Extrakt. Die übliche Dossierung standardisierter Präparate liegt jedoch bei dreimal 300 Milligramm pro Tag und sie entfalten ihre Wirkung erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung von mehreren Tagen. Dennoch hatten sich die frühen Kräuterkundler an das mögliche Wirkungsspektrum erstaunlich nahe herangetastet. Bei Plinius[94] sind vergleichbare Behandlungen mit dem Johanniskraut noch kaum überliefert. Er kennt den Samen vor allem als Ischias- und Purgiermittel. Allein die von ihm beschriebenen wundheilenden Eigenschaften sind auch heute noch unbestritten.

Als Mittel zur Abwehr von zauberischen Einflüssen lässt sich Johanniskraut bis weit ins 19. Jahrhundert nachweisen. Und tatsächlich finden wir das Johanniskraut neben anderen Zutaten in einer Trank-Rezeptur, die 1660 im sächsischen Amt Gommern bei dem seit 1658 laufenden Verfahren gegen Anna Eve verwendet wurde. Nach Auskunft der Akten bereitete der Scharfrichter Michael Werner in einem „Dreipfennigtopf“ einen Trank aus frischem Quellwasser, Ehrenpreis, braunem Dost, weißem Dorant, Schwarzkümmel, Knoblauch samt Fruchtstand, Johanniskraut, Leber und Galle eines frischen Hechtes, der Anna Even mittel eines Trichters eingeflösst wurde. Nach fast vierstündiger Tortur starb die Frau am 3. November 1660. Als auf Begehren der Leipziger Schöppen der Scharfrichter am 15. Januar 1661 darüber vernommen wurde, gab er zu Protokoll, sein Trank bewirke, dass Satan von den Hexen weiche.[95]

Aus Sicht möglicher pharmakologischer Wirkungen mag man nach heutigem Kenntnisstand diesem Trank keine der intendierten Effekte zuschreiben wollen. Kaum anders sahen das die damaligen „neuen Biologen“, die bemüht waren, auf dem schmalen Grad zwischen Schulmedizin und tradiertem volkstümlichen Heilwissen einen eigenen Weg zu finden. Was das Johanniskraut betrifft, wird diese Abwehr gegenüber den verbreiteten magischen Praktiken in der von dem Baseler Botaniker Caspar Bauhin bearbeiteten Tabernaemontanus-Ausgabe von 1731 deutlich:

Die alte Weiber sagen, daß diß Kraut sey für Gespenst / wann man es bey sich trägt / daher es auch Fuga Daemonum soll genennt werden“.[96]

Paracelsus, der das Kraut für seine Wundtränke sehr schätzte, merkt an: „Und das sol ein ietlicher arzt wissen, das got ein groß arcanum in das kraut gelegt hat, alein von wegen der geisten und dollen fantaseien, die den menschen in verzweiflung bringen und nicht durch den teufel, sonder von natur.“[97]

Andere zeigen sich weniger um Abgrenzung gegenüber dem bemüht, was auch die neuen Kräuterforscher immer entschiedener als „Aberglaube“ bezeichnen.[98] Als wichtiges Ingrediens taucht das Johanniskraut im 18. Jahrhundert noch immer in Zubereitungen auf, die vor Verzauberung schützen oder die Kraft eines Zaubers brechen sollten. Zusammen mit anderen Kräutern in Wein gesotten half es nicht nur zur Purgierung und Wundheilung, sondern auch  „wenn einer durch zauberisch gemachte Liebe von Sinnen kommen“, wie beispielsweise der ebenso medizinisch wie literarisch engagierte Erfurter Stadtarzt Christoph Hellwig (1663-1721) in seinem „Recept-Buch“ für die meisten „Kranckheiten der Mannes-Personen“ von 1715 rät.[99]

Dem neuen aufklärerischen Geist weit mehr verpflichtet, greift 1721 der Büdinger Arzt Johann Samuel Carln zu entschieden vorsichtigeren Formulierungen, wenn er in seiner "Armenapotheck", die besonders auf die ärmlichen Verhältnisse der einfachen Bevölkerung zugeschnitten ist, zum Johanniskraut schreibt: „Ist eine gute Nerven-Stärkung / dahero es wohl gekommen seyn mag / daß man es wider die Zauberey sonderlich gerühmt.[100]

11. Von Mythensuchern

Je mehr die medizinische Erkenntnis fortschreitet, umso vorsichtiger werden die Ärzte im Umgang mit den alten Lehrbüchern und Bräuchen. Dafür werden diese alten Lehrbücher jetzt zum Quellenmaterial der ersten Volkskundler und Kulturschriftsteller des 19. Jahrhunderts mit der Neigung, dieser zurückliegenden wirren Zeit eine verborgene und womöglich verdrängte „vaterländische“ Kulturtradition zu entlocken. Als Ergebnis seiner Nachforschungen über die „deutschen Volksbräuche“ kommt beispielsweise Martin Montanus (d.i. Vinzenz Jacob von Zuccalmaglio) zu dem Schluss, dass das Johanniskraut den Henkern und Scharfrichten gewissermaßen als „Wahrheitsdroge“ gedient habe:

Früher gab man den Hexen und Zauberern vor der Tortur davon ein, um, wie man wähnte, die Wahrheit an den Tag zu bringen. Eine Arznei aus Johanniskraut und Distelsamen zubereitet, war unter den Hexenverfolgern unter dem Namen Olebanum bekannt und sollte alle Teufels-Gewalt in den Gefolterten vernichten.“[101]

Montanus verzichtet auf den Nachweis konkreter Befunde, die eine solche Praxis als „Wahrheitsdrogierung“ stützen könnten. Dafür findet sich seine „Feststellung“ als weiterer Schritt der Legendenbildung schon kaum ein Jahrzehnt später als Tatsachenbeleg in den 1864 in Stuttgart erschienenen „Deutsche Pflanzensagen“ des Ritter von Perger,[102] ein Werk, das heute selbst wiederum den Status einer Quellensammlung erlangt hat.

Ist es womöglich der rätselhaft griffige Name des ominösen Präparates „Olebanum“, der die Legendenbildung stützte und zur Vernachlässigung des Zweifels führte? Handelte es sich bei „Olebanum“ womöglich um ein vergleichbares Mittel, wie Delrio es für seinen westfälischen Werwolf so kryptisch beschrieb? Die Überlieferung der „Beruf- und Beschrei- und Vermainkräuter“ (vermainen = bezaubern),  also zauber- und hexenabwehrender Pflanzen, die häufig mit jenen, die Blitz und andere Gefahren abwenden sollten, in einem Atemzug genannt werden, lässt sich weit zurückverfolgen. Neben Dost, Ziest und anderen gehörte auch das Johanniskraut dazu. Und selbst Caspar Bauhin hat Beifuß, Engelwurz, Mistel und auch die medizinisch hochgeschätzte Meerzwiebel aus seiner Kräuterbuch-Bearbeitung des Tabernaemontanus für eine solche Verwendung noch nicht getilgt. Aus ihnen jedoch eine psychotrop wirkende Wahrheitsdroge zu destillieren, die auch im Hexenprozess ihre Verwendung hätte finden können, erscheint selbst angesichts der damaligen Pflanzenkenntnis mehr als verwunderlich.

Olebanum war in der Frühen Neuzeit als Name für den Weihrauchbaum in den Kräuterbüchern sehr wohl geläufig. Und in der Tat ist das ätherische Olebanumöl, neben Terpenen, Campher, Polysacchariden, Harzsäuren und besonders der entzündungshemmenden Wirkung der Boswelliasäure als Inhaltsstoff des Weihrauchs (Boswellia serrata) gerade in jüngerer Zeit eingehender erforscht und zur Behandlung von Tumoren und als wirksames Mittel bei rheumatischen Erkrankungen erprobt worden. Doch selbst wenn sich hinter der Verwendung dieses Begriffes etwas anderes verbergen sollte, gewissermaßen ein Codewort der Scharfrichter und Henker oder ein Missverständnis für den in der Folterkammer gegenmagisch gebrauchten Weihrauch, erscheint wenig glaubhaft, dass aus Johanniskraut und Distelsamen ein Präparat mit psychotroper Wirkung hätte gewonnen werden können.

Die Kräuterbücher der Zeit kennen unter den wenigen Anwendungen der Distel ihre heilsamen Wirkungen für Leber, Magen und Blase sowie - im Rückgriff auf Dioscorides - als Mittel gegen „Krämpfe am Hals“ und gegen giftige Tierbisse (die Silberdistel auch bei Pest). Bei Plinius[103] beschränken sich die Auskünfte noch auf eine womöglich Haarwuchs fördernde Wirkung oder als Mittel, „um die Zeugung von Knaben zu begünstigen“. In Wasser ausgekocht, sollte die Distel freilich bei Trinkenden den Durst erzeugen, was uns wieder in die Nähe der „Heringslake“ gebracht hätte, die bei dem oben genannten Lemgoer Verfahren als Folterverschärfung als belegt gelten kann.  

12. Von den Wirkungen „unwirksamer“ Wahrheits-Tränke

Der Versuch, die Anwendung von Weihwasser, Wein und anderen magischen Mitteln, die unter den Zeitgenossen in eine kontroverse Diskussion geraten waren, allein nach dem naturwissenschaftlichen Prinzip von Wirkstoff und Wirkung zu deuten, erscheint nicht wirklich ergiebig. Das geltende Paradigma ist der magische Kontext und das vom dämonologischen Konzept geprägte Deutungsmuster. Unbestritten sind bei den Heilkünstlern der Zeit Präparate (Tränke und Salben) in Gebrauch, die mitunter erhebliche Beimischungen pflanzlicher Alkaloide wie Aconitin, Coniin, Solanin, Atropin Hyoscyamin und Morphin enthalten.[104] Pflanzen wie Eisenhut, Schierling, Tollkirsche, Bilsenkraut, Stechapfel und Schlafmohn konnten in der entsprechenden Dosierung in der Tat subjektive Wahrnehmungen hervorrufen, die in gleicher Weise als real empfunden wurden wie Geister und Dämon, von deren wirklicher Gegenwart die Menschen damals überzeugt waren.

Rezepturen, bei denen Solanum, Stramonium (Stechapfel), Mandragora oder „herba vulgo bella donna nuncupari diximus“ in einer Weinmatzeration zubereitet wurden, konnten die Zeitgenossen beispielsweise im achten Buch Della Portas (1535-1615) „Magia Naturalis“ nachlesen. Der vielseitige Gelehrte der Spätrenaissance, der sich auch näher mit der „Hexensalbe“ befasst hatte, handelt im ersten Kapitel („De soporiferis medicamentis“) von den Schlafmitteln, um schon im zweiten Kapitel zu erheblich kurioseren Experimenten überzugehen: „Quomodo homines per diem dementari possint“; „Solano manico dementare“; „Hominem reddere, ut sibi persuaderet in avem mutari“( = „Wie Menschen jederzeit verrückt gemacht werden können“, „Mit Solanum jemanden unsinnig/verrückt machen“, „Einen Menschen dazu bringen, sich in einen Vogel verwandelt zu fühlen.“).[105] Dass solche Zubereitungen in der Lage waren, ein traumatisiertes Folteropfer in den Zustand zusätzlicher Desorientierung und Verwirrung zu versetzen, steht außer Frage.

Angesichts des Zustandes, in dem sich die Rechtspflege zur Zeit der Hexenverfolgung befand, erscheint es kaum vertretbar, grundsätzlich auszuschließen, dass Henker und Peiniger um des Erfolges Willen – und gewissermaßen als „geheimes Handeln“ - mit solchen Mitteln Versuche anstellten. Schon Friedrich Spee hatte hinsichtlich der Nachforschungen zum Hexenmal, dessen Schmerzunempfindlichkeit als Beweis der Zugehörigkeit zur Hexensekte galt, den Verdacht geäußert, dass mancher Henker die Haut der Angeklagten durch „nicht ehrliche Künste gegen jedes Schmerzgefühl“[106] unempfindlich gemacht haben könnte. Auf diesem Hintergrund treibt Gunther Franz die Spekulation gar noch etwas weiter: „Man könnte vermuten, daß manche Folterknechte ihren Opfern Betäubungstränke verabreicht haben, um ihre 'Kunst' besser demonstrieren zu können.“[107] Doch all dies bleibt Vermutung und die Verwendung halluzinogener oder psychotrop wirkender Drogen ist mit den bisher vorgelegten Befunden nicht zu erhärten.

Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die hier genannten, symbolisch hoch besetzen und in einem wie auch immer gearteten rituellen Rahmen verabreichten Tränke sehr wohl die von Gericht und Nachrichtern intendierte Wirkung haben konnten und deshalb als „wirksame Mittel“ auch Teil der Überlieferung wurden. Die Folteropfer sahen sich in einer äußerst dramatischen Lebenssituation mit diesem Ritual konfrontiert, das unter den gegebenen Umständen eine bipolare Veränderung der Einstellung auf ganz „natürliche“ Weise hervorrufen konnte. Es ist der Augenblick, in dem neben die körperliche Unterwerfung durch Haft und Folter die Unterwerfung des Geistes getreten ist. Alles ist nach der körperlichen nun auf die geistige Destabilisierung ausgerichtet. Das Opfer ist zermürbt und gebrochen, am Tiefpunkt einer psychosomatischen – und was wir uns nicht eindringlich genug vorstellen können – auch einer religiösen Krise angelangt. Ein verheerender Zustand menschlicher Entwertung und Verlassenheit, bei dem selbst die einfachste Verwirrungsstrategie in Verbindung mit dem magisch besetzten Weihwasser seine Wirkung zeigen konnte, wie Weyer am Beispiel einer Angeklagten aus der Umgegend von Düren berichtet:

Weil sie trotz aller Folter kein Geständnis ablegte, „ist endlich ein Pfaff an sie geraten / vnd sie mit glatten worten gebeten / sie wölle doch jr selbst verschonen / sich nicht also peinigen lassen / sondern jr vbelthat frey bekennen / so wölle er sie von allen sünden mit dem Weiwasser reinigen / der Kirchen Christi wider zustellen / vnd dauon helffen. Mit dissen listigen betruglichen worten wart sie darzu beredt / das sie antworte / es möcht viel(e)icht wol etwas also von jr gethan sein. Als nun solchs von jrn gehört / ist sie angehents zum fewr bussen des Pfaffen verheissen vnd jr meinung verurtheilt worden.“[108]

Als Augenzeuge kennt Friedrich Spee das Dilemma des gläubigen Menschen: „Fast alle glauben nämlich, sie begingen eine Todsünde und würden unrettbar verdammt, wenn sie unschuldig ein so schreckliches Verbrechen wie die Magie auf sich nähmen. Darum kämpfen sie mit allen ihren Kräften gegen die unerträglichen Schmerzen, um sich nicht so schwer gegen ihre Seele zu versündigen.“[109] Immer wieder finden sich in den Akten die Belege, dass die Menschen flehentlich darum bitten, man möge ihnen vorsagen, was sie bekennen sollten.[110] Dem gläubigen Menschen bot sich gewissermaßen der Ausweg, im „fremden Text“ das fatale Geständnis in eine Lüge zu verkleinern, um so das oberste Lebensziel eines jenseitigen Lebens nicht vollends zu verwirken.

„Geständnisse sind das Dokument der Phantasie und der Ängste der Verfolger und nicht der Verfolgten“, wie Schulte schreibt,[111] und zugleich entsteht in der erzwungenen Mitwirkung ein Gemeinsames. Am Rande der Bewusstlosigkeit, womöglich gar im Angesicht des Todes, steht das traumatisierte Opfer unter dem existentiellen Druck, trotz aller Widersprüchlichkeit einen Zusammenhang mit dem eigenen Leben herzustellen. Wir kennen das „Stockholm-Syndrom“, bei dem unter bestimmten Bedingungen die Geisel unerwartete affektive Bindungen zum Geiselnehmer eingeht, sich mit dem Aggressor identifiziert, um dem Gefühl des Ausgeliefertseins zu entgehen.

Lyndal Ropor hat hier das psychoanalytische Modell vom „Theater der Seele“ herangezogen.[112]  Eine neue Geschichte zu erzählen, in der fremde und eigene Bilder verschmelzen, hat für das Folteropfer den lösenden Effekt, sich wieder im Einverständnis mit der direkten Umwelt zu erfahren. Die Konfrontation mit einem erkennbar symbolisch bewerteten Trank, sei es der rituelle Abschiedstrank der Johannesminne, das magisch hoch besetzte Weihwasser oder ein ausdrücklich als solcher bezeichnete „Wahrheitstrank“, konnte beim Folteropfer einen autosuggestiven Prozess in Gang setzen, der den Wirkungen des Placebo-Effektes vergleichbar ist.

Das Wissen um diesen Effekt ist so alt wie das Wissen in der Medizin. Er besagt nicht, dass das „Nichts“ an sich wirksam sei, sondern dass eine durch irgendeine Maßnahme oder einen Umstand hervorgerufene Wirkung nicht erklärt werden kann oder diese Wirkung außerhalb der gängigen Erklärungsmöglichkeiten liegt. Weyer hat diesen Aspekt im Traktat „De Lamiis“ deutlich beschrieben: „Dieses remedium hatte solche Krafft nicht in sich / Dieweil ers jm aber so stark jmaginiret / es kündt jm helfen / so ward es auch also vollnbracht.“[113] Und im 5.Buch, VII. Kap. „De Praestigiis“ unter der Überschrift „Woher die hilffe folgt nach den wortern / figuren / vnd anderen vnordenlichen mitteln“ beschreibt er die Wirkung symbolischer Handlungen:

hilffe (...) geschiehet gar nicht auß den geübten mittelen“, sondern „auß dem gantzen hertzlichen vertrawen / das der krancke zu den mittelen hat / wiewohl das gar mit aberglaube geschiehet.“[114]

Die Placebo-Forscher Brody und Brody[115] haben diesen Vorgang mit dem irritierenden Eingriff in einen Ameisenhaufen verglichen, durch den in kürzester Zeit alles in Bewegung geraten kann. Nicht erst in vergleichbar psychosomatischen Extremsituationen verfügt der Körper über einen äußerst komplexen, nicht linearen und keineswegs in allen Teilen verstandenen Reflex- und Reaktionsmechanismus, bei dem es neben morphologischen, physiologischen und biochemischen Interaktionsmöglichkeiten auch eine Vielzahl von psychischen, emotionalen und energetischen Faktoren gibt, die ein Verhalten steuern können. Nach der gängigen medizinischen Definition zählen neben Pillen längst auch „esoterische Mittelchen“, geheimnisvolle Elixiere und Scheinoperationen zu den Placebos. Gedanken, Vorstellungen und Erwartungshaltungen scheinen den präfrontalen Cortex zu beeinflussen, der die Schmerzmatrix reguliert. Der menschliche Organismus ist in der Lage, körpereigene Schmerzinhibitoren (Analgetika) zu bilden,[116] die das Überhandnehmen des Schmerzes verhindern können, was man u.a. als „natürliche“ Erklärung für den „Hexenschlaf“, die Schmerzlosigkeit unter der Folter, herangezogen hat. Die Konfrontation mit einem symbolisch hoch besetzten rituellen Akt kann beim Traumatisierten einen Prozess in Gang setzen, an dessen Ende er seine bisherigen Vorstellungen und Wahrnehmungen ins Gegenteil wendet und sich in die Rolle des „reuigen Sünders“ fügt.

Angesichts der magisch durchwirkten Weltsicht der Betroffenen muss die Verabreichung solcher „Wahrheits-Tränke“, wie sie in den hier genannten Quellen nachzuweisen sind, zweifellos in das Arsenal der psychischen Folter eingereiht werden. Ihre mögliche Wirkung lässt sich sehr wohl auch ohne den Einsatz spezieller pharmakologischer und psychotrop wirkender Inhaltsstoffe erklären.

Die spektakuläre Faszination um den „Wahrheitstrank“ zeigt eine gewisse Parallele zur Diskussion um die „Hexensalbe“. Ihrer auffällig häufigen Präsens in den gelehrten Schriften steht eine umgekehrt proportionale Beachtung in den Prozessakten gegenüber. In nur wenigen Fällen wird von der erfolgreichen Auffindung dieser „Materie“ berichten, noch seltener von einer materiellen Überprüfung der vermeintlichen „Schmiere“. Einer der Gründe liegt vermutlich darin, dass den Gerichten nach damaligem Verständnis zunehmend am „gerichtsfesten“ Nachweis realer Zugehörigkeit zur vermeintlichen Hexensekte und weniger an der Feststellung einer nur fiktiven Teilnahme am Sabbat gelegen war. Den Pflanzen traute man viel zu, man war jedoch auf der Suche nach den Machinationen des Dämons. Und dem Teufel traute man erheblich mehr zu als den Kräutern.

Nur bei einem Teil der gelehrten Elite stieß eine nur subjektive und womöglich drogeninduzierte Erfahrung der Salbennutzer auf Interesse, weil sie - abseits der Rechtsprechung - gewissermaßen auf der Suche nach der Grenzlinie waren zwischen Traum und Wirklichkeit. Die Gerichte setzten lieber auf die – meist erst durch Folter erpresste – Besagung weiterer vermeintlicher Teilnehmer an den Sabbatveranstaltungen. Diese hatten den Vorzug, Indiz und Zeugen zugleich zu sein. Einer „Flugreise im Geiste“, einer nur illusionären Exkursion, wie sie noch der „Canon Episcopi“ beschrieben hatte, maß man im Gerichtsgang kaum mehr Bedeutung zu. Das Trankritual, das zumindest ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zunehmend strittig wird, diente als Mittel zum Zweck. Die Aufmerksamkeit richtete sich primär auf das Geständnis, mit welchen Mittel es auch immer erzielt wurde. Der ambivalente Umgang mit dem Trankritual in der Praxis mag jedoch einer der Gründe dafür sein, dass sich seine Überlieferung länger in den gelehrten Schriften als in den Akten erhalten hat.

Die unterstellte Wirksamkeit der hier genannten Tränke ist im dämonologischen Kontext und im magischen Denken der Zeitgenossenschaft zu verstehen. Die potentielle Wirksamkeit liegt in der von allen Beteiligten imaginierten Bedeutung, in der Mentalitätsgemeinschaft von Strafenden wie Bestraften. Einer ausschließlich naturwissenschaftlich pharmakologisch orientierten Lesart, die diese Denk- und Deutungswelt in ihrer Betrachtung vernachlässigt, gelingt nur eine Besichtigung aus der Ferne.

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Anmerkungen


[1] Besonderer Dank für Hinweise und freundliche Unterstützung gilt den Mitgliedern der „Mailingliste zur wissenschaftlichen Erforschung der Hexenverfolgung“.

[2] Robert Zagolla: Die Folter - Mythos und Realität eines rechtsgeschichtlichen Phänomens. In: Katrin Moeller, Burghart Schmidt (Hgg.): Realität und Mythos. Hexenverfolgung und Rezeptionsgeschichte. Hamburg 2003, S. 122-149; Ders: Folter und Hexenprozess, Diss. phil. [unveröff.] Tübingen 2004. Ders.: Robert Zagolla: Im Namen der Wahrheit. Folter in Deutschland vom Mittelalter bis heute. Berlin 2006.

[3] Alfred W. McCoy: Foltern und Foltern lassen. 50 Jahre Folterforschung und -praxis von CIA und US-Militär. Frankfurt 2005 (Zweitausendeins).

[4] "Disquisitionum Magicarum Libri Sex". Mainz 1600.  Den gesamten Mainzer Druck vom Jahre 1617 – mit gleicher Paginierung wie die Ausgabe 1604 - kann eingesehen werden bei der Französischen Nationalbibliothek:
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k512583.pagination
Weiter Informationen zur Person vgl. den Lexikoneintrag beim historicum.net:
https://www.historicum.net/themen/hexenforschung/lexikon/

[5] "(...) tandem carnificem reo poculum quoddam medicatum praeparasse.....reo vero exhibuisse potionem illam ...sic imposuisse, ecce tibi confestim reum omnia sua facinora narrantem...“. Übersetzung nach Petra Nagel: Die Bedeutung der "Disquisitionum Magicarum Libri Sex" von Martin Delrio für das Verfahren in Hexenprozessen. Frankfurt/Main 1995, S. 258f.
Die Passage nach der Ausgabe Mainz 1604 ist als Faksimile einsehbar auf der Seite:
http://www.elmar-lorey.de/werwolf/Delrio.htm.

[6] Zur Quellenlage der Verfahren vgl. Rainer Decker: Die Hexenverfolgung im Herzogtum Westfalen. In: Westfälische Zeitschrift 128 (1978), S.314f.

[7] * 17. Dezember 1554 in München, † 17. Februar 1612 in Arnsberg, Westfalen. In Personalunion war er zugleich Bischof von Freising (seit 1566), Hildesheim (seit 1577), Lüttich (seit 1581), sowie (seit 22. Mai 1583 bis 1612) Erzbischof von Köln und Münster (seit 1584). 1595 wurde ihm sein Neffe Ferdinand von Bayern als Koadjutorzur Seite gestellt. Er zog sich darauf fast aus allen Regierungsgeschäften zurück

[8] = Karl Bille, resp. Billehe aus Lüttich. Nach Josef Niessen, Geschichte der Stadt Bonn, Bd. 1, Bonn 1956, S. 256, war Karl Billehe ein kurfürstlicher Rat, der zumindest im Jahre 1587 von Ernst von Wittelsbach die Statthalterschaft über Bonn erhalten hat. Im Buch Weinsberg erscheint er ebenfalls in dieser Eigenschaft. (Dank an Thomas Becker für helfende Hinweise.) In einem Kaufvertrag vom 2. Mai 1589 im Antwerpener Staatsarchiv wird er „secretaris van de keurvorst van Ceulen“ (= Sekretär des Kurfürsten von Köln) genannt.

[9] Herausgeber: Schweizer Ärzte gegen Drogen, Postfach 2170, 8033 Zürich. Im Internet u.a. einsehbar unter:
http://www.konservativ.de/drogen/koch.htm (nicht mehr aktiv, Besuch 26.07.2015)

[10] "Über das epidemieartige Auftreten von Nachahmungssyndromen. Die Tanzwut – Echte und scheinbare Enzephalitiden. In: Hamburger Ärzteblatt. Hefte 6-9/2000; auch im Internet einsehbar: http://www.collasius.org/WINKLE/04-HTML/tanzwut.htm

[11] Zitat: „Da kräuterkundige Frauen sehr häufig vor die Hexentribunale kamen, erfuhren die Henker und Folterknechte bei den "peinlichen Verhören" sehr bald das Geheimnis der Solanazeen-Wirkung, von der sie sodann bei ihrem Handwerk auch selbst reichlich Gebrauch machten! (Johann Peter Frank, System einer vollständigen medizinischen Polizey, IV., Mannheim 1788, S. 566). Konnten sie nämlich durch die Folter das gewünschte Geständnis nicht erzwingen, so reichten sie ihrem Opfer den solanazeenhaltigen 'Hexentrank' oder die 'Hexensuppe', um 'das Schweigen zu brechen'. Infolge der zentralen Wirkung dieser Mittel fallen nämlich bei den Delinquenten alle Hemmungen weg. Sie werden redselig und gestehen alles, auch das, was sie vielleicht einmal insgeheim nur überlegt oder gewünscht, aber niemals ausgeführt hatten. Der Jesuit Martin Delrio (1551-1608), einer der schlimmsten Hexenverfolger, erzählt in seinem Buch 'Inquisitiones magicae' (1599), daß ein westfälischer Edelmann, der zwanzigmal die Folter überstanden hatte, ohne zu gestehen, sofort bekannte, nachdem ihm vom Henker ein berauschendes Getränk eingeflößt worden war. Noch unlängst wurde in gewissen Staaten zu ähnlichen Zwecken den Angeklagten während der Untersuchungshaft die sog., 'Wahrheitsspritze' mit Skopolamin verabreicht.“ 

[12] Johann Peter Frank: System einer vollständigen medizinischen Polizey. Mannheim 1788, Band IV, S. 566.

[13] Jean Bodin: De la démonomanie des sorciers. Paris 1580.

In dem von Bodin übernommenen Exempel berichtet Frank von der als Hexe angeklagten Barbara Dore und ihrem Bekenntnis, die von ihr Bezauberten seien dadurch wieder zu heilen, „daß den Leidenden eine in der Mitte durchgespaltene Taube - (mit den Worten: 'im Nahmen Gottes des Vaters, des Sohnes, und des heil. Geistes, des heil. Antonius und des heil. Erzengels Michael, werde wieder gesund! ') – auf den Magen überschlagen und neun Tage hintereinander in der Pfarrkirche eine Messe gelesen ward, welches Recept allerdings eine fromme Hexe verräth.“. Frank a.a.O. S. 567.

[14] Zitat: „Auch Inquisitoren benutzten sie (gemeint: Pflanzendekokte), um durch «Hexentrunk» oder «Hexensuppe» des Delinquenten «Schweigen zu brechen». Quelle: http://www.ariva.de/board/160574/thread.m?page=-2&a=&jump=1007127

[15] Friedrich Spee: Cautio criminalis oder rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse, mit acht Kupferstichen aus der „Bilder-Cautio“; aus dem Lateinischen übertragen u. eingel. v. Joachim-Friedrich Ritter, (6. erw. Aufl.), München 2000, S. 121.

[16] Johann Weyer, De Lamiis Liber (Basel 1577), zitiert nach der deutschen Ausgabe: De Lamiis. Das ist Vom Teuffelsgespenst Zauberern vnd Gifftbereytern / kurtzer doch gründtlicher Bericht (...) in vnsere gemeine Teutsche Sprach gebracht / Durch Henricum Petrum Rebenstock. Franckfurt a. Main 1586. S. 46.

[17] Johann Weyer, De Lamiis, ebd.

[18] Johan Weyer: De Praestigiis Demonum. Deutsche Ausgabe 1578, (Neudr. Amsterdam 1967), P. 54r.

[19] zitiert nach: Beschreibung des Oberamts Rottenburg. (Hg.) K. Statist. Landesamt. - Stuttgart : Kohlhammer 1899-1900, Band 2, S. 412f. (Aktenstandorte sind dort nicht angegeben.) Eine Übersicht zu den Verfahren in der Grafschaft Hohenberg vgl. Johannes Dillinger: Die Grafschaft Hohenberg. In: Sönke Lorenz (Hg.): Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe 1994, Aufsatzband S. 248 f.

[20] vgl. Günter. Jerouscheck: Die Hexen und ihr Prozeß. Die Hexenverfolgung in der Reichsstadt Esslingen. Esslingen/Sigmaringen 1992, S. 73.

[21] vgl. Gisela Vöhringer-Rubröder: Reichsstadt Esslingen. In: Sönke Lorenz (Hg.): Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe 1994, Aufsatzband. S. 350.

[22] Karl Paff: Die Hexenprozesse zu Eßlingen im 16. und 17. Jahrhundert. In: Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte (ZDtKG) Bd 1, 1856, S. 257 f.

[23] Paff, S. 259.

[24] Paff, S. 260.

[25] Paff, S. 260.

[26] Günter Jerouscheck: Esslingen - Hexenverfolgungen. In: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, (Hg.) Gudrun Gersmann, Katrin Moeller u. Jürgen-Michael Schmidt; historicum.net, URL: http://www.historicum.net/persistent/artikel/1616/. (13.07.2006)

[27] Pfaff, S.262.

[28] Pfaff, S. 264.

[29] Pfaff, S. 266.

[30] Pfaff, S. 265.

[31] Homayun Sidky,: Witchcraft, Lycanthropy, Drugs, and Disease: An Anthropological Study of the European Witch-Hunts, New York 1997; “Psychochemical Torture.”, S. 208-211.

[32]  Sidky, S. 208.

[33]  Sidky , S. 209.

[34] Sidkys Quelle: Charles Mackay: Extraordinary popular delusions and the madness of crowds. (1841) 1932 The Noonday Press, New York. S. 538; (wurde nicht eingesehen).

[35] H. C. Erik Midelfort: Witch Hunting in Southwestern Germany 1562-1684. Stanford University Press, 1972. S.91.

[36] Den Hinweis verdanke ich Erika Münster-Schröer und ihrem Beitrag: Erika Münster-Schröer, Hexenverfolgungen in Jülich-Berg und der Einfluss Johann Weyers. In: Speejahrbuch 7 (2000), S. 64f. Vgl. dazu auch: Dies.: (Bearb.) Zaubereianklagen in Ratingen und Umgegend. Eine Dokumentation. Ratingen 1991, S 21ff. – Bei Robin Briggs (Die Hexenmacher. Geschichte der Hexenverfolgung in Europa und der neuen Welt, Berlin 1998, S. 230), der diesen Fall ebenfalls, aber mit erfolgreichem Ausgang erwähnt, handelt es sich offenkundig um eine Verwechslung mit einem Fall aus Geldern (1550). Vgl. Hans de Waardt / Willem de Blécourt: De regels van het recht. Aantekeningen over de rol van het Gelderse Hof bij de procesvoering inzake toverij, 1543-1620. In: Bijdragen en Mededelingen. Arnhem 1989, S. 24-51.

[37] Persönliche Mitteilung von Gisela Wilbertz.

[38] Jerouscheck (1992), S. 102.

[39] Jerouscheck(1992), S. 103.

[40] Heinrich Kramer (Institoris): Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum. Herausgegebenen und eingeleitet von Günter Jerouscheck u. Wolfgang Behringer, München 2000, III/2,15- 15. Frage, S. 684.

[41] "Hexenhammer", III/2,16 – 16. Frage (Über das Verhör und Vorsichtsmaßnahmen der Richter), S. 686f.

[42] Joseph Hansen: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter. Bonn 1901, S. 593.

[43] Vgl. beispielsweise das Markgrafschaftliche Hofratsgutachten, Ansbach 1591; abgedruckt in: Wolfgang Behringer (Hg.): Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. (4. überarb. Aufl.), München 2000, S. 348-350.

[44]  Das gilt auch für die Beiziehung von Magiern und Wahrsagern. 1563 lässt Herzog Wilhelm von Cleve und Jülich einen Wahrsager, der eine vermeintliche Hexe ermittelt hatte, inhaftieren, während die Beschuldigte in Freiheit kommt. Vgl. Weyer: De Prestigiis, 6.Buch, Cap. XIII, P. 192v.f.

[45] Vgl. Jutta Nowosadtko: Berufsbild und Berufsauffassung der Hexenscharfrichter. In: Gunther Franz, Franz Irsigler (Hg.): Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung. Trier 1998, S. 201.

[46]  Zitiert nach Wolfgang Behringer (Hg.): Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. (4. überarb. Aufl). München 2000,  S. 212.

[47] Zitiert nach Wolfgang Behringer: Mit dem Feuer vom Leben zum Tod. Hexengesetzgebung in Bayern. München 1988, S. 107.

[48] Vgl. Horst Gebhard: Hexenprozesse im Kurfürstentum Mainz des 17. Jahrhunderts. Aschaffenburg 1989, S. 143.

[49] Vgl. Hermann Witekind: Theatrum de veneficis. Frankfurt 1586, S. 290; abgedruckt in: Behringer, Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, S.35f.

[50] Jacob Freiherr von Liechtenberg: „Hexen Büchlin. Das ist / Ware Entdeckung vnd erklärung aller fürnembster Artikel der Zauberey (...) durch Doctor Jacob Wecker an tag geben. (Colmar) 1575, S. 48.

Vgl dazu auch Johann Weyer: De Presigiis, 5.Buch, Kap.2, P. 130r.

Im Kapitel:„Wie in der Zaubereien hülffe / das volck von etlichen vngelehrten Pfarherrn / Pfaffen vnd München betrogen wirdt.“ Mit ironischem Unterton und unter der Randglosse: „Was in der Römischen Kirchen den Teuffel vertreibt.“: „das wasser das in der ersten rechtschaffene schöpffung / zum guten vnd nutz gesegnet ist gewesn / wirdt gesaltzen / beschworen / vnd gebannet / vnd ist dann der auffrechte Triakel / tranck / der einwendig genommen vnd außwendig besprengt wider alle macht vnd gewalt des Sathans krefftig ist / vmb seinem Gifft zu widderstehen vnd alle Zauberey zu vertilgen“.

[51] Der Kurkölnische Hexenkommissar Heinrich von Schultheiß, der in seiner „Instruction“ von 1634 ein besonders umfangreiches Arsenal psychologischer Druckmitteln verteidigt, lässt offen, wie er zum Weihwassertrank steht. Grundsätzlich hält er die Verwendung des Weihwassers weiterhin für vertretbar: Wenn „zum ersten mahl mit den Beinschrauben nichts außzurichten sey / so lasse er den Hexen auffziehen vnd mit Ruten geisselen / der Peiniger soll die Ruten mit Weywasser netzen oder darin legen / auch mit Weywasser vnd geweyhtem Saltz / das Haupt vnd die Füse vnd das gantzes Leib der Hexen vberstreichen. Es soll der Commissarius oder Richter Geweyhten Weyrauch / in dem gemach da die Peinliche frage gehalten werden / anzünden / vnd den gefangenen geweyten Agnußdey anhencken / vnnd alle Geistliche mittel gebrauchen lassen.“ Heinrich v. Schultheiß: Eine Außführliche Instruction, wie in Inquisition Sachen des grewlichen Lasters  der Zauberey .... zu procediren. Köln 1634, S. 305.

[52] Delrio, Übersetzung Nagel, S. 259 f.

[53] Delrio, Übersetzung Nagel, S. 262.

[54] „Das unterernährte Ich (wird) schwach, kann sich nicht mehr mit den notwendigen alltäglichen Verrichtungen abgeben und verliert jenes Interesse an den räumlichen und zeitlichen Beziehungen, die einem Organismus, dem daran liegt, in der Welt voranzukommen, so viel bedeuten.“ Aldous Huxley: Die Pforten der Wahrnehmung. Himmel und Hölle. Erfahrungen mit Drogen. München (11. Aufl.) 1981, S. 22.

[55] Delrio, Übersetzung Nagel, S. 259.

[56] zitiert nach Soldan-Heppe: Geschichte der Hexenprozesse. Berlin 1911 (3.Aufl.), Bd. 2, S. 46.

[57] Nikolaus von Beckmann: Idea juris statutarii et consuetudinarii Stiriaci et Austriaci cum jure Romano collati. Graz 1688.

[58] zitiert nach Soldan-Heppe: Geschichte der Hexenprozesse. Berlin 1911 (3.Aufl.), Bd. 2, S. 214.

[59] Hierüber zeigt sich Christian Thomasius noch 1719 verwundert: „ (...) daß nach der Reformation, sonderlich bey denen Lutheranern, und unter den Juristen, sonderlich bey denen Sächsischen ICtis, diese einmahl eingewurtzelte Meinung sich so veste gesetzet, daß man sich nicht verwundern muß, wenn dieselben auch bißhero der Wahrheit am längsten widersprochen“. (In der Vorrede zu Johann Webster: Untersuchung der vermeinten und sogenannten Hexereyen. Halle 1719.)

[60] Justus Oldekop: Contra Dn. Bened. Carpzovium tractatus duo. Bremen 1659; vor allem aber: Observationes practicae. Bremen 1654.

[61] Alosij Chartinii ( d.i. Johann Brunnemann): Discurs von trüglichen Kennzeichen der Zauverei, worinnen viel abergläubische Meinungen vernunfftmäßig untersuchet und verworffen; wie auch Carpzovii, Berlichii, und anderer, so woll päpstlicher, als protestantischer Jure Consultorem. Missliche und leichtgläubige Lehr-Sätze von der Zauberey erwogen und beleuchtet werden. Stargard 1708.

[62] Hier zitiert nach der Ausgabe 1714, S. 169f.: "Abstinendum ergo iudici ab omnibus remediis inquirendae veritatis, quae aliquam superstitionis & magiae speciem prae se ferunt, Oldekop. tit. 2. obs. 16. & tit. 4. obs. 15. & tit. 4. obs. 9. quo etiam juscula per carnificem praeparata referunt, quae prohiberi debebant carnificibus". Diesen Hinweis verdanke ich Robert Zagolla.

[63] Lutz Mackensen: Henkersmahl und Johannisminne. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germ. Abt. 1924, Bd.44, S. 319. Dort auch weitere Belege.

[64] Historia Von D. Johann Fausten / den weitbeschreyten Zauberer vnnd Schwartzkünstler (....). Frankfurt 1587. Kap. 68, (Neudr. Vaduz 1989), S. 219.

[65] Mackensen, S. 326.

[66] Mackensen, S. 326.

[67] Hans von Hentig: Vom Ursprung der Henkersmahlzeit. Tübingen 1958.

[68] Mackensen, S. 321.

[69] von Liechtenberg: Hexen Büchlin, S. 46.

[70] Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. und des Heiligen Römischen Reichs von 1532 (Carolina). Herausgegeben und erläutert von Friedrich-Christian Schroeder. Stuttgart 2000, S. 60.

[71] Bei den kurtrierischen Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts gehörte der Weinentzug zur Verschärfung des „tormentum vigilarum“, des bis auf 40 Stunden ausgedehnten Schlafentzuges, der zuweilen auch in Gasthäusern durchgeführt wurde. Dabei mussten die Angeklagten diese Zeit auf einem Fass sitzend verbringen, „auch die stub zimblich wahrm gemacht / auch nit viel wein außerhalben der e(r)labung nothen geben.“ Vgl. Walter Rummel: Bauern, Herren und Hexen. Studien zur Sozialgeschichte sponheimischer und kurtrierischer Hexenprozesse 1574-1664. Göttingen 1991, S. 99f.

[72] Bei den Esslinger Verfahren erhielten die an der Untersuchung Beteiligten für jedes Verhör eine Kanne Wein und einen Laib weißes Brot. Selbst der „aufwartende Knecht“ erhielt diese Menge noch wöchentlich. Vgl. Pfaff, S. 462.

Nach der kurmainzischen Ordnung für die Haftverpflegung „Zäuberischer Persohnen“ von 1612 stand den Inhaftierten täglich „ein Achtmaß wein“ (= ca. ¼ Liter) zu, nach dem Bekenntnis bis zur Hinrichtung täglich „ein halbmaß wein“ (= ca. 1 Liter). Vgl. Herbert Pohl: Hexenglaube und Hexenverfolgung im Kurfürstentum Mainz. Wiesbaden 1988, S. 324f.

[73] Mackensen, S.327.

[74] Im französischen Ami­ens wurde 1407 eine Verordnung erlassen, die untersagte, dass die Leichen­zü­ge an allen Straßenecken halt machten, um Johan­nistrunk zu nehmen. Der Brauch wurde mancherorts so extensiv betrieben, dass beispielsweise die westfälische Stadt Soest 1728 ein Verbot verhängte. Vgl. Elmar M. Lorey: Die Weinapotheke. Bern, Stuttgart 1997, S.131f.

[75] Erich Klingner: Luther und der deutsche Volksaberglaube. Berlin 1912, S. 130.

[76]  Jacob Thomasius: De Poculo S. Johannis, quod vulgo appellant S. Johannis=Trunck. Leipzig 1675 (up.), Blatt 41 r.

[77] Hanns Bächtold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin, Leipzig 1932, Bd. 4, Sp. 750f.

[78] "Hexenhammer" (wie Anm.40) III/2,15 – 15. Frage (u.a. zum Schweigezauber), S. 685.

[79] "Hexenhammer" (wie Anm.40) III/2,15 – 15. Frage (u.a. zum Schweigezauber), S. 678.

[80] "Hexenhammer" (wie Anm.40) III/2,15 – 15. Frage (u.a. zum Schweigezauber), S. 685.

[81] "Hexenhammer" (wie Anm.40) III/2,14, 15. Frage (recte 14.), (Über Täuschungsstrategien bei den Folterkandidaten), S. 676.

[82] Persönliche Mitteilung von Gisela Wilbertz.

[83] Vgl. Jutta Nowosadtko: Berufsbild und Berufsauffassung der Hexenscharfrichter, in: Gunther Franz, Franz Irsigler (Hg.): Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung. Trier 1998, S. 208f.

[84]  Vgl. Gisela Wilbertz: Scharfrichter und Abdecker im Hochstift Osnabrück. Untersuchungen zur Sozialgeschichte zweier „unehrlicher“ Berufe im nordwestdeutschen Raum vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. (Osnabrücker Geschichtsquellen und Forschungen 22) Osnabrück 1979, S. 170.

[85] Walter Rummel: Bauern, Herren und Hexen. Studien zur Sozialgeschichte sponheimischer und kurtrierischer Hexenprozesse 1574-1664. Göttingen 1991,S. 101.

[86] Vgl. Werner Danckert: Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe. Bern u. München 1963, S. 44. König Friedrich I. von Preußen (1657-1713) machte den Berliner Scharfrichter Coblenz zu seinem Hof- und Leibmedicus.

[87] Caspar Peucer: Commentarius de praecipuis divinatorum generibus. ed. pr. 1552.

[88] Vgl. Johann Weyer: De Praestigiis, 5.Buch, Kapitel 9, P.148v.ff. – Ebenso in De Lamiis, Kapitel 23.

[89] Johann Weyer: De Praestigiis, P. 50v. Vergleichbare Ratschläge finden sich auch in Robert Burton: Anatomie der Melancholie, Oxford 1621.

[90] Erwähnung findet dieses Mittel auch in den Ausführungen des Trierer Scharfrichters von 1494: „Recipe kole quinte, 1 firtel von eyn appel in der appoteken, solich uff eyn snyd brots geleet.“. Vgl. Hansen, Quellen, S.594.

[91] D. Jakobus Tabernaemontanus: Kräuter-Buch (Bauhin-Ausgabe). Basel 1731, S. 863.

[92] "Hexenhammer" S. 695.

[93] Unter den Maßnahmen „verstockte“ Hexen geständig zu machen, werden in einem Luzerner Turmbuch (Sammlung von Verhörprotokollen) aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs. neben Weihwasser und der Verlesung des Johannesevangeliums auch die Besprengung mit  Johanniskrautwasser  genannt. Diesen Hinweis verdanke ich Stefan Jaeggi, Staatsarchiv Luzern.

[94] Gaius Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Herausgegeben und übersetzt von Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler. München, Zürich 1983, Buch XXVII., S. 145.

[95] Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimes Archiv Loc. 9718 – George Evens Eheweib wegen beschuldigter Zauberei 1658 Ambtt Gommern. Diesen Hinweis verdanke ich Regina Röhner, die ausführlich aus diesen Akten zitiert in: dies.: Hexen müssen brennen. Geschichten vom Hexenwahn in Sachsen. Chemnitzer Verlag 2000, S. 143-159.

[96] Tabernaemontanus, S. 1251.

[97] Zitiert nach Heinrich Marzell: Zauberpflanzen und Hexentränke. Brauchtum und Aberglaube. Stuttgart 1963, S. 32.

[98] Hieronymus Bock in seinem „New Kreutterbuch“ (Straßburg 1539) zum antimagischen Gebrauch des Johanniskrautes: „Diß affenspil und ceremonien treiben nit die geringsten zu Pareiß (= Paris) in Frankreich“. Zitiert nach Marzell, S. 34. Auch Johann Weyer zählt die Verwendung der Johanniskräuter unter den abergläubischen Praktiken auf:  De Praestigiis, Ausgabe 1578, 5.Buch, 2. Kapitel, P. 130v.

[99] L. Christoph Hellwig: Auserlesenes Teutsch-Medicinisches Recept-Buch, Worinnen die heilsamsten und approbirtesten Artzeney-Mittel vor die meisten Kranckheiten der Mannes-Personen (...) betreffen. Frankfurt und Leipzig 1715, S. 7f.

[100] Johann Samuel Carln: Armen-Apotheck. Büdingen 1721, S. 18.

[101] Martin Montanus: Die deutschen Volksfeste, Volksbräuche und deutscher Volksglaube in Sagen, Märlein und Volksliedern. Ein Beitrag zur vaterländischen Sittengeschichte. Iserlohn 1858. S. 145.

[102] „Ein Trank aus Hartheu und Distelsamen gebraut (Olebanum) sollte alle Gewalt des Teufels in den Gefolterten vernichten.“ K. Ritter von Perger: Deutsche Pflanzensagen. Stuttgart und Oehringen 1864, S. 68.

[103] Plinius (wie Anm.94) Buch XX, S. 159.

[104] Vgl. Franz-Josef Kuhlen: Zur Geschichte der Schmerz-, Schlaf-, und Betäubungsmittel im Mittelalter und früher Neuzeit. Stuttgart 1983 (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Bd. 19), S. 221-236.

[105] Jo. Baptistae (della) Portae Neapolitani, Magiae Naturalis Libri Viginti. Ausgabe Frankfurt a. M. (A. Wechels Erben) 1591, S. 333-338. (ed. pr. dieser zweiten, wesentlich erweiterten Fassung: 1589)

[106] Friedrich Spee: Cautio Criminalis, S. 80.

[107] Gunther Franz: Hexensalbe – Was Sie schon immer über Herstellung und Gebrauch wissen wollten. In: Rita Voltmer, Günter Gehl (Hg.): Alltagsleben und Magie im Hexenprozess. Weimar 2003, S.57.

[108] Johann Weyer: De Prestigiis, S. 192f.

[109] Friedrich Spee: Cautio Criminalis, S. 84.

[110] Vgl. Rolf Schulte: Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein. 16.-18. Jahrhundert. Heide 2001, S. 58.

[111]  Rolf Schulte: Hexenverfolgung, S. 59.

[112] Lyndal Ropor: Ödipus und der Teufel. Körper und Psyche in der Frühen Neuzeit. Frankfurt a.M. 1995, S. 240.

[113] Johann Weyer: De Lamiis, Kap. 25, S. 70.

[114] Johann Weyer: De Praestigiis, P. 141r.

[115] Howard Brody, Daralyn Brody: Der Placebo-Effekt. Die Selbstheilungskräfte unseres Körpers. München 2002.

[116] Vgl. Tor D. Wagner et al.: Placebo-Induced Changes in fMRI in the Anticipation and Experience of Pain. In: Science 303, 2004, S. 1162-1167.

Druckversion dieses Textes: Nassauische Annalen, Jg.118, 2007, S.165-195


Stand: 07/2015
© 2006 Elmar M. Lorey

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