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AGREST* VERJUS* Informationsportal zu einem seit dem Mittelalter beliebten Würzmittel aus dem Weinberg * AGREST*

 

Das neue Buch über Verjus


Elmar M. Lorey

Lob der sauren Trauben
VERJUS - AGREST - AGRESTO
Das Gewürz aus dem Weinberg
in der Geschichte der Kochkunst


BoD Norderstedt
Juni 2017
544 Seiten

ISBN: 978-3-7431-8968-3
22,50 Euro

Zum Inhaltsverzeichnis
Mehr hier

 

 

 


Was man hier weiter unten findet:
+ Im ersten Teil geht es um die Geschichte dieses traditionsreichen Saftes, der seit Herbst 2007 nun auch in Deutschland eine Renaissance erfährt.
+ Im zweiten Teil - weiter unten - folgen
Hinweise zu Produzenten in Deutschland und Bezugsquellen international,
sowie zu Rezeptseiten im Internet / aber auch zu
behördliche Querelen bei der Wiedereinführung des Produktes . Mehr....

+ Und hier kommt man zu einer Seite mit historischen und zeitgenössischen Agrest- Rezepten, denen weitere folgen sollen. Mehr...
+ Den ältesten "
Erzeugnernachweis" kann man sich hier anschauen, eine Urkunde von 1225 - und sie stammt aus dem Rheingau. Mehr...
+ Über die eindrucksvolle Rolle des Agrest
in Gesundheitsratgebern des 15. und 16. Jahrhunderts kann man hier etwas erfahren. Mehr...
+ Eine Kurzliste der deutschen Produzenten nach Postleizahlen geordnet. Mehr...


Elmar M. Lorey
Agrest / Verjus

Zur Renaissance eines traditionsreichen Würzmittels
aus dem Weinberg
und seiner Geschichte

Dieser Text steht unter dem Schutz des Urheberrechtes

Eine unmögliche Frage?
Aus: Schachtafelen der Gesuntheyt, Straßburg 1533
Ob aus unreifen Weinbeeren etwas Vernünftiges, ja gar ein kulinarisches Produkt zu gewinnen sei, bei dieser Frage sah man sich noch vor einiger Zeit selbst vor einem gut gelaunten Publikum von Weinliebhabern und Kennern wohl Gesichtern gegenüber, die man auch dann nicht beschreiben würde, wenn man sie selbst gesehen hätte. Die Verlegenheit war vielleicht nicht ganz so abgrundtief, befanden sich darunter einige Franzosen aus dem Südwesten des Landes, aus dem Bordelais oder dem Périgord, oder einige dänische oder schwedische Gourmets oder einige italienische Anhänger der dortigen Slow-Food-Bewegung oder einige sehr gut ausgebildete deutsche Spitzenköche. Auf ihren Lippen formten sich nämlich unverzüglich die Worte "Verjus", "Agrest"oder "Agresto", verbunden mit vergnüglichen Erinnerungen an überraschende kulinarische Entdeckungen. Bei den dänischen oder schwedischen Gourmets waren die Erinnerungen vermutlich noch jung, bei den Franzosen reichen sie womöglich bis in ihre Kindheit zurück, während die italienischen Slow-Food-Anhänger sogleich freudig von einer Wiederentdeckung und - mit leisem Pathos in der Stimme – von der Rettung eines schützenswerten Traditionsgutes und vom Gebot der Nachhaltigkeit schwärmen würden.

Das hat sich hierzulande mittlerweile gewaltig geändert: Seit 2007 gibt es in Deutschland fast mehr als 50 Winzerbetriebe, die das "Würz- und Heilmittel aus dem Weinberg" wieder produzieren. Was jedoch bei der Wiederentdeckung meist noch fehlt, ist die lange vergessene Geschichte und das Wissen um das besondere kulinarische Potenzial dieses Saftes.

Was ist da passiert, dass ein ehemals so beliebtes Produkt aus dem Weinberg in solche Vergessenheit geriet? Einige Gründe werden wir im Zuge unseres kleinen Spaziergangs durch die Geschichte der Kochkunst finden. Weitere Hinweise findet man auf anderen Seiten dieses Portals, zu denen die oben angezeigten Links führen. Denn in der Tat handelt es sich hier um ein Traditionsgut, dessen älteste Spuren bis in römische Zeit zurückreichen, gar bis in biblische Zeiten. Auch hierzulande gehörte der Gebrauch von "unzeitigen Weinbeeren" selbst in Regionen, in denen nie Weinbau betrieben wurde, einst zum Alltag und hinterließ in der Tradition der Koch- und Arzneibücher nachhaltige Spuren. Erst seit gut einem Jahrhundert verschwand dieses hochgeschätzte Nebenprodukt des Weinbaus. Zuerst aus den Kochbüchern, dann aus den Apotheken und schließlich auch aus unserem Wortschatz. Dabei hatte das erste in deutscher Sprache gedruckte Kochbuch (um 1585) diesen Saft so schwärrmerisch umschrieben:

aus dem ersten gedruckten deutschen Kochbuch 1487
"Agrest der gar eine liebliche Säure hat"

Nun könnte einer an dieser Stelle schon einwerfen: Der Agrest ist nicht wirklich verschwunden. Im Gegenteil: Man kann ihn heutzutage problemlos in fast jeder größeren deutschen Stadt kaufen und nach Wunsch in der Küche damit experimentieren. Nur muss man das richtige Wort kennen.
Agrest aus Persien
Og-GurehUnd wir müssten darauf antworten: Ja, das trifft zu.
Die Einwanderer aus dem nahen Osten, aus Syrien, Persien, dem Iran und Georgien, in deren Küchen der Saft aus grünen Beeren schon immer eine große Rolle spielte, haben ihn längst wieder hier her gebracht. Und damit haben wir bereits einen ersten Faden in die Geschichte: Denn schon einmal, vor rund 1.000 Jahren, kam er vom Morgenland als Kulturimport nach Europa.
Im Arabischen heißt er hisrim, libanesisch housroum
, im Persischen abe Gureh und man findet den „Grünen Saft“ - der freilich eine ganz andere Farbe hat - auch hierzulande bei gut sortierten Händlern von orientalischen Lebensmitteln. In preiswerten 0,45l-Flaschen wird er aus dem Iran importiert, leicht gesalzen, so wie es auch die frühen deutschen Kochbücher des 16. Jahrhunderts überliefert haben.
Auch mancherorts in der Türkei gehört der „Koruk Suyu“, wie der Agrest dort genannt wird, ebenfalls noch zum Küchenstandard. In manchen Regionen Ostanatoliens ist er zum Beispiel Bestandteil des Rituales beim Polterabend. Zusammen mit Granatapfelsaft und Zucker wird ein besonderes Getränk, der „Koruk Serbeti“, aus dem alkoholfreien Saft bereitet. Auch gut sortierte türkische Lebensmittelgeschäfte importieren den „Koruk Suyu“ nach Deutschland.

Wir können hier erleben, was passiert, wenn ein Wort aus unsrem Wortschatz verschwindet. Mit dem Wort verschwindet zugleich auch die kulturelle Erinnerung. Doch im Unterschied zu ausgestorbenen Tieren haben es ausgestorbene Worte besser. Man kann sie wieder beleben, indem man sie wieder ausspricht. Dann kann das Wort gleichsam zum Schlüssel werden, zum „Passwort“, um die Tür zu verlorenem Wissen, das vor ein paar Generationen vielleicht noch jedermann vertraut war, wieder zu öffnen.
Und an dieser Tür wollen wir uns im Folgenden ein wenig zu schaffen machen....

Die Renaissance der "grünen Beeren"
Grüne Weinbeeren
Ohne Übertreibung kann man von einer Wiederentdeckung sprechen, seit ein paar Winzer im Périgord und Bordelais in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den "Verjus", den "grünen Saft", wie er dort genannt wird, wieder in nennenswerten Mengen herstellen. Und zugleich greifen sie eine Tradition der ehemaligen holländischen Weinhändler auf: Sie treiben - neben ihrem Wein – auch wieder damit Handel und exportieren diese kulinarische Spezialität mittlerweile nach Nordeuropa, Japan, USA, Kanada und Australien. Nicht allein die gehobene französische Gastronomie hat die traditionsreiche Würze wieder adoptiert. Das Aroma frisch gepresster Früchte, der Geschmack von frischen Trauben, der nur geringe Zuckeranteil und die spezifische Säuremischung machen das Produkt zu einer Zutat erster Wahl. Das Interesse der besten Köche ist geweckt, weil der eigenständige und ausgewogene Charakter dieser natürlichen Würze perfekt den Anforderungen der großen Küchenchefs entspricht, die diesen Saft ebenso im traditionellen Sinn als Saucenfond verwenden, wie als Würzmittel und Alternative zum Essig. Im letzteren Fall bildet der Beerensaft die Basis für leichte Salatsaucen und Vorgerichte, weil seine Säurestruktur den Gaumen weniger angreift als Essig und damit den Genus großer nuancenreicher Weine nicht beeinträchtigt. Und darüber sind vor allem die Weinliebhaber begeistert.
In die modernen Küche, die immer auf der Suche nach stabilen Geschmacksnuancen und nach Leichtigkeit ist, eröffnet sich dem "grünen Saft" wegen seiner Finesse und seiner breiten Palette säuerlicher Anteile, aber auch wegen seiner diätetischen Qualitäten wieder eine Zukunft. Historische Rezepte, die den Ruf der regionalen Küche stärken, finden bei den Genießern ebenso breiten Anklang wie die neuen Kreationen erfindungsreicher Küchenchefs.

1787 Hahnemann
So qualifizierte Samuel Hahnemann, der Vater der Homöopathie, 1787 das entscheidende und besondere Potenzial dieses Saftes. Denn wer in Agrest / Verjus nur eine Art „Ersatz“ für Essig und Zitrone vermutet - wie heutzutage nunmehr häufig zu lesen ist - der würde das Würzmittel gewaltig unterschätzen. Wenn der grüne Saft bei Salaten und Vorgerichten seine delikate Säure entfaltet, so ist das erst nur der Anfang und der erste Schritt seiner Wiederentdeckung.
Das besondere Potenzial von Agrest/Verjus liegt vor allem nämlich im hohen Anteil an natürlicher Weinsäure. Und ihr Einsatz ist überall dort sinnvoll, wo Kochrezepte beispielsweise zu Wein raten. Bei dem Würzmittel Wein geht es ja nicht um den Alkohol, sondern um die natürliche geschmacksverstärkende Wirkung der Weinsäure. Beim Kochen wird dabei in der Regel natürliche Glutaminsäure frei, die ihrerseits wiederum in der Lage ist, Proteine in kleinere Bruchstücke zu zerlegen, was wiederum für den Geschmack und das "Mundgefühl" ("Mouth-feeling") eines Gerichtes mitverantwortlich ist. Es ist also die Weinsäure, die eine deutliche Geschmacksverstärkung bewirkt, eben eine "Erhöhung des Geschmacks" wie Hahnemann bereits 1787 das formuliert hatte. Gegenüber dem Wein freilich enthält Agrest/Verjus ein Mehrfaches an Weinsäure (statt durchschnittlich 6 bis10 g/l in der Regel 26 bis 32 g/l). Dieses Würzmittel ist damit nicht nur "sparsamer", sondern auch "wirksamer" als Wein. Hier liegt der eigentliche Grund dafür, warum wir diese "Würze" in der frühen Rezeptliteratur vom 15. bis zum 18. Jahrhunderten so häufig in Zubereitungsanweisungen finden, und zwar von Suppen, Gemüsen über Fleisch- und Fischgerichte bis hin zu den süßen Nachspeisen. Es gilt nun auch das Wissen und das breite Anwendungsspektrum in der Küche wieder zu entdecken, das bis vor zweihundert Jahren zur Routine der Köche gehörte.

Als natürliche Säure ist Weinsäure in den meisten Früchten vorhanden, vor allem aber in unreifen Trauben. Erst 1769 wurde das Geheimnis ihrer chemischen Zusammensetzung gelüftet (Scheele), ihre breite Anwendung liegt heute aber in der Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff. Die in diesem Bereich als E 334 bezeichnete L-Weinsäure findet sich nicht nur natürlich in vielen Lebensmitteln, sondern wird aufgrund ihrer geschmacklichen und konservierenden Eigenschaften auch vielen Lebensmittel-Mischprodukten zugesetzt. Etwa bei der Bereitung von Speiseeis, Kunsthonig, Obst, Limonaden und Erfrischungsgetränken, Backpulver, Brausepulver, Gelee, Weingummis und Konditorwaren, und bei der Säuerung säurearmer Weine wird sie verwendet.
Auch wenn uns hoffentlich in baldiger Zukunft die Küchenphysiker und Lebensmittelchemiker (Bitte an die Arbeit, Herr Professor Vilgis.) die besonderen Wirkungen der im Agrest/Verjus enthaltenen Weinsäure näher erläutern werden, kann jeder bereits erste Selbstversuche in der Küche dazu unternehmen.
Hier dazu einige Anregungen. Mehr.
Und was manchmal auch von Bedeutung ist: Wer mit Wein kocht, kann nicht auf jeden Fall davon ausgehen, dass das Gericht „alkoholfrei“ ist. Denn im Gegensatz zur gängigen Vorstellung "verkocht" der Alkohol des Weines nie vollständig. Auch aus diesem Grunde schätzt man in der Küche der arabischen Welt den absolut alkoholfreien Saft der grünen Beeren. Denn Weinsäure und Tartrate können von allen religiösen Gruppen sowie von Veganern und Vegetariern konsumiert werden.

Die handwerkliche Wiederentdeckung der Winzer
Von der Wiederentdeckung profitieren aufgeweckte Winzer. Ihnen bietet sich die Chance einer Diversifizierung und Verbreiterung ihres Angebotes. Die drei Brüder
Landat beispielsweise, die gemeinsam die 25 Hektar große „Domaine du Siorac“ im Périgord bewirtschaften, produzieren mittlerweile jährlich wieder 250 Hektoliter "Verjus", was immerhin 15 % des gesamten Produktionsvolumens ihres Weingutes entspricht. Um der Absatzkrise bei den Weißweinen etwas entgegenzusetzen, machten sie 1986 dort wieder die ersten Experimente mit jenem Saft, der den Landat-Brüdern noch aus ihrer Kindheit vertraut war. Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man im Périgord an der Tradition festgehalten, mit dem Saft unreifer Weinbeeren die Fleisch-, Wild-, Fisch- und Pilzgerichte zu verfeinern oder um Marinaden zuzubereiten. "Das schwierigste war, eine geeignete Konservierungsmethode zu finden", sagt Jean-Paul Landat. "Aber außer der Pasteurisierung bedarf es keiner weiteren Hilfsmittel. Nur die Kühlkapazitäten haben wir erhöht."
Sein Endprodukt ist ein Verschnitt aus dem Saft von Sémillon- und bisweilen auch Merlot-Trauben, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten - vor der Reife und während der Zeit der Laubarbeiten - per Hand gelesen werden. Schließlich werden am Ende der Erntezeit, gewissermaßen als Nachlese, auch die "Geize" eingesammelt, die nach Meinung mancher Liebhaber die besten sind. Neben dem sanft säuerlichen und leicht herben Aroma bereichert ihr - wenn auch geringer - Zuckeranteil beim Ablöschen (deglacieren) den Bratenfond um eine karamellisierende Note.

Aber auch einige italienische Winzer um die Stadt Udine, Weinbaubetriebe im schweizer Wallis oder auch der noch junge, aber traditionsverbundene Wiener Essigbrauer
Erwin M. Gegenbauer jun., der neben seiner umfangreichen Auswahl feiner Essige immer wieder - wenn auch kleine - Agrest-Produktionen österreichischer Winzer anbietet, sie alle sind längst davon überzeugt, dass es für den Saft aus "unzeitigen" Trauben einen Markt gibt. Statt grüne Trauben sinnlos unter den Weinstöcken verkümmern zu lassen, wo sie unter Umständen die Böden versauern, werden sie Anlass für kulinarische Ausflüge in die Küche der Renaissance, des Barock oder zu den neuen Kreationen einer modernen leichten Küche.

Ein erfolgreicher Auswanderer
Auch die Winzer am anderen Ende der Erdkugel haben sich dieser traditionsreichen Küchenwürze aus dem alten Europa längst schon angenommen und man findet mittlerweile Produzenten in Australien, Neuseeland und Südafrika, die diesen Saft aus grünen Trauben für die Gourmets wiederentdeckt haben. Die renommierte Küchenkennerin
Maggie Beer, deren Kochbücher und TV-Sendungen in ganz Australien geschätzt werden, bietet im Süden Australiens, auf ihrer Barossa-Farm in Tanunda, seit 1993 nicht nur ihre eigene Produktion aus unterschiedlichen Traubensorten an, sondern läd auch regelmäßig zu Verkostungen des "Verjuice", wie der Agrest in Anlehnung an den französischen "Verjus" nun überall in der englischsprachigen Welt genannt wird. Ihre beiden Bücher über die Toskanische Küche sind längst auch in Deutschland erschienen und sie macht gar keinen Hehl daraus, dass sie sich bereitwillig alter europäischer Traditionen bedient, um daraus Neues zu entwickeln. Am Ende ihrer eigenen Rezeptsammlung "Cooking with Verjuice" (2001) merkt sie augenzwinkernd an: "Sie werden sich fragen, wie Sie bisher ohne diese kulinarische Würze aus dem Weinberg auskommen konnten."
(Hier gibt sie eine kleine Einführung.
Video)

Und weil die kantonale AOC-Vorschrift es so will, dass die Winzer im Wallis eine strickte Mengenbegrenzung beachten müssen, hat
Diego Mathier, Geschäftsführer des Weingutes "Nouveau Salquenen" in Salgesch (bei Sion) bereits im Jahre 2005 aus seiner "grünen Lese" erstmals wieder "Grünsaft" hergestellt, wie man den Agrest im vielsprachigen Wallis auch nennt. Mathier zielt mit seinem Produkt vor allem auf die Spitzengastronomie und auf anspruchsvolle Hobbyköche. Es ist ihm gelungen, seine Kunden auf den Zusammenhang zwischen Qualitätssicherung im Weinbau und der Nutzung des überschüssigen Traubengutes aufmerksam zu machen. Mittlerweile, so sagt er, "beliefern wir 50 Gault-Millau-Küchen in der ganzen Schweiz. Ich bin überzeugt, dass wir mit dem neuen Produkt voll im Trend liegen." Begonnen hat er mit 10 Hektoliter. Schon im folgenden Jahr stieg die Produktion auf das Dreifache, weil COOP und der Nahrungsmittelvertrieb Hugo Dubno jeweils gleich 1000 Liter bestellten.

Vom Reiz der Geize
Geize der Burgunder-Traube
Eine besondere Gelegenheit, sich mit diesem Thema zu befassen, bot nicht zuletzt das bemerkenswerte Weinjahr 2006 mit seiner warmen Witterung, die vor allem im Monat Juli in den Weinbergen so viele Weinblüten ("Gescheine") der zweiten, ja sogar der dritten Generation hervorbrachte, dass "saure Trauben" ("Geize") in solchen Mengen zu finden waren wie selten in einem Jahr zuvor. Für die Weinbereitung sind sie unbrauchbar und der Winzer straft sie gewöhnlich mit Missachtung wenn seine Weinbergsarbeiter sie nicht gar schon frühzeitig ausgeschnitten und achtlos unter den Reben verstreut haben. Wenn dies nicht geschehen ist, so gelingt es glücklicherweise auch dem rabiatesten Vollernter nicht, sie vom Stock zu schütteln. Früher profitierten davon die Nachbarn, wenn sie nach Ende der Lesezeit durch die nunmehr wieder offenen Weinberge streiften, um die verbliebenen Beeren als Grundstock eines beliebten Gewürzes einzusammeln. Diese Praxis, so scheint es, ist gar schon im Alten Testament belegt, Vers 19,10 im dritten Buch Moses ist gar nicht anders zu verstehen: "Und in deinem Weinberg sollst du nicht nachlesen, und die abgefallenen Beeren deines Weinbergs sollst du nicht auflesen; für den Elenden und für den Fremden sollst du sie lassen." Denn dass der Gebrauch unreifer Beeren vom Genuss keineswegs ausgeschlossen war, belegt 4.Mose 6,4: "Solange sein Gelübde währt, soll er nichts essen, was man vom Weinstock nimmt, von den unreifen bis zu den überreifen Trauben."

Im Gegensatz zur meist länglich, oval geformten Traube versammeln sich die Beeren dieser Zweitgescheine in einer runden kugeligen Form am Ende eines gewundenen Stils, der einige Handspannen oberhalb der ersten Gescheine ansitzt. Die Beeren bleiben zumeist hart und fest, erreichten aber im warmen Juli 2006 dennoch erstaunliche Zuckergehalte. Das macht sie in den Augen des Winzers allerdings auch zu gefährlichen Schmarotzern, die er zum Teufel wünscht. Die gleiche Missachtung trifft im Übrigen auch jene Trauben der ersten Generation, die im Zuge der „grünen Lese“ schon früh vom Stock genommen werden, um die Qualität der Verbleibenden zu verbessern. Auch sie landen meist achtlos unter dem Stock und tragen je nach der geologischen Beschaffenheit der Böden zur ihrer Versauerung bei.
Diesen Trauben aber, die dem sprichwörtlichen Fuchs – freilich nur aus betrügerischer Absicht - zu sauer sein sollen, wurde über Jahrhunderte höchste Wertschätzung entgegengebracht. Sie bildeten die Grundlage eines traditionsreichen Saftes, mit dem sich manch begüterter Liebhaber gleich fassweise bevorratete und der in Küche und Krankenpflege einen besonders hervorgehobenen Platz einnahm: Der Agrest.

Ein vergessenes Wort
Wenden wir uns einen Augenblick diesem Begriff zu, der heutzutage ganz aus unserem Sprachgebrauch verschwunden zu sein scheint. In einer der ältesten deutschen Quellen, einer Handschrift, die etwa um 1350 entstand, lautet der Name Agraz, wenig später stabilisierte es sich zu Agrest. Der Begriff stammt aus dem italienischen „agresto“, so deutet jedenfalls das Grimm’sche Wörterbuch, was wiederum auf die lateinische Wurzel agrestis, für wild wachsend zurückweist. Aber die Deutschen, so scheint es, hadern ein wenig mit diesem raukehligen Wort, das doch eine so angenehme Sache bezeichnen wollte. Doch dann bürgert es sich ein und wir finden Varianten wie Agressz bei Brunnfels (1532), Agreßsafft beim Übersetzer des Tacuinum Sanitatis (1533), Philippine Welser (1540) schreibt Agerest, der Mainzer Mundkoch Marx Rumpolt (1581) diktiert seinem Schreiber Agrastwasser in die Feder und im ersten in Österreich gedruckten „Grazer Kochbuch“ von 1668 finden wir die Variante Agriß.

Die renommierte Kennerin der deutschen Kochbuchliteratur, Trude Ehlert, sieht die Wurzel im provenzalischen agras, was wiederum dem Katalanischen entspricht, wo die Tradition dieser Würze wohl noch weiter zurückreicht und heute unter dem Begriff el agraz wieder gebräuchlich ist. Die Franzosen schaffen schon früh ihre eigene Version. Sie nennen ihn ver-jus, (von jus vert ) den grünen Saft, wie in einer der Handschriftvarianten des „Taillevent“ (zwischen 1373 und 1392) bezeugt ist. Dieses frühe kulinarische Kompendium wird dem Hauptkoch des französischen Königs Karl V. (1364-1380) zugeschrieben und bestimmte über mehrere Jahrhunderte hinweg die französische Kochbuchliteratur. Noch früher findet sich der Verjus in der Handschrift eines „Viandier“ der Bibliothèque Cantonale von Sion im Wallis belegt. Seine Entstehung datiert man jedoch schon in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts und so muss es als Vorläufer des „Viandier“ (= Lebensmittel) gelten, das eben jenem Guillaume Tirel, also dem königlichen Koch Taillevent zugeschrieben wird. Unter den dort aufgeführten 153 Rezepten erscheint der Verjus allein 49 mal als das entscheidende Würzmittel. In der ältesten deutschen Quelle ist der Begriff agraz jedoch schon um 1200 belegt. Dass der älteste "
deutsche Erzeugernachweis" aus dem Jahre 1225 stammt und den Gebrauch der "unreifen Weinbeeren" und wohl auch des Saftes als Heilmittel im Hospital des Rheingauer Zisterzienserklosters Eberbach belegt, sei hier nur am Rande vermerkt.
Hier findet man mehr dazu...

Agrest: multifunktional
Der Begriff Agrest hält sich im deutschen Sprachraum zwar bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Doch schon im 16. Jahrhundert taucht unter dem europaweiten Einfluss der französischen Hofkultur auch der Verjus in der deutschen Kochbuchliteratur auf. Daneben sprechen die Autoren jedoch meist vom „Saft aus unzeitigen Beeren“ oder einfach von „grünen Winbeeren“, und sie machen damit zugleich auch die Vielgestaltigkeit dieser Zutat kenntlich. Denn wie hinter dem französischen Verjus verbirgt sich hier mehr als nur der ausgepresste Saft. Bei vielen Gerichten – so sagen die Zubereitungsvorschriften - wird er erst gar nicht ausgepresst, sondern die unverletzten (oder auch die in Salzlake konservierten) Beeren werden zur Würzung direkt dem Gericht beigefügt, weshalb die Winzer im Périgord neben dem Saft auch wieder die darin konservierte Beeren im Glas anbieten.

Und noch etwas kann sich hinter Verjus und Agrest verbergen: ein „Ersatzmittel“. Über die Jahrhunderte sind die mühsamen Versuche zu verfolgen, diese Beeren, die jahreszeitlich nur begrenzt zu haben sind, zu konservieren und auf unterschiedlichsten Wegen haltbar zu machen, damit ein Koch sie auch stets zur Hand haben konnte. Wo man jedoch nicht zu befriedigenden und verlässlichen Lösungen fand, suchte man nach einem Ersatz, gewissermaßen nach jahreszeitlich möglichen Varianten, die beispielsweise aus dem Saft bestimmter Äpfel, aus Beerenobst oder aus Kräutern zubereitet wurden. Wir werden dabei den interessantesten Variationen begegnen, die den Ruf des originalen Weinbeerensaftes keineswegs schmälern müssen, auch wenn mit Agrest immer und zuerst dieser Saft der Trauben gemeint war.
Anzumerken bleibt noch, dass das englische vious oder verjons, das sich vom französischen verjus ableitete, ebenfalls nicht lange Bestand hatte. Meist waren es die holländischen Weinhändler, die diese begehrte Würze von Frankreich nach England brachten und sie hatten zumeist auf dem Wort „Agresta“ oder "Veryus" bestanden. Heute ist im englischsprachigen Raum nur mehr vom Verjuice die Rede.

Zurück in der Geschichte – von der Apotheke in die Küche
Agrest, also der Saft aus "unzeitigen" Weinbeeren, gehörte einstmals zu den Säulen der mittelalterlichen Küche. Doch bevor man seine Spuren in den Kochbüchern bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts verfolgen kann, spielt er seine Hauptrolle in den Medizin- und Arzneibüchern. Unter diätetischen Gesichtspunkten war er wegen seiner appetitanregenden und magenstärkenden Eigenschaften geschätzt. Neben dem Essig diente dieses „Nebenprodukt“ aus dem Weinberg seit der Antike als Heilmittel. Unter seinem aus dem Griechischen stammenden Begriff „Omphakion“ beschreibt Plinius (23 – 79 n. Chr.) das Heilmittel im 12. Buch (Kap.60) seiner „Naturgeschichte“ und erläutert, dass er „aus zwei Stoffen und auf zwei Arten bereitet wird “, nämlich aus dem Öl unreifer, noch weißer Oliven und/oder aus dem Saft unreifer Weinbeeren. Im folgenden 13. Buch (Kap.2) teilt er noch ergänzend mit, dass dieser Saft bereits in der altägyptischen Medizin zur Herstellung der Salbe Mendesium und der sogenannten Rosensalbe verwendet wurde. Leider schweigt er sich über die Verwendung in der Küche aus. Angesichts der dürftigen Quellenlage historischer kulinarischer Schriften aus römischer Zeit lässt das sich nur schwerlich behaupten. Auch im Kochbuch des Apicius (um 25 v. Chr.; † vor 42 ) finden sich dafür keine Belege.

Nach dem Niedergang der römischen Kultur und den Wirren der Völkerwanderung schien dieses medizinische Wissen und seine praktische Anwendung verloren. Erst im 8. und 9. Jahrhundert sind es die arabischen Ärzten und Philosophen, die es wieder entdecken und weiter entfalten. Über ihre Schriften gelangt es dann ab dem 10./11. Jahrhundert von dort auch wieder nach Europa. Aber dieses Wissen war hier nicht vollständig in Vergessenheit geraten. Über einen eher dünnen Überlieferungsstrang waren zumindest Teile dieses alten Wissens bei den benediktinischen Mönchen und in den Zeugnissen der frühen Klostermedizin erhalten geblieben. Die Mönche hatten sich mehr oder weniger erfolgreich der Vertreibung des „heidischen“ Wissens durch die amtskirchliche Obrigkeit widersetzt und „verbotene“ Bücher aufbewahrt.

Und so muss es uns nicht verwundern, dass wir auch hier noch auf frühe Zeugnisse - zumindest für die medizinische Bedeutung - unseres Saftes aus grünen Weinbeeren stoßen. Einen der ältesten Belege für die Nützlichkeit des sauren Traubensaftes hat uns der so genannte Lorscher Arzneibuch um 795
„Bamberger Codex“ aufbewahrt: Eine Handschrift, die um 795 von den Mönchen im Kloster Lorsch begonnen wurde und die vermutlich um das Jahr 1000 in die Hände Kaiser Otto III. gelangte. Dieser Kodex aus dem 8. Jahrhundert gilt als das älteste deutsche Arzneibuch, mit dem sich das frühmittelalterliche Gesundheitswesen begründet. Die Autoren und Kompilatoren hatten sich nämlich darin der Mühe unterzogen, den Bestand der antiken mediterranen Heilpflanzenauswahl an die Gegebenheiten nördlich der Alpen anzupassen.

Unter den rund 560 Rezepturen, die zur Behandlung unterschiedlichster Krankheiten aufgeführt werden, finden wir die unreifen Weinbeeren in einer Liste von einfachen Arzneimitteln, die gewissermaßen als Grundausstattung für jede Klosterapotheke empfohlen wurden. Entsprechend der hippokratisch-galenischen Überlieferung wird das Heilmittel hier auch noch
„Umfacio“ genannt und der Text fügt - in einem etwas eigenwilligem Latein - erläuternd hinzu:
„id est musto de uvas agrestes“
(= das ist der Saft aus unreifen Weinbeeren).

Quelle:
Bamberg, Staatsbibl., Msc. Med. 1

Neben der Sammlung unterschiedlicher Heilmittel und ihrer Zubereitung enthält das „Lorscher Arzneibuch“ noch weitere medizinische Traktate, darunter die „epistola de observatione ciborum ad Theodoricum Regem“ aus dem 6. Jahrhundert. Nach der Überlieferung handelt es sich dabei um ein Sendschreiben des griechischen Arztes Anthimus (511-534), in dem er dem Gotenkönig Theoderich (+526) eine Reihe guter Ratschläge für die Gesundheit erteilt und den rechten Gebrauch aller Speisen erläutert. Am Ende des Textes geht es um Verdauungsprobleme und der Arzt empfiehlt dem Herrscher zu Behandlung von Magenschmerzen - „ad dolorem stomachi“ - gewissermaßen als letztes Mittel: Umfatium.

Lorscher-Arzneibuch um 795

Umfatium de ouva cruda fit dulcis
(Der Saft von unreifen Trauben mildert [das Magenbrennen])
Quelle: wie oben
Damit liefert uns der „Bamberger Codex“ die besonders kostbare Pointe:
Auf der allerletzten seiner 150 Pergamentseiten und dann auch noch mit der allerletzten Textzeile hält er die Erinnerung an unser Heilmittel wach.

Die Klosterärzte sind erfindungsfreudig und mit dem Wissen, das ihnen ab dem 11. Jahrhundert aus den arabischen Traktaten zuwächst, weitet sich das Spektrum der Indikationen allmählich immer weiter aus. Man nutzt den Saft als schmerzstillendes Mittel, zur Wundbehandlung und Desinfektion, zur Behandlung von Halsentzündung, bei Blutauswurf, für Fieberpflaster und zur Herstellung der kühlenden Granatapfelsalbe. Später kommen Augenleiden und gar die Epilepsie dazu. Zusammen mit Honig oder Zucker aufgekocht, entsteht spätestens ab dem 13. Jahrhundert der Syrupus de agresta, der bald in den Apotheken zum Standard gehört und vor allem in den Pestzeiten eine bedeutende therapeutische Rolle spielt.

Aber auch für die Zubereitung einer besonderen Krankendiät entdeckt man den Saft aus den grünen Trauben als sanftes, vor allem bekömmlicheres Gewürz als Essig oder andere saure Säfte, denen ähnliche Wirkung zugeschrieben wurde. Noch am Beginn des 18. Jahrhunderts nannten die Mönche des Klosters Trévroux, im französischen Departement Ain, diesen Weinbeerensaft gerade mit Blick auf die Krankenpflege stolz den "Grand Cuisinier", den "Großen Küchenmeister", der in den Häusern der Reichen wie der Armen gleichermaßen in Gebrauch war. Dass er nach und nach bis auf wenige Rückzugsgebiete verschwand, hat nicht zuletzt auch mit medizinischen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu tun, die unsere Ernährungsgewohnheiten und geschmacklichen Vorlieben mit der Zeit nachhaltig verändert haben.

Etwas Küchen-Archäologie
Ernte der grünen Beeren.  Aus: Tacuinum Sanitatis  um 1390
Wir werden also im Folgenden etwas Küchen-Archäologie betreiben. Notwendig ist dies nicht nur weil der Begriff aus unseren Wörterbüchern und Lexika verschwunden ist, sondern bis vor kurzer Zeit auch die Sache selbst. Da aber seit dem Sommer 2007 wieder die Chance besteht, nun auch bei deutschen Winzern den Agrest zu verkosten, verlohnt dieser Blick in die Geschichte erstrecht. Denn was den Produktnamen "Verjus" betrifft, verstecken sich die neuen Produzenten - wie es scheint - noch hinter den erfolgreichen Wiederbelebungsversuchen ihrer französischen Winzerkollegen. Das ist verständlich, denn diese waren es, die den traditionsreichen französischen Begriff mit Hinweis auf seine lange Geschichte als regionaltypisches Produkt wieder erfolgreich etabliert haben. Die Geschichte des hierzulande gebräuchlichen Namens "Agrest" reicht jedoch mindest ebenso weit zurück, nur ist sie schon lange nicht mehr erzählt worden. Selbst der unbestritten wichtigste Historiker des deutschen Weinbaus, Friedrich von Bassermann-Jordan, dessen zweibändige "Geschichte des Weinbaus" von 1923 allein wegen ihrer schieren Wissensfülle und Quellenkenntnis noch heute beeindruckt, wusste mit dem Begriff nichts rechtes mehr anzufangen. Er versah die älteste bildliche Darstellung einer Agrest-Ernte, wie sie auf Folio 85 einer lateinischen Bilderhandschrift um 1390 abgebildet und mit der Überschrift "Agrestum" betitelt ist, mit der leider irreführenden Legende: "Zerquetschen der Trauben, wohl der besonders reifen." (.Bd.I, S. 277)

Machen wir uns also auf zu einem kleinen Spaziergang durch die Geschichte der europäische Kochkunst und des Weinbaus, um die Spur des Agrestes zurückzuverfolgen und auch die alten Schätze der deutschen Küchentradition wieder zu heben. Dass dabei
Rezepte und Kochanweisungen nicht zu kurz kommen sollen, ist fest versprochen. Und wenn wir dabei immer wieder auf kurzen Wegen zwischen Apotheke, Küche und Keller hin- und herwechseln werden, wird auch das sich sehr bald aufklären.

Das Saure als Überlebensmittel
Um unser zart säuerliches Produkt richtig zu verorten, werfen wir zumindest einen kurzen Blick auf seine kulinarische Frühgeschichte: Das Säuerliche und das Herbe gehört sicherlich zu den ältesten Geschmackserfahrungen des frühen Homo sapiens sapiens. Seine Ernährung bestand neben dem erjagten Wild vor allem aus Wurzeln, Körnern und Pflanzen und war vermutlich ziemlich sauer. Es genügte, dass ein Gemüse zu jung, einige Körner zu schwach gekocht oder eine Speise zu schlecht gekühlt war, um eine Milchgärung in Gang zu setzen. Solche Speisen wurden jedoch über längere Zeit aufbewahrt und weiter gegessen und selten weggeschüttet. Die Menschen machten die Erfahrung, dass das Säuerliche konservierte. Noch heute hat sich eine „saure Küche“ (Sauerkraut, eingemachtes Essiggemüse, saure Suppen) etwa in Osteuropa, Polen und Russland erhalten und spielte bei der Resteverwertung zum Beispiel auch hierzulande eine wichtige Rolle.

Das Bittere hingegen hatte Signalcharakter, war Warnung und deutete auf die Gefahr von Giften hin, bis auch hier die Erfahrung lehrte, dass bestimmte Bitterstoffe als Verdauungshilfe und zur Magenstärkung nützlich sein konnten. Erst bei genügend Wärme vermochten die Pflanzen auch Zucker zu bilden. Das Süße und Milde setzte das günstigere Klima voraus. Dennoch blieb mit dem Säuerlichen und Herben, etwa in Obst und Beeren, immer die Assoziation von Frische verbunden. Wenn die Menschen eine nicht nur kulturell erlernte, sondern - wie alle Säugetiere - auch physiologisch bedingte Affinität zum Süßen und Milden entwickelt haben und sich die geschmacklichen Vorlieben über die Jahrhunderte auch immer stärker in diese Richtung verschieben, so ist doch die ursprüngliche Geschmackserfahrung des Säuerlichen tief verwurzelt. Bis heute gilt eine typische Kombination von säuerlicher Würze und frischen Pflanzen nahezu als Inbegriff für die gelungene Eröffnung einer Speisefolge:
der Salat.
Auch wenn die Neigung zum Sauren zu schwinden scheint, so spielt die Säuerung, etwa durch kontrollierte Gärung, bei den westlichen Essgewohnheiten noch immer eine große Rolle. Die Geheimnisse dieser Umwandlungsprozesse, wie sie etwa bei Wein, Essig, Sauerteigbrot und Bier stattfinden, wurden jedoch erst im 19. Jahrhundert durch Louis Pasteur gelüftet. Zuvor waren sie nur durch Beobachtung und Erfahrung beherrschbar. Deshalb griffen die Menschen im Alltag zu jenen wenig riskanten Säuerungsmitteln, die ihnen aus ihren landwirtschaftlichen Kulturen vertraut waren: dem Saft bestimmter Äpfel und Beeren, zu säuerlichen Kräutern und vor allem zum Saft unreifer Trauben.

Die frühen deutschen Quellen
Cod. Pal. germ 339 der Universität Heidelberg
In kleiniu goltvaz man nam, als ieslîcher spîse zam,
salssen, pfeffer,
agraz. dâ het der kiusche und der vrâ
zalle gelîche genuoc
. (Originaltext)

"In kleine goldene Schüsseln tat man,
wie es zu jeder Speise geziemte,
Salzbrühen, Pfefferbrühe und
Agrest.
Da hatten sowohl der Bescheidene als auch
der Vielfraß alle gleich reichlich."

Mit diesen Versen - hier aus einer Handschrift, die über 200 Jahre später (um 1443-1446) entstand (Cod. Pal. germ 339 der Universität Heidelberg) - beginnt Wolfram von Eschenbach im fünften Buch seines „Parzival“ mit der Beschreibung eines festlichen Mahles an der Tafel des Gralskönigs Anfortas. Damit ist unser frühester Zeuge deutscher Zunge für den Weinbeerensaft kein Koch, sondern ein Dichter. Noch vor den gesüßten und gewürzten Weinen trug man auf der Gralsburg also die Gewürzsaucen auf, eine salzige, eine mit Pfeffer gewürzte Sauce und eben den Agrest. Auch wenn diese Kombination den skeptischen Betrachter von heute auf den ersten Blick an die Nachkriegsküche in der Mitte des 20. Jahrhunderts erinnern mag, wo als einsame Gewürze Salz und Pfeffer auf dem Tisch standen, freilich statt des Agrestes in Begleitung der unvermeidlichen Maggi-Flasche, so war dennoch für den damaligen Kenner der höfischen Küche damit ein fürstliches Gelage angekündigt.
Dieser frühe Beleg für unsere Würze aus unreifen Weinbeeren wurde etwa um die Jahre 1200 - 1220 niedergeschrieben und er spiegelt die Speisegewohnheiten und Moden eines herrschaftlichen Hauswesens der Zeit. Das mittelhochdeutsche „salse“, das sich später in Anlehnung an das Französische zur „Sauce“ wandelt, weist ebenso wie der „Agraz“ (mlat. agresta, acer = sauer, griech. akis = spitz) auf den mediterranen Ursprung dieser kulinarischen Spezialität hin. Es sind die Pilger, vor allem aber die Kreuzritter, die diesen Kulturaustausch besorgen, weil sie über längere Zeit im Heiligen Land gelebt und sich an die orientalische Lebensweise und die dortigen Essgewohnheiten angepasst hatten. Und in der dortigen hoch entwickelten Küchenkultur war der Saft sehr beliebt. (Siehe oben.)
Dieser kulinarische Einfluß auf die europäische Esskultur beschränkte sich zuerst allerdings auf eine kleine Oberschicht, die sich solch kostspielige neue Geschmackserlebnisse leisten konnte. Diese bestanden neben dem neuen Säuerungsmittel vor allem in der starken Würzung der Speisen mit Pfeffer, Safran, Ingwer, Zucker und Zimt, die damals noch in eher bescheidenen Mengen ins Abendland gelangten. Die einfachen Leute waren von solchen Genüssen noch weit entfernt und auf literarische Spuren ihrer ärmlich monotonen Ernährungsbedingungen wird man noch ein paar Jahrhunderte warten müssen.

Auf welches Glatteis das Internet bisweilen seine Nutzer führt, mag an der Tatsache abzulesen sein, dass vor einiger Zeit ein Anonymus die kühne Behauptung aufstellte, dass es die Kreuzritter waren, die durch den Import der Zitrone dem Agrest – auch hier wird meist der französische Begriff „Verjus“ gewählt – den Graus gemacht hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Sie waren es, die diese Würze an der höfischen Tafel gewissermaßen erst zur Mode gemacht und damit den Startschuss für seine Karriere gegeben hatten, die bis weit ins 18. Jahrhundert andauerte. Dennoch wird der Unsinn munter weiter abgeschrieben, selbst von der „Welt“, und er wird auch dadurch nicht wahrer, dass er immer noch in einem Wikipedia-Artikel als Echo zurückschallt. (- Stand 01.02. 2010 -)

Mit dem "Info-Blatt Verjus/Agrest Stand 01. Juni 2008" des "Regierungspräsidiums Darmstadt, Dezernat Weinbauamt mit Weinbauschule Eltville", hat diese seltsame Geschichtsklitterung nunmehr gar amtliche Weihen. Auch dort lesen wir: "... erst nachdem die Kreuzfahrer Zitronen nach Europa brachten, verlor Verjus an Bedeutung."
Selbst wenn man großzügig mit den Geschichtsdaten umgeht und die Kreuzzüge des französischen Königs Ludwig IX., "des Heiligen" in den Jahren 1248-1254 (Ägypten, danach mehrfaches Eingreifen in Palästina) und 1267-1270 noch hinzurechnet, war in dieser Epoche die Zitrone als Säuerungsmittel hierzulande nahezu noch unbekannt. Die ersten nennenswerten Importe erfolgen erst im 16. Jahrhundert. Da sind die Kreuzritter schon lange Geschichte und die Karriere des Agrest in vollem Gang.

Die ersten Kochbücher
Im christlichen Abendland entstehen die ersten Handschriften im 14. Jahrhundert und gehen aus den Küchen des Adels und der Klöster hervor. Die Rezepte sind knapp, meist ohne Angaben von Mengen oder Garzeiten und selbstverständliche Kochanweisungen werden gar nicht erst aufgeschrieben. Es ist nicht sehr verwunderlich, wenn uns der bei Parzival in goldenen Schalen aufgetragener Agraz auch gleich in der ältesten erhaltenen Kochbuchhandschrift deutscher Sprache (um 1350) wieder begegnet.

Buch von guter Speise um 1350Wilt du machen einen agraz.
Nim wintruebele vnd stoz sur ep-
hele. diz tuo zvo sammene, menge
ez mit wine vnd drueckez vz. dise
salse ist guot zvo scheffinen braten
vnd zv huenren vnd zvo vischen vnd heiz-
et
agraz.


Willst du einen Agrest machen, nimm Weinbeeren,
zerstoße saure Äpfel, tu dies zusammen, vermeng es mit Wein
und drück es aus. Diese Sauce ist gut zu Lammbraten
und zu Hühnern und zu Fischen und heißt
Agraz.“

Es ist das erste von vier aufeinander folgenden Saucen-Rezepten, die offensichtlich nicht ohne Grund in so enger Nachbarschaft zusammengefasst sind. Sie stellen gewissermaßen eine Gruppe eigenständiger säuerlicher Würzungen dar, die zur Verfeinerung der bereits fertig am Spieß oder auf dem Rost gebratenen Fleischstücke dienten. Als Zutat zu anderen Speisen tauchen die sauren Weinbeeren erst später auf.

Zugleich offenbaren die vier Varianten ein grundlegendes Problem im Umgang mit diesem Würzmittel. Wie die „Geize“, stehen saure Weinbeeren nur während einer beschränkten Vegetationsphase der Rebe zur Verfügung und mit der Frage der Haltbarkeit dieses relativ instabilen Beerensaftes werden sich noch Generationen von Köchen herumplagen.
Angesichts dieser leidigen Sache entschließen sich die Köche schon sehr früh, die unreifen Weinbeeren direkt den Speisen als Zutat beizufügen. Als frühestes Zeugnis für diese Praxis, die in den Rezepten bis weit ins 18. Jahrhundert belegt ist, kann die Überlieferung eines zweitägigen Festmahles gelten, das im September 1303 anläßlich der Einweihung der neuen Stadtkirche in Weißenfels (südwestlich von Leipzig) zu Ehren von Bischof Benno von Zeitz ausgerichtet wurde.

Aus: J.D. Schieferdecker, Weißenfels 1703

Am zweiten Festtag wurde bei den drei Gängen unter anderem ein Eierkuchen "midt Honnik und Wynbeeren" gereicht, wie in einer Chronik von 1703 notiert ist. Nicht nur von der Jahreszeit her, sondern auch von den - nach den damals geltenden diätetischen Grundsätzen zusammen gestellten - Zutaten des Eierkuchens, darf man hier "unzeitige Wynbeeren" annehmen. Sie waren in dieser Region leicht zu haben, in der seit 998 durch eine Schenkung Kaiser Otto III. an das benachbarte Kloster Memleben Wein angebaut wurde.

Mondseer Kochbuch um 1453Wie man eine besonders gute Sauce macht“

Eine fast gleichlautende Variante wie im "Buch von guter Speise" findet sich auch in dem um 1453 entstandenen „Mondseer Kochbuch“. Dort verzichtet der Schreiber bei einem der Rezepte sinnvoller Weise jedoch auf den Speck als Zutat, der im kalten Zustand schwerlich auf die angegebene Art verarbeitet werden konnte. In späteren Quellen werden wir der Kombination von Speck und Agrest bei anderen Zubereitungsarten aber wieder begegnen, die sich dann zu einer der Standardverwendungen des Agrest entwickelt, dem Deglacieren. Dabei wird der Bratenfond in der Pfanne mit Beerensaft abgelöscht und reduziert. Dass alle diese vier Rezepte nahezu unverändert in diesem „Mondseer Klosterkochbuch“ enthalten sind, lässt die Wissenschaftler vermuten, dass beide Handschriften aus einer gemeinsamen früheren Quelle schöpfen, die heute unbekannt ist.

Püch von den chosten vor 1450Eines der bemerkenswerten Dokumente, die den Einfluss arabischer Kochkunst sogar bis in bayerische Küchen bezeugen, ist das „Püch von den chosten“. Es ist Teil einer Sammelhandschrift, die vor 1450 niedergeschrieben wurde. In bairische Mundart übersetzt, enthält sie eine Auswahl von rund 80 Rezepten, die auf einen diätetischen Lehrtraktat des arabischen Arztes Ibn Gazlar (+ um 1100) zurückgehen und durchweg zur Behandlung von allerlei Krankheiten dienen, darunter Hüftschmerzen, Abzehrung, Husten, Verdauungsbeschwerden oder gar gegen Trunkenheit (pirtrunchait), also gegen einen ordentlichen Bierkater. Schon für das erste Rezept mit dem - für das Bairische eher untypischen - Namen „Abrahimia“, eine Art gebundenes süß-saures Hühnerragout zur Stärkung von Magen, Leber und Herz, war der Agrest unverzichtbar und sollte ausdrücklich den Essig ersetzen, der nach der galenischen Medizin gerade bei der Krankenkost eher als riskant galt. Ungewöhnlich für die Kochbuchhandschriften der Zeit, enthalten die Rezepte häufig detaillierte Gewichtangaben, was darauf hinweist, dass sie aus der Perspektive des Arztes und Apothekers zusammengestellt wurden.

Der Agrest ist zuerst noch nicht integraler Bestandteil der Zubereitung selbst, wie sich dies sehr früh bei den Rezepten der französischen und italienischen Hofköche schon abzuzeichnen beginnt. Im Umgang mit diesem natursäuerlichen Saft und den sauren Beeren ist man dort offensichtlich experimentierfreudiger und erfindungsreicher. Entscheidende Impulse für die Entwicklung der spätmittelalterlichen Küche gehen von den Klöstern aus. Die zahlreichen Fasttage und die geringe Zahl „erlaubter“ Speisen stellen die frommen Köche vor besondere Herausforderungen. Um ihren Mitbrüdern an den „strengen Tagen“ schmackhafte Angebote zu machen, entwickeln sie sich zu wahren Gewürzspezialisten. Zusammen mit den für die Krankenpflege abgeordneten Brüdern und dem klösterlichen Kellermeister nützen sie den Weinberg wie die Gewürzgärten, die nach überlieferten medizinischen Regeln angelegt sind. Die Wege zwischen Apotheke, Küche und Keller sind kurz und der Austausch von medizinischen und kulinarischen Kenntnissen ist einfach. Der Saft der grünen Trauben und die unreifen Beeren selbst werden vor allem wegen ihrer diätetischen Qualitäten hoch geschätzt und sie finden nicht nur bei den normalen Speisen, sondern auch bei den speziellen Gerichten für die Kranken eine bevorzugte Verwendung.

Kuchenmeisterey 1485Zum Ende des Mittelalters hat sich diese „natürliche Säure“ durchgesetzt. Im ersten gedruckten Kochbuch deutscher Sprache (um 1485) wird die Zubereitung des Agrestes – wen wird das verwundern – im Kapitel über die Essigbereitung beschrieben. Er steht hier an der ersten Stelle, noch vor der Essigherstellung aus Wein, Sauerteig oder Bier. Das hat nicht zuletzt seinen Grund darin, dass seine Zubereitung einfach und zuverlässig war und in vielen Regionen Deutschlands, wo sich mittlerweile der Weinbau ausgebreitet hatte, selbst die einfachen Leute sich seiner bedienen konnten.

Der entscheidende Durchbruch hierzulande findet jedoch statt, als mit der Verbreitung der Druckkunst auch die medizinisch-diätetischen Lehrtraktate - aus dem Arabischen und Lateinischen übersetzt - nun auch in deutscher Sprache erscheinen. Seit dem 10. Jahrhundert spielt darin der Agrest eine hervorragende Rolle. Im Kochbuch des päpstlichen Mundkochs Bartolomeo de Sacchi, genannte Platina, das – erstmals 1474 in Rom gedruckt – 1542 auch in deutscher Sprache erschien, wird dieser „natürlichen Säure“ eine so überragende Rolle in der Küche zugeschrieben, dass bei jedem dritten seiner rund 240 Kochrezepte der Agrest oder die sauren Weinbeeren unentbehrlich sind. Dieses Buch wird auch die deutschen Koch- und Ernährungsgewohnheiten nachhaltig beeinflussen. An einer hervorgehobenen Stelle widmet der Autor dieser speziellen Säure sogar ein eigens Kapitel. (Auszug)Bartolomeo de Sacci, genannt Platina, deutsche Ausgabe 1542

 

 

 


Agrest hält den Essig in Schach

Im diätetischen Konzept der Humorallehre, die bis in 18. Jahrhundert die medizinische Vorstellungswelt von Gesundheit und Krankheit bestimmt, waren jeder Speise und jeder einzelnen Zutat eine Reihe von Eigenschaften, Kräften und Wirkungen zugeschrieben, die ein Koch kennen und beachten musste, wenn er ein harmonisches und ausgewogenes Gericht zubereiten wollte. Unter den Zutaten spielte allerdings der Essig – so sehr er für viele Gerichte gebraucht wurde – eine, nun sagen wir es vereinfacht, eine etwas primadonnenhafte Rolle. Er galt als „kalt und trocken“, konnte jedoch Zutaten, die als „heiß und feucht“ galten, in ihrer Wirkung noch verstärken, statt sie auszugleichen, zu „temperieren“. Damit drohte eine Speise gewissermaßen aus dem Gleichgewicht, aus ihrer diätetischen Harmonie zu fallen und der Gesundheit zu schaden. Die „Kunst des Temperierens“, die nun jeder anständige Koch beherrschen musste, wollte aber genau diese Harmonie erreichen. Und hier kam der Agrest ins Spiel. Auch er galt als „kalt und trocken“, aber schon die galenische Medizinlehre hatte ihm die Fähigkeit zugeschrieben, Essig zu temperieren – gleichsam diätetisch in Schach zu halten. Folglich finden wir mit dem Aufblühen der Agrestküche im 16. und 17. Jahrhundert in vielen Rezepten immer wieder eine Kombination aus Essig und Agrest, obwohl die Köche ihnen jeweils einen eigenen Geschmacks- und Säurecharakter zuschrieben.
Bei der Diätetik ging es eben um mehr als um "Haferbrei und Kamillentee", wie mancher heute meinen könnte. Nach ihren Gesetzen richtete sich jeder, der sich gesund ernähren wollte und konnte. Und so beachten die historischen Kochrezepte bis weit ins 18. Jahrhundert neben dem Genuß auch stets das diätetische Prinzip der Temperierung. Dass sich dies bis in unsere heutigen Küchentraditionen fortgesetzt hat - auch wenn uns das zumeist nicht mehr bewusst ist - werden wir noch sehen.....

Kuchenmeisterey Ausgabe 1487

Ohne die spezielle medizinische Skepsis der Säftelehre gegenüber dem Essig ist der Siegeszug des Agrest in Küche und Krankenzimmer nicht zu verstehen. Am Beispiel von Gesundheitsratgebern vom 15. bis zur Wende ins 17. Jahrhundert lässt sich das sehr gut ablesen. Hier gibt es dazu einige Beispiele, die zugleich den historischen Übergang zu einer neuen Rolle der Diätetik markieren - und damit verbunden - den Aufstieg der Agrest-Konkurrentin Zitrone. mehr....

Die leidige Frage der Konservierung
Die geringe Haltbarkeit des Saftes hat die Geschichte dieses Heil- und Würzmittels entscheidend beeinflusst. Die Ärzte und Apotheker hatten schon früh damit begonnen, den frischen Saft mit Honig und Zucker zu einem dickflüssigen Sirup zu verkochen. Diese süße Konservierung genügte zwar den Ansprüchen für manche medizinische Anwendungen, für die Verwendung in der Küche brachte das aber erhebliche Einschränkungen.

Ebenfalls schon sehr früh lässt sich vor allem in der französischen Küche die Strategie beobachten, den Agrestsaft mit Salz zu konservieren und zu stabilisieren, damit er auch längerfristig in der Küche zur Verfügung stand. Die ältesten Spuren dieser Praxis führen zwar nicht zu einem Kochbuch, sondern zu einem Pachtvertrag in der Region um die Stadt Namur, im heutigen Belgien, wo seit 1233 Wein angebaut wurde. Das Dokument belegt, dass der Winzer Thibaul Stassinoire im Jahre 1392 für die Übernahme eines gräflichen Weinbergs unter den Pachtleistungen auch zur Lieferung von
„six stiers de sel pour saler le verjus“ (sechs Maß Salz zum Salzen des Verjus) verpflichtet war.

Dass hier eine kulinarische Variante gefunden war, die sich sehr schnell in den Küchen einbürgerte, steht außer Zweifel. Das älteste deutsche Rezept für diese Salzkonservierung finden wir im Kochbuch Sabina Welser(in) von 1553. Die weltoffene Bürgerstochter aus der Augsburger Handelsfamilie war mit den Küchenkenntnissen und Praktiken fast aller europäischen Länder gut vertraut und in einem der letzten der 205 Rezepte in ihrer handschriftlichen Sammlung lautet die Anweisung:

1553 Kochbuch der Sabina Welserin
Wie man ain Agrest
von Trauben machen soll

Erstlich soll man die unreife
Trauben nehmen und zerstoßen
und danach durch (ein Sieb/Tuch) zwingen;
und auf ein Maß (1,43 l) Saft ein Händlein
voll Salz und in ein Fass
gethan und alle Tage umgerührt,
so wird es ein guter Agrest.“


(
Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg)

Das Konservierungsproblem war damit allerdings noch nicht dauerhaft gelöst,
wie die immer wiederkehrenden Bemühungen und neuen Experimente zeigen.

Ein entscheidender Schritt für die Lösung des Problems fand schließlich im 16. Jahrhundert statt. Beispielhaft finden wir sie im Kochbuch der Anna Wecker beschrieben, der Frau des Colmarer Stadtarztes Johann Jacob Wecker. In ihrer 1598 gedruckten umfangreichen Rezeptsammlung schlägt sie für die Beeren eine Methode vor, die zwar schon allgemein bekannt, aber für diese Produkt bisher noch in keinem Kochbuchdruck beschrieben worden war: Sie behandelt die unreifen Trauben, die mit einem kleinen Stielansatz geerntet wurden, einfach wie Fisch oder Fleisch und legt sie in einer Salzlake ein. Dieses Verfahren, das äußerste Sorgfalt, Reinlichkeit und die Einhaltung strenger Hygieneregeln verlangte, hatte nicht zuletzt den Vorteil, dass das Konservierungsmittel Salz vor Gebrauch wieder abgewaschen werden konnte.

1598 Kochbuch Anna?Wecker
Wie man grüne Trauben
durch das ganze Jahr behalten soll.

In dem Herbst, wann sich die Trauben schier wollen läutern, so brich so viel dir beliebt, welche nicht gar zu dick sind, dass keine Unsauberkeit darinnen stecke. Legs in ein frisches Brunnenwasser, machs schön, nimm einen schön glasierten Hafen oder ein klein Fässlein, lege die Trauben darein. Nimm ein schön Brunnenwasser, so viel du bedarfst, salz es wie eine Lake („Silper“) zu Heringen oder Salmen, gieß darüber und beschwere es, dass die Lake wohl darüber geht. Vermachs, dass nichts Unreines dazu kommt. Halts sauber, stoße keine Hand darein, und wenn du ihrer bisweilen brauchen willst, nimm mit dem Messer heraus, was du brauchst. Halte es sauber, damit sich kein Kahn bildet. So bleiben sie ein ganzes Jahr. Und so du sie brauchen willst, hab Sorge mit dem Salz und leg die Beeren vorher in ein sauber Wasser. Etliche legen sie in Agrest, aber es ist unnötig, sie bleiben schöner also. Diese dienen wohl den Kranken.“

Diese Konservierungsmethode erklärt auch die auf den ersten Blick etwas rätselhafte Schlussformel, die vielen Rezepten in den Handschriften der Zeit häufig angefügt ist, auch wenn unter den Zutaten das Salz gar nicht erwähnt worden war: „Und versalz es nit“. Der Leser sollte mit dieser Formel daran erinnert werden, die in Salz konservierten Zutaten vor Gebrauch gründlich zu wässern. Diese Konservierungsmethode führt aber auch dazu, dass der Begriff Agrest in den Kochbüchern der Zeit allmählich verschwindet. Denn als würzende Zutat treten jetzt an seine Stelle: die eingelegten Weinbeeren oder der daraus jeweils frisch gepresste Weinbeersaft.

Nach dem Chaos des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), der nicht nur die Dörfer sondern auch die landwirtschaftlichen Kulturen zerstört hatte, gehen vielerorts auch die haus- und landwirtschaftlichen Kenntnisse und das kulinarische Wissen verloren, das über Jahrhunderte von Generation zu Generation weiter gegeben worden war. Zuerst ist es die höfische Gesellschaft, die zur unbeschädigten Kultur der französischen Nachbarn greift. In der Küchenkultur dort hatte die traditionelle Bezeichnung Verjus – für den Saft - und Verjus en grain – für die eingelegten Weinbeeren – jedoch unbeschadet überlebt. Auch ohne ärztliche Protektion waren die eingelegte saure Traube und ihr Saft längst zu einem traditionellen Gewürz unter den Gewürzen geworden.

Als dann schließlich ab den Jahren 1665 bis 1690 eine Welle von Übersetzungen französischer Kochbücher über Deutschland schwappt, haben es die Übersetzer schwer. Ihnen fehlt jetzt das angemessene deutsche Wort für Verjus und Verjus en grain. Und sie nehmen ihre Zuflucht eben einfach zu Weinbeeren und Weinbeerensaft. Bei nicht wenigen der in der Küchenpraxis häufig unerfahrenen Übersetzer wird daraus jedoch oft einfach nur Traubensaft, Trauben oder gar Rosinen. Das führte nicht nur zu einer weiteren Erosion des Begriffes Agrest, auch viele der französischen Rezepte, die nach Verjus als Zutat verlangten, wurden völlig verstümmelt überliefert. Erst als sich schließlich die französische Sprache auch hierzulande immer mehr einbürgerte, wurde auch der Begriff Verjus in den deutschen Küchen – zumindest für eine gewisse Zeit - gebräuchlich.

Und dann kam das wirkliche Ende:
Mit Beginn der Industrialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit der Landflucht und der Abwanderung in die Städte, verschwinden auch die dörflichen Märkte. Die neuen Lebensmittelhändler beschränken sich zumeist auf das, was sich massenhaft und schnell verkaufen lässt. Und das verändert auch die Ernährungs- und Küchengewohnheiten der Menschen. In den Haushalten konserviert man nur noch die wichtigsten Nahrungsmittel und kein Winzer wollte in dieser Krisenzeit, in der die Weinpreise verfielen und er um jeden Pfennig kämpfen musste, seine unreife Weinbeeren für ein Gewürz verschwenden, von dem nur noch wenige wussten. Und so verschwand der saure Traubensaft schließlich auch aus den Weinbauregionen. Verdrängt hatten ihn schließlich die Zitrone, die nun preiswert ins Land kam, und der billige Industrieessig.
Als Louis Pasteuer Mitte des 19. Jahrhunderts die geeignete Konservierungs-Methode für den instabilen Saft gefunden hatte, die „Pasteurisierung“, mit der man heute die besten Ergebnisse erzielt, da war der Saft aus unreifen Weinbeeren aus den Küchen und Apotheken – wo er vereinzelt noch für allerlei Krankheiten vorrätig gehalten wurde – verschwunden. Nur in einigen Regionen im Südwesten Frankreichs überlebt die Produktion in der Küchentradition der Winzerfamilien bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Und von dort begann Ende des 20. Jahrhunderts auch die Wiederentdeckung.

Spätestens mit den Kochbüchern des 16. Jahrhunderts beginnt es mit den lohnenswerten historischen Rezepten, die mit Agrest/Verjus zubereitet, auch heute noch einen ganz besonderen Reiz entfalten. Also Schluss mit dem Balsamico-Getüpfel auf unseren Tellern, den faden Gurkensüppchen und dem durch Massenverbrauch entwerteten Chili. Schon die Agrest-Küche des 16. Jahrhunderts hält Delikateres und auch Deftigeres bereit...

Als 2007 in Deutschland die "Wiederentdeckung" begann, sind einige Winzer recht eilig auf den Zug aufgesprungen.
Auch wenn sie für ihre Werbung häufig genug von dieser Seite abgeschrieben haben - sehr diskret und ohne die Quelle zu nennen - haben sie sich mit dem Produkt und seiner Geschichte aber nicht wirklich ernsthaft beschäftigt. Oft hatten sie nicht mehr zu erzählen, als dass dieser Saft eine Art "Ersatz" für Essig sei.
Da war die Neugier der Kunden bald erloschen, denn der übliche Industrieessig ist allemal billiger zu haben.
Und so haben einige der Winzer, die unten genannt werden, die Produktion auch schon wieder eingestellt.
Aber längst sind neue hinzugekommen, vor allem in Österreich und in der Schweiz. Man kann sie leicht im Internet finden.
[Stand 04.2013]

Wer also das kulinarische Potential dieses Saftes, der nun wirklich mit Essig nicht zu vergleichen ist (siehe oben), entdecken will,
sollte das Experiment in der eigenen Küche wagen.
Dazu hier einige Beispiele .....

Kontakt

Übrigens: Auf der Seite "coquinaria" einer wunderbaren niederländischen Küchenkennerin findet man auch einige Hinweise zur Geschichte und historische Rezepte.

 

Einige (auch ehemalige) Produzenten und Bezugsquellen
Eine Übersicht - nach
Postleitzahlen geordnet - findet man hier.
Stand 2010

Eine Auswahl der neuen Produzenten 2006 bis 2010
Eine Auswahl der neuen Produzenten 2007-2008

in Deutschland:
"Meines Wissens stellt gegenwärtig noch kein deutscher Winzer wieder Agrest her. Das wird sich womöglich noch im Laufe des Jahres 2007 ändern......

.... so stand es bis zum August 2007 an dieser Stelle. Doch mittlerweile haben im diesem Sommer auch hierzulande die ersten Winzer eine Agrest-Ernte eingebracht. Sie greifen damit wieder eine Tradition im Weinbau auf, die sich über mehr als dreitausend Jahre zurückverfolgen lässt. Ihnen sei hier eine herzhafte Strophe des Lobes gesungen, dass sie diese "liebliche Säure", wie sie im ersten in deutscher Sprache gedruckten Kochbuch, der "Kuchenmeisterey" von 1485, einstmals genannt wurde, wieder zugänglich machen.
Einzelne Winzer berichten von einer begeisterten Aufnahme bei ihrern Kunden und meldeten noch vor dem Weihnachtsgeschäft, dass die erste Ernte
ausverkauft war.
Die Freunde der Kochkunst - ob Meister der modernen leichten Küche oder Liebhaber historischer Rezepte - haben offensichtlich auch hierzulande mit der Wiederentdeckung begonnen.

Agrestlese im Weingut Hermann Fitting in Mauchenheim Rheinhessen

Nahezu die gesamte Familie vom Weingut Hermann Fitting im Rheinhessischen Mauchenheim bei der bisher ungewohnten Lese von "unreifen Trauben". Früher verkümmerten sie nutzlos unter den Rebstöcken, jetzt soll aus dieser "Ertragsreduktion" von ca. 40% ein traditionsreiches kulinarisches Produkt entstehen. In den ersten Augusttagen ist die Familie unterhalb der Ruine des mittelalterlichen Klosters Sion bei der "Vorlese" im Bestand eines Weinbergs mit Regenttrauben, der im vergangenen Sommer durch Hagelschlag stark geschwächt worden war. Weniger oidiumanfällig als andere Rebsorten konnten diese Reben aber frühzeitig aus dem Pflanzenschutzprogramm herausgenommen werden, um eine unbelastete Ernte sicherzustellen. Seit 2008 wird der Agrest - wie traditionell bei französischen Winzern - aus den Geiztrauben (Herlingen) hergestellt und in der 0,25L-Flasche angeboten.

Weingut Fuchs  Flörsheim-Dalsheim im südlichen Rheinhessen

Auch beim Weingut Fuchs aus Flörsheim-Dalsheim im südlichen Rheinhessen ("Wonnegau") hat man im Sommer 2007 erste Erfahrungen mit einer Agresternte gesammelt. Hildegard Fuchs hat schon Ende Juli gleichsam in einem ersten Laborversuch mit den Sorten aus dem Bestand des Weingutes experimentiert: „Die Ergebnisse waren verblüffend“, sagt sie. “Siegerrebe war bereits viel zu süß, Müller-Thurgau zu zart, Regent sehr hübsch rosa in der Farbe, jedoch geschmacklich noch nicht entwickelt. Heraus stach die Huxelrebe: genügend Säure, wenig Süße, fruchtige Aromatik.“ Das Weingut, das mittlerweile zum "offiziellen" Lieferanten der Köchevereinigung "Euro-Toques" avanciert ist, liefert seinen „Agrest/Verjus“ wahlweise in Flaschen zu 0,25 oder 0,75 Liter.

Weingut Hillesheim in Kaub am Rhein

Das
Weingut Wolfgang Hillesheim liegt im Seitental der kleinen Stadt Kaub am romantischen Mittelrhein, nahe der Loreley und bewirtschaftet zurzeit vor allem Steillagen-Weinberge. Auch hier war es die Winzerin, die sich von der Diskussion um das traditionsreiche Würzmittel hatte anregen lassen. „Beim googeln des Begriffes Verjus bin ich auch auf Ihren Seiten gelandet“, schreibt Silke Hillesheim, „und habe mir den sehr interessanten Artikel durchgelesen. Unter den Bezugsquellen schreiben Sie, dass derzeit noch kein Winzer in Deutschland Verjus produziert. Diesem Zustand haben wir ein Ende gesetzt."
Der Hinweis auf der Website: "Bevor Essig und Zitronen bekannt wurden war Verjus in der mittelalterlichen Küche ein verbreiteter Säureträger", liegt zwar etwas neben den historischen Tatsachen, weil Wein und Essig - als der saure Bruder - gewissermaßen schon immer eine gemeinsame Geschichte haben. Wenn man freilich die Skepsis bedenkt, die bereits die antiken Ärzte gegenüber dem Essig hegten (siehe oben) und ihm deshalb den Agrest/Verjus vorzogen, ist sogar ein Körnchen Wahrheit in dem Satz.

Weingut Schweinhardt in Langenlonsheim

Das Weingut Bürgermeister Schweinhardt Nachfolger in Langenlonsheim im Nahetal bietet ebenfalls Agrest aus eigener Ernte an. Gleichfalls abgefüllt in kleinen Flaschen zu 0,25 L wird er unter dem Begriff "Verjus" angeboten. Man mag darüber rätseln, warum das Produkt seinen traditionsreichen Namen "Agrest" nicht behalten durfte, zumal der Winzer die nötigen Informationen zu diesem "Nebenprodukt" vom Autor dieser Seiten erhalten hat. Der "grüne Traubensaft" wird derzeit noch nicht über die Seite des Weingutes angeboten, sondern über eine Seite, auf der auch ein anderes traditionsreiches "Nebenprodukt" der Rebe wieder zugänglich ist: Die Rebtränen. Zu diesem auf den ersten Blick rätselhaften Saft der Rebe, der seit der Antike in der Heilkunst Verwendung fand und bis ins 19. Jahrhundert als beliebtes Hausmittel zur Behandlung von allerlei Zipperlein diente, findet man hier auf diesen Seiten weitere Informationen. Auch sie waren im Übrigen der Anlass, dass dieses Produkt nunmehr neugierigen und interessierten Menschen wieder zur Verfügung steht.

Wengut Koegler in Eltville. Rheingau

Das Weingut Koegler in Eltville (Rheingau) bietet seinen Agrest ausschließlich in der 0,75er Flasche an. Man hat – so könnte man vermuten – als Kundschaft zuerst wohl die Gastronomie im Auge und weniger die experimentierfreudigen Hobbyköche, die anfangs lieber zu kleineren Mengen greifen. Ein wenig versteckt findet man den Agrest schließlich auf der Weinkarte, unter dem Rubrum „Saft“. Angesichts des traditionsreichen Ortes mag man es vielleicht etwas verwunderlich finden, dass er auch hier nicht unter seinem angestammten Namen, sondern unter „Rheingau Verjus“ firmiert. Der historische „Hof Bechtermünz“ gehört immerhin zu den frühesten Druckorten in der Welt, weil Gutenberg hier die Brüder Heinrich und Nikolaus Bechtermünz im Jahre 1467 in seine neue Druckkunst einführte.

Weingut-Corvers Oestrich Winkel
Das
Weingut Corvers-Kauter in Oestrich-Winkel (Rheingau) hat seinen ersten Versuch erst spät im Jahr 2007 gestartet und für den Agrest die Geize des Spätburgunders verwendet. Hier haben wir ein schönes Beispiel dafür, dass sich der Winzer für seine Wiederentdeckung mutig zum ehemals gebräuchlichen Namen entschlossen hat. Das Weingut, das auch den "Roten Riesling" wieder anbietet, präsentiert das Produkt mit dem traditionsreichen Begriff Agrest auf dem Etikett an. Anfangs wurde in 0,5l-Flaschen, nunmehr in der 0,25L-Flasche abgefüllt. Und auch im Gutsauschank sind immer wieder Agrest-Spezialitäten auf der Karte.

Fellbacher-Weingaertner

In Württemberg ist es die "Fellbacher Weingärtner eG", eine 1858 gegründete Weingärtnergenossenschaft, die auf Initiative von Kellermeister Werner Seibold und Marktleiterin Ramona Fischer in diesem Jahr 2007 erstmals "Verjus" produziert hat. Der Saft aus grünen, unreifen Kernertrauben steht zwar auch hier noch nicht auf der Karte, ist aber in der "Neuen Kelter" in der Fellbacher Kappelbergstraße schon zu haben. Die Nachfrage ist ebenso groß wie die Befürchtung, dass die beschränkte Menge schon vor dem Weihnachtsgeschäft ausverkauft sein könnte. (Füllgröße: 0,5-L.)
Dass in der Homöopathie jemals Agrest oder Verjus verwendet wurde, wie dort zu lesen war, trifft allerdings nicht zu, auch wenn Hahnemann das Verschwinden "des allgemeinen Gebrauches" in seinem Apotheker-Lexikon" von 1793 beklagt. (Denn das hatte er noch vor seiner "homöopathischen Karriere" verfasst.)

Die Fellbacher Winzer, die 2008 stolz ihr 150jähriges Bestehen feiern können, experimentieren erfolgreich auch mit einem so genannten „Weincocktail“. - Eine nicht gerade glückliche Bezeichnung, die aber gesetzlich vorgeschrieben ist. - Mit ihren "Frutto" - einer "prickelnden Komposition aus Wein und dem Saft von Sauerkirschen und Pfirsichen", wie es in ihrem Angebot heißt, greifen sie jedoch auch eine andere der vergessenen Traditionen im Weinbau wieder auf: Die Weinzubereitung mit Kräutern und/oder Früchten.

Der Begriff „Weincocktail“, der auf den ersten Blick eher zwielichtige Assoziationen weckt, vom geltenden Weingesetz als Bezeichnung aber vorgeschrieben ist, muss für Weinliebhaber ebenso fragwürdig klingen, wie sie Winzer daran hindert, auch diesen alten Schatz auf Möglichkeiten der Wiederentdeckung zu untersuchen. Frankreichreisende kennen den Vin d'Orange oder auch die vielfältige Verwendung des „Nussweines“ in der Küche oder den Brauch gehobener Landgasthöfe, den traditionellen „Hyppocras“ als Aperitif zu reichen, der – um Himmels willen !!! - nicht mit der „deutsche Glühwein-Katastrophe“ verwechselt werden darf.
Über
traditionelle Kräuterweine und ihre Wurzeln in Medizintradition und im volkstümlichen Heilwissen kann man hier etwas erfahren.


Staatliches Weingut WeinsbergDie " Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau im Staatsweingut Weinsberg" (LVWO) am Traubenplatz 5 in 74189 Weinsberg hat 2007 auch zum ersten Mal "Verjus" produziert und verkündet am 8.11.2007 stolz und vielleicht doch auch ein wenig kühn, dass man "für die feine Küche mit Verjus ein neues Würzmittel geschaffen" habe, hergestellt aus "Trauben der neuen Rotweinsorten ... feinherb mit dezentem Aroma und milder Säure."
Das Unternehmen ist irgendwo im Seiten-Gewusel des "Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg“ versteckt und nicht ganz einfach zu finden. Deshalb hier die URL in voller Länge:
http://www.landwirtschaft-mlr.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB//menu/1215584_l1/index1168341062572.html

Wenn man die Seiten dann gefunden hat, leuchtet uns die Weinsberger "Neuschöpfung" unter dem Namen "Verjus" in einer hübschen knubbelig dicken Flasche entgegen, die hoffentlich auch gut in den handelsüblichen Kühlschrank passt. Denn das darf man nicht vergessen: Auch der pasteurisierte Agrest hält sich nach Anbruch nur bei guter Kühlung über 2 bis 4 Wochen. Angaben über die Füllmenge fehlen freilich ebenso wie Angaben zum Preis. Die "Weinpreisliste", auf der die "Neuschöpfung" vermutlich angeboten wird, ist im Internet nicht einsehbar. Man kann sie sich jedoch per Post bestellen. Dafür erfahren wir aber das stolze Bekenntnis des Direktors, Dr. Günter Bäder, der uns versichert: „Neues“ zu entwickeln ist für uns eine ständige Herausforderung."
Wir jedenfalls beglückwünschen die Weinsberger zu dieser
Wiederentdeckung. Denn dass der Agrest eine lange Geschichte hat, weiß man auch in Weinsberg: "Ursprünglich bekannt aus der Antike, erlebt Verjus derzeit ein Comeback. In der Spitzengastronomie schätzt man die Delikatesse schon sehr lange." Wir stimmen deshalb den Herren Friedrich Lörcher und Martin Schwegler vom Weingut zu: "Es gibt nichts schöneres als den Genuss regionaler Spezialitäten und das auf höchstem Niveau", ... und warten neugierig auf die Ankunft der "Weinpreisliste".


Weingut Trautwein, Bahlingen
Das
Weingut Trautwein in 79353 Bahlingen produziert zusammen mit dem Weingut Rabenhof in 79235 Vogtsburg-Bischoffingen im Kaiserstuhl seit diesem Herbst 2007 ebenfalls Agrest an. Beide Weingüter werden nach biologischem Anbaukonzept betrieben und sind um "die Schaffung einer möglichst vielfältigen Bodenflora und Fauna" bemüht. "Selbstverständlich verwenden wir weder Herbizide, noch chemisch-synthetische Fungizide und Insektizide. Stattdessen nutzen wir die natürlichen Feinde der Schadinsekten. Wir bringen zudem verschiedene Kräuterauszüge zur Pflanzenkräftigung sowie Urgesteinsmehl, Schwefel und in Spuren Kupfer zur Pilzbekämpfung aus." Das Produkt wird also "aus biolog.Weintrauben" hergestellt, ist in 0,25L-Flaschen abgefüllt und wird unter der Bezeichnung: "Verjus Royal-Grünsaft" angeboten.
Angeregt wurde die Produktion durch den Getränketechnologen Dipl. Ing. Andreas Zentner, der auf der Seite
www.verjus-royal.de dazu einige Informationen und Rezepte anbietet.


Tauberhase GbR
Dann muss man hier noch von den "Tauberhasen" berichten, die 2007 ihren ersten Agrest gemacht haben. Die
"Tauberhase GbR", das sind die drei gleichberechtigte Gesellschafter und Sterneköche: Lars Zwick in Tauberzell, Jürgen Koch in Weikersheim und Christian Mittermeier in Rothenburg o. Tauber. Sie haben ihre GbR gegründet, um Taubertäler Wein vom Anbau über den Ausbau, die Vermarktung, bis hin zur gastronomischen Dienstleistung zu produzieren, zu vertreiben und in "unserem Sinne" zu prägen. Sie produzieren ihren Wein in der früher für das Taubertal typischen Methode im »Gemischten Satz«. Dabei werden, anders als bei der »Cuvée«, Trauben verschiedener Rebsorten schon im Weinberg nebeneinander angebaut, gleichzeitig gelesen und gemeinsam gekeltert und vergoren. "Wir haben den ersten Verjus gemacht", sagt Christian Mittermeier, "weil uns die Trauben leid getan haben, die wir ausgeizen mussten. Wir schmeissen halt nicht gerne weg, was der liebe Gott hat wachsen lassen. Andererseits hat uns Hansi Ruck dazu verdonnert, max 60hl/ha bei der Lese anzustreben, und so haben wir den Müller Thurgau zu Verjus verarbeitet, was für uns Jungwinzer technisch allerdings gar nicht so einfach war. Die Ausbeute, die qualitativ übrigens hervorragend war, haben wir gerecht durch drei geteilt und in den eigenen Häusern verarbeitet, sehr zur Freude unserer Gäste".
Im nächsten Jahre soll es eine größere Menge werden, womöglich in Kooperation mit einem "grossen, sehr renommierten Betrieb aus Franken". Dass sie ihre "frühe Lese" rechtzeitig im Rebschutzprogramm berücksichtigt haben, belegen übrigens die exakten Analyse-Werte ihres Verjus. Und längst bieten sie auch ihren Tauberhasen-Senf an, der mit Agrest/Verjus zubereitet wird.


???
Man könnte aber auch recht kuriose Geschichten erzählen, wie etwa jene von dem Winzer R. aus O, der bereits im Herbst 2002 einen "Verjus" produziert und verkauft hatte und hier eigentlich zu Recht als Pionier der Wiederentdeckung in Deutschland gefeiert werden müsste.
Als Maßstab für seinen ersten Versuch hatte er sich sogar Proben aus dem Périgord und dem Napa Valley besorgt. Aber - so darf man möglicherweise vermuten - er war zu früh und seiner Zeit all zu sehr voraus. Das so gründlich in Vergessenheit geratene Produkt aus dem Weinberg geriet nämlich in die Mühlen der Bürokratie und der Winzer "wegen der potentiellen Schwere des Vergehens“ sogar vor der Staatsanwalt, der am 16.01.2007 einen Bußgeldbescheid verhängte.
- Aber die Geschichte ist noch nicht zuende. Der Winzer will dran bleiben - und wir werden vom Fortgang berichten.....


Ebenfalls ihren ersten "Verjus" haben Gudrun und Axel Scheu in Schweigen-Rechtenbach produziert. Auch sie haben ihn aus der Regent-Traube hergestellt, die weniger oidiumanfällig ist und darum früh aus dem Rebenschutzprogramm herausgenommen werden kann. Die Internetseite ist wieder zu erreichen. Aber nach dem roséfarbenen Produkt des Hauses muss man noch anfragen. (Die Seite ist z.Zt. im Umbau).....


Im Übrigen war es Lothar Gehrum - ein neugieriger Winzer und Destillateur in 67434 Neustadt-Hambach -, der in diesem Jahr schon früh aktiv war und seine Winzerkollegen auf die Möglichkeit der Agrest-Produktion (natürlich spricht auch er von „Verjus“) aufmerksam gemacht hat (Seit 2008 bietet er selbst Verjus/Agrest - auch für Wiederverkäufer - an.)
Nur - die Behörden finden das mancherorts immer noch eher irritierend. Sie kennen das so lange vergessene Produkt nicht und scheuchen die Winzer in das Dickicht der Gesetze, statt ihnen beim komplizierten Thema von „Definition“ und Kennzeichnugsvorschriften behilflich zu sein. Doch auch die Winzer haben längst verstanden: Was gemeinhin in der EU produziert und "handelbar" ist - wie beispielsweise der "Verjus de Pèrigord" - , werden die Behörden in ihre "behördlichen Fürsorgepflicht" nicht allein deshalb verhindern können, nur weil sie es nicht kennen. Hier wird sich - hoffentlich mit Unterstützung der Weinbauämter - in den nächsten Monaten wohl noch einiges verändern.

Dass es sich hier um ein Produkt handelt, das den Vorschriften des Lebensmittelsrechtes entsprechen muss, steht außer Zweifel. Jeder Winzer, der dieses Experiment der "Wiederbelebung" des Agrest macht, wird im Interesse seiner Kunden selbstverständlich bemüht sein, die Rückstandsfreiheit seines Produktes zu garantieren. Aber merkwürdigerweise scheint es so zu sein, dass es mancherorts erst an den Aktivitäten von "Fachanwälten" für das Recht der "Inverkehrbringung" hängen wird, ob wir auch hierzulande dieses freundliche Würzmittel aus dem Weinberg wieder entdecken können, das fast überall in Europa und der Neuen Welt längst schon in den Küchen steht. ...


Weingut Heid, Fellbach
Daniela und Markus Heid in 70734 Fellbach, die in der 10. Generation das Weingut ihres Urahn Jakob Melchisedec Heid mit den Fellbacher Lagen Goldberg und Lämmler sowie herausragende Lagen im Remstal bewirtschaften, haben 2007 gleichfalls einen Verjus herstellen lassen. Für den "2007er Remstäler Verjus" wurde in einer Versuchsreihe ein Cuvée ausgewählt und zusammengestellt. Die Trauben stammen von Fellbachs besten Lagen. Der Agrest/Verjus soll ab Ende Februar auf der Karte stehen. Man kann ihn - neben dem hauseigenen Essig - auch in der heimischen Probierstube "Trottenkammer" (dem ehemaligen Kelterraum des Weinguts) probieren. Der Saft ist leicht naturtrüb und in 0,5 L-Flaschen abgefüllt.



Das pfälzische
Weingut Schädler GdbR in 67487 Maikammer-Alsterweiler hat nun auch einen 2007er "Verjus" auf der Karte: "...Seit ein paar Weingut Schädler in MaikammerJahren haben wir uns mit dem Thema Verjus beschäftigt und nun gibt es den ersten Schädler-Verjus der Rebsorte Regent aus 2007 auf der Flasche. Mitte Juli 2007 haben wir die pilzresistenten Trauben mit der Hand gelesen, als sie gerade anfingen, sich rot zu färben. Das gibt unserem Verjus die zartrosa Farbe."
Der "Verjus - feine Traubensäure" wird in der 0,5 Ltr.-Flasche angeboten.

( 04.2008)


??!! Oh heiliger Bürocratius !
Weiter ist vom Fortgang unserer kuriosen Geschichte vom Winzer R aus O zu berichten:
Martin Renner aus Oberkirch - den die Beschäftigung mit dem in Oberkirch beheimateten Dichter Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen ("Simplizissimus") schon 2002 zum Agrest führte - hat zwischenzeitlich einen Leserbrief an das Fachorgan „Der Deutschen Weinbau“ (Heft1/2008, S. 8f) gerichtet und dort seine Erfahrungen mit Landratsamt und Staatsanwalt mitgeteilt.
– Zugleich hat er zur fachmännischen Beantwortung einiger Fragen aufgerufen, die mit diesem wiederentdeckten Produkt aus dem Weinberg, für das es noch keine klare Produktdefinition und eindeutige lebensmittelrechtliche Beschreibung gibt, verbunden sind.
Mancherorts besteht die Weinkontrolle bei der Etikettierung auf: Saft "aus
unreifen Beeren" und hält nur diese Bezeichnung für allein zulässig. Angesichts des noch geringen Bekanntheitsgrades ist das Zögern mancher Winzer verständlich. Wer will schon ein Produkt mit der (Ab-)Qualifizierung "unreif" verkaufen?

Dass es auch anders geht, zeigt nicht nur die in Frankreich gebräuchliche Bezeichnung "Jus de raisains verts" (=Saft aus grünen Trauben). Auch auf manch deutschen Etiketten ist "Saft aus grünen Beeren" zu lesen. Vielleicht findet man auch hierzulande zu einer sinnvollen Lösung, wenn etwas mehr Informationen über die traditionsreiche Geschichte dieses Würzmittels auch in den zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektionen angekommen sind. In den europäischen Nachbarländern stoßen die Winzer jedenfalls nicht auf vergleichbare Hemmnisse. Und die weltweite Vermarktung ist ohnedies schon seit Jahren in Gange.
Die Diskussion ist jedenfalls angestoßen....

Einen ersten Beitrag unter dem Titel Tipps zur Herstellung und Marketing von Verjus liefern dazu im gleichen Heft drei Autoren der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt am Staatsweingut Weinsberg. Sie berichten nicht nur von den ersten Erfahrungen bei der Verarbeitung ihrer pilzresistenten Sorten Johanniter und Regent, sondern bieten u.a. auch eine anonymisierte Liste von Analysewerten für acht deutsche, sowie für jeweils zwei französische und iranische Produkte. Darüber hinaus beschäftigen sich die Autoren mit der Optimierung von Vermarktungs- und Kommunikationsstrategien.

Zu letzteren gehört im Übrigen die immer wieder bestätigte Erfahrung von der verkaufsfördernden Wirkung „narrativer Begleitung“, wie jeder Winzer dies bei seinen Weinproben erfährt. Das meint ganz einfach: Je interessanter die Geschichte ist, die ein Winzer zu seinem Produkt zu erzählen weiß, umso größer ist das mögliche Interesse seiner Kunden.

Auffällig ist, dass die drei Weinsberger Autoren den Eindruck erwecken, als fürchteten sie die traditionsreiche Bezeichnung „Agrest“ wie der Teufel das Weihwasser. Zugunsten des französischen "Verjus" bleibt der Agrest in dem fünfseitigen Beitrag (S.12f.) völlig unerwähnt. Das ist insofern erstaunlich, als das vorausgehende Heft des „Deutschen Weinbau“ (Nr. 25/26, S.14f.) noch im Dezember 2007 einen ersten Überblick zur Geschichte des Agrest ( - eingestandenermaßen aus der Feder des Autors dieser Zeilen - ) abgedruckt hatte.

Da die Wertschätzung „kultureller Tradition“ zu den Signaturen und Standards der deutschen Weinvermarktung gehört - wie gerade in Brüssel bei der Weinmarktreform wieder heftig ins Feld geführt -, bleibt zu hoffen, dass auch in diesem Fall der Schatz an historischer Überlieferung nicht ungehoben bleibt.

(Stand 02.2008)


noch mal zu Bürocratius ...

Rechtzeitig vor der neuen Erntemöglichkeit 2008 hat Rudolf Litty vom Weinbauamt Neustadt in „Der Deutsche Weinbau“ (Nr. 11 vom30. Mai 2008, S. 23) einige wichtige Hinweise gegeben, die interessierten Winzern bei der Bewältigung bürokratischer Hindernisse hilfreich sein können.
Dass man angesichts der gerade erst begonnen Wiederentdeckung des traditionsreichen Produktes "amtlicherseits" auf der Bezeichnung „Saft unreifer Trauben...“ zu bestehen scheint, mag mancher eher als Hindernis, denn als Chance für die Markteinführung ansehen. Auch Salatgurke und Grüne Bohnen essen wir im unreifen Zustand, ohne dass dem Landwirt oder Händler die Kennzeichnung "unreif" vorgeschrieben wird. Und wer will schon gerne ein „unreifes“ Produkt verkaufen?
In Frankreich begnügt man sich mit der Bezeichnung „Saft aus grünen Trauben“ und einem Hinweis auf die seit dem Mittelalter bestehende Tradition dieses Würzmittels. Ob man sich vielleicht doch zu einer EU-weit einheitlichen Regelung durchringen könnte? Eine internationale Etikettensammlung wäre sicherlich leicht zu beschaffen ;-)

Verjus - das ist zu beachten

Achtung: Der Zusatz von Schwefeldioxid oder Sulfit ist nicht zulässig! Das Produkt muss in Geruch und Geschmack fehlerfrei und darf nicht trüb sein. Ein Mindestmostgewicht oder Säureanteil ist nicht vorgesehen. Die Wartezeiten beim Pflanzenschutz sind einzuhalten!

Mengeregulierung: Die Herstellung von Verjus belastet das Vermarktungskontingent. und ist abzuschreiben. Bei Zukauf der Trauben gilt: 100 kg Trauben entsprechen 75 Liter Wein. Wird Verjus aus eigenen Trauben erzeugt, ist nur die tatsächlich erzeugt Menge an Grünsaft vom Verarbeitungskontingent abzuschreiben.

Bezeichnung: Bei dem Produkt Grünsaft handelt es sich um ein Lebensmittel eigener Art. Es ist wie folgt zu kennzeichnen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
• Als beschreibende Verkehrsbezeichnung sollte neben der Angabe Verjus oder Grünsaft der Hinweis auf dem Etikett stehen: „Saft unreifer Trauben zum Würzen“ oder „Saft aus unreifen Weintrauben zum Würzen“
• Sofern weitere Zutaten verwendet werden, ist ein Verzeichnis der Zutaten notwendig (im konkreten Einzelfall sind die Angaben zu prüfen)
• Mindesthaltbarkeitsdatum (etwa 1,5 Jahre)
• Los-Nummer
• Inhalt (Nennvolumen)
• Die Angabe einer Rebsorte ist möglich, sofern der Grünsaft ausschließlich aus dieser Rebsorte gewonnen wurde
• Name oder Firma und die Anschrift des Herstellers "


Quelle:
http://www.der-deutsche-weinbau.de/

Im gleichen Heft (ebd. S. 23) berichtet Lothar Gehrum (siehe oben) über seine Erfahrungen, die er als Dienstleister bei der Herstellung von Agrest/Verjus für einzelne Winzer gemacht hat. Dass er dabei im Umgang mit den Behörden ziemlich genervt scheint, ist zwar dem Editorial des Heftes, nicht aber seinem kleinen Interview zu entnehmen. Unsere Anfragen blieben seit dem Frühjahr 2008 jedenfalls unbeantwortet....

(06.2008)


2008 ... es geht weiter....

Anfang August – oder auch schon etwas früher – ist der ideale Lesezeitpunkt für Agrest-Trauben.
Und längst ist von neuen „Wiederentdeckern“ zu berichten:

In Mainz hat ein Berufsschullehrer schon im vergangenen Jahr mit seinen Küfer- und Winzer-Schülern ein Agrestprojekt gestartet und sie werden die von ihnen hergestellte traditionsreiche Würze anlässlich der 900-Jahr-Feier in Aulhausen, einem liebenswerten ehemaligen Rheingauer Töpferdorf, den Besuchern auch am Beispiel historischer Rezepte vorstellen.

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Gerd Koefer 79219 Staufen – GrunernGerd Köpfer aus Staufen-Grunern erntet schon eine kleine Mengen von grünen Trauben der Sorte Merzling, weil er Verjus herstellen will", meldet die Badische Zeitung am 31.7.2008 – auch wenn die Zeitung immer noch einmal den längst obsoleten Satz von Wikipedia wiederholt: „Nachdem die Kreuzfahrer Zitronen nach Europa brachten, verloren die Europäer weitgehend das Interesse am sauren Traubensaft“.
Mensch Leute: Die Kreuzfahrer fuhren im 11. Jahrhundert !!!!…. Siehe oben… durch sie haben wir diese Würze überhaupt erst kennen gelernt und die war bis ins 19. Jahrhundert in der Küche präsent! Da hätte der Journalist lieber den alten Kämpen Gerd Köpfer fragen sollen, der sich mit seinen über 80 Jahren nicht nur mit der Geschichte der Region beschäftigt, sondern auch schon seit Jahrzehnten biologisch wirtschaftet. Seine Merzlingtrauben hat er am 23. Juli gelesen, die mit 15 Grad Oechsle und 35gr Säure nachgerade geradezu Idealwerte hatten. Auch hier hat Lothar Gehrum aus Hambach mit seinen Erfahrungen zur Seite gestanden und den Saft auf 0,5L-Flaschen abgefüllt.
Gerd Köpfer hat auch die Bio-Tradition weiter gegeben. Sein Sohn Paulin Köpfer ist der Vorsitzende von ECOVIN Baden und Initiator der alljährlichen Bestenauswahl von ECOVIN- und Bioland-Weinen.

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Weingut Kirch BodenheimDie „Allgemeine Zeitung Mainz“ vom 7.8.2008 meldet:
Die beiden Bodenheimer Winzer Stephan Kirch und Stephan Schöller haben ihre ersten Trauben schon Ende Juli lange vor dem Start der Weinlese eingebracht. Regenttrauben, überwiegend noch grün mit einigen sich schon ins Violette färbenden Beeren. "Der Weinberg liegt gleich nebenan, da konnte ich sie besonders schnell verarbeiten", berichtet Kirch….Stephan Kirch ist Inhaber des Weingutes Heribert Kirch in Bodenheim am Rhein und Stephan Schöller ist Weinberater (Weinchemisches Labor) und Projektleiter des DLG-Bundesweinprämierung.
Man hat auf 0,5L-Flaschen abgefüllt (Preis: 8,90 Euro). Eine Internetseite hat das am Dorfrand von 55294 Bodenheim gelegene Weingut nicht, ist aber im Schreiberweg 2 (Tel. 06135- 22 57) für alle in der Mainzer Region leicht zu erreichen. Und vielleicht kann man dort in der Straußwirtschaft Zur Guten Stube ja auch bald etwas mehr über die Geschichte erfahren und gar von jenen mit Agrest zubereiteten Speisen kosten, die der Kurmainzische Mundkoch Max Rumpolt 1581 in seinem Kochbuch so hingebungsvoll beschrieben hat.

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Ein interessantes Experiment: Agrest/Verjus aus TafeltraubenTafeltrauben Verjus
Die
Erzeugergemeinschaft Zabergäu-Tafeltrauben (Region Heilbronn) produziert und vermarktet seit 2005 einheimische Tafeltrauben; eine echte Alternative zum breiten Angebot ausländischer Ware, die über endlose Transportwege nach Deutschland gebracht wird und – wie im vergangenen Jahr – nicht selten mit Rückstandsproblemen zu kämpfen hat. Leider hat der Handel noch nicht richtig angebissen und man muss auf bewusste Verbraucher hoffen, die an nachhaltigem Wirtschaften interessiert sind und regionale Produktion unterstützen.
Erzeugergemeinschaft Zabergaeu
Daniel Kohler (Dürrenzimmern), Markus Stengel (Botenheim), Hermann Wein und Wolfgang Mayer (beide Meimsheim) haben zusammen mit der Wein- und Fruchtsaftkellerei Wörthmann in Lauffen aus den besonders aromatischen Sorten Pallatina, Muscat bleu und Angela am 18. Juli gerade ihren ersten Agrest hergestellt. Neugierig wird man ihr Produkt mit jenen aus den Keltertrauben vergleichen…

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Ranschbacher SeligmacherDas Bio-Weingut Franz Braun im pfälzischen Ranschbach, das auf seinen Seiten auch eine Menge über die Geschichte der Region und seine Weinlagen zu erzählen weiß (z.B. hier über die schönbenamte Lage "Seligmacher"), hat in den ersten Augusttagen seinen ersten Verjus/Agrest aus Johannitertrauben geerntet. Bei seinen Kundeninformationen über die Geschichte des Würzmittels geht der Winzer gar bis auf arabische Gewährsleute wie den Arzt Ibn Gazla zurück, dessen Kochbuch aus dem 11. Jahrhundert, das "Minhag al-bayan", im 15. Jahrhundert sogar in bairische Mundart übersetzt wurde. Die Verarbeitung der Ernte lag in den mittlerweile bewährten Händen von Lothar Gehrum. Abgefüllt wurde auf 0,5L-Flaschen.

 

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Weingut Himmel HochheimDas Weingut Himmel in Hochheim am Main bewirtschaftet rund 5,5 Hektar Rebfläche in besten Hochheimer Lagen, die traditionell zum Weinbaugebiet Rheingau gehören. Emmerich und Annette Himmel haben im August 2008 ein erstes Experiment gewagt und aus rund 300 Kilogramm grüner Riesling-Trauben 40 Liter Verjus hergestellt. Der Weinberg, aus dem die Trauben stammen, ist von seinem Zuschnitt so angelegt, dass für diesen Test einige Zeilen leicht aus dem Pflanzenschutzprogramm herausgenommen werden konnte. Annette Himmel, die sich auch gerne mit der Kräuterküche und ihrer Geschichte beschäftigt, erhielt die Anregung für diesen Versuch von einem schwärzwälder Gastronomen, durch die Lektüre eines historischen Romanes und nicht zuletzt auch von diesen Seiten, wie sie versichert. Um Erfahrungenim Umgang mit diesem ungewohnten Erntegut zu sammeln, ging man bei bei der Verarbeitung und Konservierung unterschiedliche Wege, die vor allem Handarbeit verlangten. Kaufen kann man den neuen Agrest zwar noch nicht, aber beim Sommerfest des Weingutes am 23/24. August konnten die Kunden schon erste Proben verkosten. Im nächsten Jahr, so ist zu erfahren, will man aber den Großversuch wagen und das traditionsreiche Produkt ins Sortiment aufnehmen.

**** 08.2008

Pfalzwein e.V. bietet seit neuestem auf Anfrage eine Anbieterliste (leider hat die Seite keine Suchfunktion) von acht pfälzischer Verjus/Agrest-Lieferanten an. Einige sind hier oben schon genannt. Weitere sind 2008 hinzu gekommen.
(Dass Pfalzwein e.V. nach Auskunft von Kunden Pressemeldungen verschickt, in denen ganze Passagen von dieser Seite abgekupfert sind, ohne die Quelle zu nennen, ist ein andere Sache; jedenfalls kein guter Stil.)

Das Weingut Ökonomierat Lind im südpfälzischen Rohrbach (76865), das seine Weinberge seit 1980 biologisch bewirtschaftet. Für die Karte Weingut Ökonomierat Lind, Rohrbach hat man - keine schlechte Idee - die delikate Bezeichnung "Grünsaft aus Junitrauben" gefunden. Hergestellt wurde der Agrest aus der frühreifenden Ortega-Traube, einer Kreuzung aus Müller-Thurgau x Siegerrebe (Würzburger Züchtung 1971), die ohnehin gegen Peranospora und Oidium weniger anfällig ist. Abgefüllt wurde auf 0,5L-Flaschen.

Dieter Schmitt bearbeitet in seinem Weingut in 76829 Landau-Godramstein, Plöckgasse 2, knapp 3 1/2 Hektar, die schon der Urgroßvater angelegt Weingut Gebr. Schmitt LD/Godramsteinhat. Es hat ihn schon immer gewurmt, dass die Trauben aus der grünen Lese sinnlos verschwendet wurden. In diesem Sommer ist aus den Regenttrauben der erste Agrest entstanden, den er seinen Kunden zur Verkostung anbietet. Abgefüllt auf 0,5 L-Flaschen. Eine Internetseite gibt es noch nicht. Telefon: 06341-63339

Weitere Pfälzer Weingüter mit Agrest/Verjus:
(Die Anfrage, ob es sich jeweils um Eigenproduktion oder um Ankauf handelt, blieb bisher unbeantwortet.)

AAX Krahl`s Weine, 76835 Hainsfeld
Weingut Seitz Schreiner, 76835 Rhodt unter Rietburg
Weingut Helmut Schreieck, 67437 St. Martin

Landesweingut Kloster Pforta
Beim
Landesweingut Kloster Pforta knüpft man gerne an der langen Weinbautradition an, die sich mit der ersten urkundlichen Erwähnung der Klosterweinberge von 1154 verbindet. 1993 ging das Volkseigene Weingut in das Eigentum des Landes Sachsen-Anhalt über und bewirtschaftet heute knapp 50 ha, auf denen nun auch historische Sorten wie der „Weisse Heunisch“ oder der Elbling wieder angebaut werden. Im Sommer 2008 wurde aus dem neu aufgerebten gemischten Satz der ersten Agrest geerntet und im September beim Weinfest den Kunden unter anderem an einer Cocktailbar präsentiert. Die relativ kleine Ernte von 30 Litern fand soviel Zustimmung, dass man die reguläre Produktion im kommenden Jahr aufnehmen wird.

Auch ein Bietigheimer Nebenerwerbswinzer - der eigentlich gerade mit seiner Diplomarbeit beschäftigt ist - hat sich vom vergessenen Wissen um das alte Würzmittel anregen lassen. Aus dem vom Großvater ererbten Weinberg hat Roland Grimm probeweise eine kleine Menge Agrest produziert und zur Freude neugieriger Besucher des traditionellen "Bietigheimer Pferdemarktes" zur Verkostung angeboten.

Weingut Heil 67281 Kirchheim
Matthias Heil vom Weingut Familie Heil in 67281 Kirchheim an der Weinstraße, das gleich von einem ganzen Team von Angehörigen betrieben wird, weshalb man die zur Weintraube formierten Fingerabdrücke aller Familienmitglieder zum Logo erwählte, hatte schon vor ein paar Jahren "zufällig von Verjus erfahren", wie er sagt. "Danach geriet die Idee selbst Verjus herzustellen wieder in Vergessenheit, bis sie durch die Artikel im Deutschen Weinbau wieder auflebte."
Für die erste Produktion hat man 2008 dazu die Sorte "Phönix" gewählt, bei der wie beim "Regent" die Pestizidbehandlung frühzeitig eingeschränkt werden kann. "Etliche Kunden haben schon mehrmals nachgekauft, und somit sehe ich Verjus für meinen Betrieb als ausbaufähiges Neuprodukt mit Vermarktungspotential. Nachdem die Ernte 2008 schon großteils verkauft ist, ist für 2009 eine Ausweitung der Produktion vorgesehen." Auch hier hat Gehrum die Verarbeitung übernommen. Abgefüllt wurde auf 0,5L.

**** (Nov..2008)


AGRAZ-SteinbaeckerMit dem französischen "Werschüü" mag ja nicht nur mancher Rheinhesse seine Schwierigkeiten haben, und das Wort könnte manchem vielleicht all zu ähnlich klingen wie "Worscht". So klingt sicher kein "Premium-Produkt". Das sprachliche Problem regt die Fantasie zu Neuschöpfungen an, wie bei einem der neuen Produzenten zu lesen ist. Er hat den Saft deshalb wohl auch "VERSUS" genannt und sich so einen eigen Reim (versus, lat. = Reim, Vers) auf die Geschichte gemacht....

Da scheint mir ein österreichischer Winzer entschlossener. Er hat nach seinen ersten Versuchen mit dem "Verjus" auf dem Etikett wieder zum traditionsreichen Agraz gegriffen.
Markus Steinbäcker, der den Weinbau im Nebenerwerb betreibt, hat es vor allem die phonetische Nähe zum Namen seiner Stadt Graz angetan. Die alten österreichischen Kochbuchhandschriften und -drucke verwenden meist den Begriff "Agreß" oder sie sprechen, von den "Weinbeerl", die - wie auch hierzulande - von vielen Köchen dem damals doch recht instabilen Saft vorgezogen werden. (Jan. 2009 / 11.2009)

Der Quereinsteiger hat 2010 mit dem Aufbau eines Webshops begonnen, in dem er Agraz, Agrest und Verjus aus der ganzen Welt anbieten möchte. (09.2010)

****


auch 2009 geht es weiter

Nun auch an der Mosel
Weingut Kiesgen Mosel
Das Weingut Kiesgen in 54470 Lieser a.d. Mosel, nicht weit von Kues, hat 2008 Agrest aus Trauben vom Grauburgunder hergestellt und - wie erfreulich zu sehen - nennt ihn auch so auf Karte und Etikett. Das Weingut, das 4 Hektar Weinberg bewirtschaftet, besteht seit 1650 "und wird bis zur heutigen Zeit als Familienbetrieb geführt". Nahe am Moselufer gelegen, bieten die Kiesgens auf ihrem Gut auch Ferienwohnungen an und dazu gleich ein Bündel an regionalen Informationen für neugierige Gäste.
Dass sich Ursula Kiesgen, die aus dem Fränkischen stammt, gerne mit "altem Wissen über Pflanzen, Gewürze, Kräuter und Weinbau" beschäftigt, bezeugt nicht nur ein interessanter kleiner genealogischer Hinweis zum Ursprung des Namens Kiesgen, sondern auch ein qualifizierter "Lexikoneintrag" auf den Seiten des Weingutes, wo man zu der im Agrest enthaltenen Weinsäure lesen kann: "Die Weinsäure ist einer der 3 bekannten Aromaverstärker - Kochsalz, Glutamat und Weinsäure".
Zum Agrest, der 0,5L abgefüllt ist, gibt es neben dem Lexikoneintrag zwar noch keine eigene Seite, aber man findet ihn unten auf der Karte des
"Weinangebotes"

Weiterhin gehören zu den "Neuen Produzenten":
Weingut Rienth in 70734 Fellbach und Weingut Zimmer in 71394 Kernen
Leider waren nähere Details nicht zu erfahren. Informationen also über die Internetadressen.

Unter den "Wiederentdeckern des Agrest" sind damit nun
alle deutschen Weinbaugebiete vertreten.

Die nördlichsten Produzenten:
Wijngaard Wageningse Berg
Nicht dass wir unsere Nachbarn hier eingemeinden wollen. Aber es ist eine erfreuliche Nachricht:
Auch die Niederländer, die einst den Verjus von Frankreich nach England importierten, haben den grünen Traubensaft wiederentdeckt. Im Bio-Weingut von Jan en Els Oude Voshaar in
"Wijngaard Wageningse Berg" (Ribeslaan 2, NL-6706 CG Wageningen), rund 30 km nördlich von Nijmegen gelegen, die 1991 den Weinbau noch als Hobby begannen, aber längst zu preisgekrönten Winzern aufgestiegen sind, wurde im vergangen Jahr 2008 zum ersten mal "Verjus" hergestellt. Es waren zwar nur 150 Flaschen aus der pilztoleranten Rebsorte Regent, die auch alle schon ausverkauft sind. Die Winzer sind von ihrem Produkt jedoch so sehr überzeugt, dass sie auch im laufenden Jahr 2009 die Produktion fortsetzen und ausweiten werden. Dieses Weingut ist derzeit wohl der nördlichste Produzent unter allen Wiederentdeckern und die Reaktionen auf diesen Versuch - hier nur ein Beispiel - rechtfertigen die Vermutung, dass auch andere der mittlerweile rund 30 niederländischen und belgischen Winzer dem Beispiel folgen werden. Längst experimentiert man dort auch mit neue Rebsorten, die unter den sich wandelnden klimatischen Bedingungen selbst in Dänemark noch zur Reife kommen....

06.2009
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Unter der Überschrift "Auftakt der Weinlese mit Verjus“ berichtet das "Weinbaufax" der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim (Link: Weinbaufax) vom 6. August 2009 von den ersten Versuchen des vergangenen Jahres. Zugleich gibt der Text wichtige getränketechnische Hinweise, die für Spätentschlossene jetzt gerade noch von Interesse sein könnten:

"... Unser Ziel war es, auch im Hinblick auf das Silvanerjahr 2009, einen Verjus aus Silvaner Trauben zu produzieren. Um erste Erfahrungen zu sammeln, war ein Vorversuch mit der Rebsorte Johanniter geplant, da es hier keinerlei Wartezeiten bezüglich Pflanzenschutzmittel gab, weil diese pilzresistenten Anlagen nicht behandelt wurden. Letzten Endes wurden aufgrund der verzögerten Reife doch beide Sorten am selben Tag geerntet.

Erntetermin war der 11. August 2008 zu einem Zeitpunkt, als das Mostgewicht (in °Oe) in etwas gleich der Mostsäure (in g/l) lag. Nähere Analysenwerte in folgender Tabelle:
Rebsorte Mostgewicht Mostsäure pHWert Zucker
Johanniter 30°Oe 35,2 g/l 2,58 32,2
Silvaner 27°Oe 35,5 g/l 2,65 24,2

Das noch sehr unreife Lesegut wurde gemahlen und anschließend mit einer Hydropresse abgepresst. Der daraus gewonnene Saft wurde mit Kohlendioxid überschichtet um eine Oxidation und die damit verbundene Braunfärbung zu vermeiden. Trotz dieser Maßnahme entwickelte der Saft der Rebsorte Johanniter eine pinkartige Farbe.
Um im späteren Endprodukt keine Trübung durch thermolabiles Eiweiß zu riskieren, wurde der Most mit 300 g/hl Bentonit, und anschließend zur besseren und schnelleren Klärung mit 50 ml/hl Kieselsol und 5 g/hl Gelatine geschönt. Der Verjus lagerte zur Selbstklärung zwei Tage im Kühlhaus bei ca. 0°C. Am 13.08.08 wurde der Most mit K100 vorfiltriert und anschließend mit EK-Schichten eingelagert. Um jegliche Gefahr einer Angärung auszuschließen wurde der Verjus heißsteril bei ca. 75°C in vorgewärmte 0,25l-Bocksbeutel mit Schraubverschluss abgefüllt. Insofern kann evtl. auf die EK-Filtration verzichtet werden. Das Endprodukt probiert sich außerordentlich interessant und kann zu Recht in die Kategorie „Säuerungs- und Würzmittel“ eingestuft werden. Silvaner eignet sich mit einem dezenten Fruchtaroma weitaus besser als der rau und kratzig schmeckende Johanniter. Geöffnete Flaschen sollten stets kühl aufbewahrt und innerhalb weniger Tage aufgebraucht werden, da der Inhalt prinzipiell gärfähig ist und auch für andere Mikroorganismen wie etwa Schimmelpilze eine Nahrungsquelle darstellt. Bei Eigenverbrauch könnte während der Herstellung schwach geschwefelt werden, um den mikrobiologischen Schutz etwas zu verlängern. Beim derzeitigen Reifestand wäre zum jetzigen Zeitpunkt die Produktion in vielen Fällen noch möglich, sofern die in Frage kommenden Rebflächen bei Pflanzenschutzmaßnahmen berücksichtigt wurden."

08.08.2009
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Auch das Weingut Julius Renner in Oberkirch bietet jetzt einen rosefarbenen Verjus an (0,5L), Zu den Winzern, die im August 2009 ihren ersten Versuch mit der Ernte eines Verjus/Agrest gemacht haben, gehört auch das Weingut Schlössel in Kirrweiler (0,5L). Details waren bisher nicht zu erfahren.....

Weingut Fürst Hohenlohe-Oehringen
Das
Weingut Fürst Hohenlohe-Oehringen in Öhringen Verrenberg hat am 03.August 2009 ca. 400 kg Regent-Trauben (grün) geerntet, "um hieraus den neu entdeckten Verjus-Saft zu pressen" und hat ihn auf 0,5L abgefüllt. Übrigens verspricht das Fürstliche Weingut auf seinen Seiten, "Rezepteinsendungen zu unserem Verjus mit einer Flasche Sekt zu belohnen". Das ist doch ein tolles Angebot. Wir haben es mit der Einsendung u.a. eines Agrest/Rezeptes der Gräfin Anna von Hohenlohe aus dem 16. Jahrhundert versucht.

 Weingut Ellinger Kusterdingen
Der 55-jährige Diplom-Geologe Thomas Ellinger aus 72127 Kusterdingen (Gartenstr. 4) hat seinen Verjus schon im vergangenen Jahr von einer seiner kleinen Bio-Parzellen geerntet. Im Herbst 2008 hatte er ihn den Tübingern bei einem Volksfest angeboten, die jedoch die kulinarischen Chance in ihrer Nähe offensichtlich noch nicht wirklich erkannt haben. In diesem Jahr hat Elinger, der - wie er sagt - u.a. auch deshalb zu diesem Beruf kam, weil ihm "eines Tages ein Weinberg in Hirschau zugelaufen ist“ und ihn zu einem leidenschaftlichen Winzer machte, auf den Verjus verzichtet, weil ihm - wie vielen anderen Bio-Winzern in diesem Jahr - der frühe Oidiumdruck und die Peranospra zu schaffen machen und er seine Trauben lieber für die Weinernte aufsparen will. Das ist vielleicht keine Entscheidung für immer, wenn neugierige Tübinger ihn doch noch dazu drängen sollten, ihnen noch einmal eine kulinarische Chance zu geben...

22.08.09
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Unter den Neuerungen des Stuttgarter Weindorfs 2009 (26. August bis 6. September) vermeldet das Stuttgarter Wochenblatt nicht nur, dass die Besucher den "Trollinger on the rocks" probieren können. Anders als die Tübinger haben sie auch die Chance zu erproben, was es mit dem Agrest/Verjus auf sich hat."Ganz schick ist in diesem Jahr auf dem Weindorf das Kochen mit Verjus, der im Mittelalter gebräuchlichen und nun wiederentdeckten Essenz aus grünen, unreifen Weintrauben. Einige Weindorfwirte nehmen zum Abschmecken statt Essig jetzt Verjus."

30.08.09
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Stuttgarter Nachrichten vom 5. August 2009:
"Ganz besonders stolz ist die Marketingchefin der Fellbacher Kellerei, dass es ihr grüner Saft bis in die Küche des Schlosses Bellevue in Berlin geschafft hat. Dort steht Jan Göran-Barth am Herd und kocht für Bundespräsident Horst Köhler und dessen Staatsgäste."


Ecovin-Nachrichten vom 3.9.09
"Für Rheinhessen berichtet Johann Schnell: "Die Federweißer-Lese läuft.
Axel Schmitt aus Ober-Hilbersheim hat die noch nicht ausgereiften Trauben für den Verjus gelesen. Dieser unvergorene Saft ist trotz hohem Säuregehalt sehr fruchtig und als Essig-Ersatz oder alkoholfreier Zusatz für eine Schorle gedacht. Mehrere ECOVIN-Betriebe werden dieses neue Produkt den Kunden anbieten. Wir selbst werden ab 10. September ernten, als erste Sorte ist der Frühburgunder dran."
Sein Verjus wird auch im Weingut Huster in 55218 Ingelheim-Großwinternheim angeboten.

06.09.09
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Mini Garage Winery Anthony Robert Hammond.und Simone Böhm, die in 65375 Oestrich-Winkel im Rheingau ihre "Mini Garage Winery" betreiben, haben vor allem ein junges Publikum im Auge, wenn sie z. B. ihre restsüßen Weine unter dem Label "Sugar Babe" oder "Paradise Garage" anbieten. Abgefüllt auch in kleinen Flaschen mit Kronkork-Verschluss findet man sie in Kinos, Szeneläden, Bars und Clubs, und man kann den Wein, wie Bier oder Alco-Pops, gleich aus der Flasche trinken. Auch für ihren Agrest haben sie sich eine entsprechend schräge Variante einfallen lassen: Er firmiert unter dem Label SAUER-STOFF und stammt aus einem Grauburgunder-Weinberg ("Geisenheimer Mäuerchen"), der ohnehin ausgedünnt werden sollte. Im frühen August - natürlich unter Beachtung der Wartezeiten - wurde er gelesen und hat eine kräftige Säure. Neben der üblichen Verwendung in der Küche lieben ihn die Winemaker vor allem als Cocktail: SAUER-STOFF mit Eis und Whiskey: Whiskey Sour.
Das Hessische Fernsehen hat die beiden im November kurz vorgestellt:
Video

14.01.2010
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Weingut-WagnerDas Weingut Wager in 55270 Essenheim, im Mainzer Hinterland, wird von den Brüdern Ulrich und Andreas Wagner betrieben. Andreas Wagner ist auch promovierter Historiker und schreibt nebenher weingesättigte Krimis (Video) wie "Abgefüllt", "Herbstblut" oder zuletzt "Der Tote in der Dornfelder-Maische". Doch glücklicherweise nicht von diesem Dornfelder sondern von frühen Rieslingtrauben stammt der Wagner'sche Verjus und die Anregung kam bei einer Frankreichreise: "Ich habe den Verjus in Frankreich kennen gelernt, als Bestandteil einer Salatsauce. Sie war hell, fruchtig und man konnte Weißwein dazu trinken; d.h. die Sauce war sehr mild. Der Koch hat mir dann das alles erzählt und da dämmerte es mir, dass es Verjus sein musste. Den ersten Jahrgang haben wir aus 2008er Trauben gemacht; der war dann so schnell ausverkauft, dass wir 2009 nachgelegt haben." Man findet ihn in der Kategorie "Sekte-Säfte-Brände" in 0,375 L-Flaschen.

Weingut-HilgertDer Weinbaubetrieb von Leander Hilgert in 55457 Horrweiler ist seit 1899 in Familienbesitz. Der junge Winzer übernahm ihn kaum ein Jahrhundert später von seinem Vater Wilfried Hilgert, der sich vor allem im Rheinhessischen als Wein- und Mundartdichter einen Namen gemacht hat, und seiner Mutter Hannelore, einer Bildhauerin. Vielleicht waren es diese künstlerischen Impulse, die sein Leitmotiv "Mut zur Veränderung schafft vollkommenen Genuss" geprägt haben und seine Neugier wach halten. "Unseren Verjus habe ich mit einem Freund zusammen erzeugt. Er stammt aus seinen Weinbergen und ist aus den beiden pilzresitenten Rebsorten Johanniter und Mornarch gewonnen. Gelesen haben wir ihn in der ersten Augustwoche 2009." Den Verjus findet man im Shop unter der Kategorie "Zum Genießen". Abgefüllt wurde in 0,24 L-Flaschen.

Weingut RegneryDas Weingut F. J. Regnery in 54340 Klüsserath an der Mittelmosel - seit dem 17. Jhdt. in Familienbesitz -.liegt heute in den Händen von Peter Regnery, der das Weingut 2000 übernahm. "Wir sind ein kleines Familienweingut, dass ausschließlich steile Südhänge an der Mittelmosel unter hohem Qualitätsanforderungen bewirtschaftet. Neben Riesling haben wir - für die Mosel ungewöhnlich - auch 25% Spätburgunder." Gelesen wurde der kräftig-fruchtige Verjus von den Rieslingreben und erstaunlicherweise (Wartezeit!!) erst "am 19. August und in herrlichem Sonenschein. Mich hat das neue Produkt gereizt. Realisiert war es dann innerhalb 2 Wochen. (...) Der Verjus hat viele Vorteile verglichen mit den traditionellen Würzmitteln". Abgefüllt wurde 0,5L-Flaschen.

Die Anregung kam übrigens vom
"Naturpark Saar-Hunsrück", der u.a. im Rahmen des Projektes "Straße der Römer" die Winzer ermuntert, "den Verjus wieder aufleben zu lassen". Gudrun Rau, die Geschäftsführerin dazu: "Jetzt sind wir daran, die Gastronomiebetriebe und die Köche und Küchenmeister zu motivieren, wieder mit Verjus zu kochen." Bravo. Eine vergleichbare Initiative muss man im Rheingau erst noch entdecken.

21.03.2010
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Weingut StrengDas Weingut Johann Streng in 97334 Sommerach findet man auf der Weininsel. Im fränkischen Innenhof mit mediterranem Flair gibt es eine repräsentative Weinstube und ein Gästehaus. 2009 hat man den ersten Verjus "aus Trauben aus der Umstellung auf den ökologischen Landbau" und "aus reiner Kochleidenschaft" hergestellt. Der Großteil der Ernte findet in der eigenen Küche Verwendung. Nur wer selbst erfahren hat, sagt Karl Streng, "dass Verjus einen wunderbaren nussigen Geschmack entwickelt und die feine Säure die Speisen hebt, wird dieses Produkt kaufen." Die Besucher in der fränkischen Weinschleife jedenfalls können in seiner Gaststube erste Erfahrungen sammeln und ihn zur weiteren Produktion ermuntern, denn, so sagt er, "die Herstellung ist sehr arbeitsaufwendig". Abgefüllt wurde in 0,25 L-Flaschen.

Weingut Frity WalterDas Pfälzer Weingut Fritz Walter in 76889 Niederhorbach betreibt neben Gasthof mit Weinrestaurant und Gästehaus auch eine eigene Destillerie. Der diplomierte Oenologe Eckhard Walter hat seinen Verjus aus St. Laurent-Trauben hergestellt, die relaltiv spät, erst Anfang September 2009 gelesen wurden. Zu seinem Motiv: „Ich bin nicht nur Winzer, sondern auch Gastronom und natürlich Kaufmann", und er nennt sein Produkt stolz "Pfälzer Verjus". Abgefüllt wurde in der 0,5 L-Flasche.

 

Bioland-Weingut Schneider Das Bioland-Weingut Schneider in 76829 Landau-Godramstein, das bisher bereits Essig aus konventioneller Produktion in unserem Programm hat, nutzte die Umstellung auf die Bioland-Zertifizierung und hat in Verbindung mit Qualitätssteigerung durch Traubenteilung seinen Verjus aus Merlot-Trauben hergestellt. Gelesen wurde am 7. August 2009. "Ausschlaggebend war, dass wir als Biolandbetrieb ein ausgefallenes Bioprodukt herstellen wollten, welches die Verbindung "Wein- und Küchen-Genuss" zusammenführt. Bisher hatten wir einen Essig aus konventioneller Produktion in unserem Programm." Abgefüllt wurde in 0,5L-Flaschen.

Bio-Weingut Zaehringer Das Bio-Weingut Wilhelm Zähringer in 79423 Heitersheim im Markgräflerland hat sein aktuelles Angebot von Verjus aus Johanniter noch im Lohnauftrag produziert. Aber "die eigene Produktion ist in Planung mit viel versprechenden Ergebnissen", sagt Diplom Oenologe Ralph M. Ropohl.. "Allerdings liegt die Priorität momentan bei der Erzeugung von Traubenkernöl bzw. Kernmehl. Daher ist die Aufnahme der Verjus-Produktion für 2010 noch nicht ganz sicher." Füllung in 0,25L-Flaschen.

 

Weingut Kaltenthaler Das Weingut Kaltenthaler in 67550 Worms-Herrnsheim hat an der alten Tradition angeknüpft und seinen Verjus aus den "Herlingen" /“Geizen“, also den Trauben aus der zweiten Blüte hergestellt. Gesammelt wurde von den Rebsorten Schwarzriesling, Riesling, Ruländer, Würzer, Regent und Merlot, die gemeinsam abgepresst wurden. Die Ernte erstreckte sich über 5 Tagen. "Kaum zu glauben wie lange man sammeln muss, um gerade mal 200 Ltr. zu pressen." Nach einer Tiefkühlung auf -4°C und einer Weinsteinstabilisierung erfolgte die heißsterile Abfüllung. Für Frank Kaltenthaler, der sich schon seit 20 Jahren auch mit Essig und auch der langwierigen Balsamico-Herstellung befasst, ist der Verjus "ein weiteres Bindeglied zwischen Wein und Essig". Füllung in 0,25L-Vierkantflaschen.

 Weingut Schwarzer Adler Das Weingut Schwarzer Adler in 91472 Ipsheim hat seinen Verjus von der Rebsorte Müller-Thurgau geerntet, die bereits am 5.8.2009 gelesen wurden. Die Parzelle war allerdings so gelegen, dass sie frühzeitig aus dem Pflanzenschutzprogramm herausgenommen werden konnte. Auch hier steht die Verwendung im eigenen Gasthof und Hotel an erster Stelle. Winzer Jürgen Düll: "Wir sind immer auf der Suche nach Neuem, ohne das Alte zu vergessen. Letztes Jahr war es mit etwa 200 Litern unser erster Versuch, das Produkt herzustellen, aber mit Sicherheit nicht der letzte, denn die Nachfrage ist weiterhin sehr groß - obwohl wir seit Februar keinen Tropfen mehr haben! Anstoß war, dass meine Eltern aus dem Urlaub eine Flasche mitgebracht hatten. Das musste ich dann auch sofort ausprobieren und es hat geklappt." Abgefüllt in 0,5L-Flaschen.

Weingut  Neumer Das Weingut Jakob Neumer in 55278 Uelversheim, das seit 1991 von Lucia & Hubertus Weinmann ökologisch bewirtschaftet, testet gegenwärtig noch den Bedarf an Verjus. "Wir haben nur 300 Flaschen im Verkauf und ich zögere noch". Abfüllung in 0,24L-Flaschen.

 

Weingut Beyer-Baehr Beim Weingut Beyer-Bähr in 67592 Flörsheim-Dalsheim war es der Sohn Sebastian, der zusammen mit einem Nachbar auf die Idee kam: "Unser Sauvignon blanc steht auf zu "gutem" Boden. Deshalb haben wir zwei lange Ruten angeschnitten und eine davon normal angebunden und die andere zum Boden gebogen. Da wir die Trauben von der Boden-Rebe eh nicht verwenden wollten, wurden sie über den Sommer auch nicht mit gespritzt." Die Trauben wurden schließlich am Sonntag (9.8.2009) quasi als kleine Festveranstaltung zusammen mit ein paar Freunden geerntet, sofort abgepresst, bei 80°C pasteurisiert und noch warm in die schlanken 0,35L-Flaschen gefüllt.

Weinmanufaktur Untertuerkeim eG Auch bei der Weinmanufaktur Untertürkeim eG in 70327 Stuttgart, die 2001 aus der Weingärtnergenossenschaft von 1887 entstand und die von der Weinfachzeitschrift "Weinwirtschaft" im vergangenen Jahr zur "Besten Winzergenossenschaft Deutschlands" gekürt wurde, hat man in den ersten Augusttagen 2009 die Regent-Trauben für den Verjus gelesen. "Wir haben den Verjus produziert da er wie Wein ein sehr traditionsreiches Produkt ist, das leider etwas in Vergessenheit geraten ist. Da wir außer Wein weitere Weinprodukte wie Weinnudeln, Traubenkernöl, Traubenkernpesto, Weingelee, etc. führen, passt das Produkt sehr gut in unser Sortiment. Es gibt einige Kunden, die zu uns kommen nur um den Verjus zu kaufen. Wir bieten diesen grundsätzlich zum Kochen an und haben auch ein paar Rezepte, die wir unseren Kunden mitgeben. Eine Kollegin verwendet ihn sogar zum Backen. Zu Weihnachten haben wir unseren gewerblichen Kunden ein Weihnachtspaket mit Verjus und Traubenkernöl angeboten, das sehr gerne als nicht-alkoholische Alternative verschenkt wurde."

Das Weingut Carl Disson in 67434 Neustadt-Hambach hat seinen Verjus aus seinen Weinbergen unterhalb des Schlosses gelesen und in 0,5L-Flaschen abgefüllt.

Weingut NonnenmacherDas Weingut Nonnenmacher in 71665 Vaihingen hat seinen Verjus in 0,5L-Flaschen abgefüllt. Auch wenn dafür bisher noch nicht wieder eine evidenzbasierte Studie vorliegt, verweist das Weingut auf seinen Seiten u.a. auf die alte Verwendung des Agrest in der Heilkunde hin: "Schon im Mittelalter verwendete man diesen Saft zum Würzen von Soßen und Salaten, sowie mit Wasser verdünnt als Durstlöscher. Auch bei Krankheiten wurde er verdünnt getrunken um Bakterien abzutöten und das Immunsystem zu stärken....Täglich 1 Teelöffel Verjus in ein Viertelliter Wasser geben und trinken. Stärkt Magen und Darm, löscht den Durst und steigert das Wohlbefinden."

Weingut AufrichtDas Weingut Robert und Manfred Aufrich in 88719 Meersburg-Stetten am Bodensee, deren Weinberge bis direkt zum Seeufer reichen und das desshalb einen seiner Roseweine auch "Seegucker" nennt, hat seinen "Bodensee-Verjus" aus Grauburgunder hergestellt und in 0,375L-Flaschen abgefüllt. Auf den Seiten des Weingutes gibt es dazu zwar noch keinen Hinweis, Besucher haben ihn dort aber schon zusammen mit Sekt verkostet. Kunden aus der Region sei empfohlen, sich telefonisch über das Angebot zu informieren.

Demnächst hier vielleicht weitere Infos von den angefragten Weingütern:

Weingut Bergkeller, Niederkirchen
Öko-Weingut Janson-Bernhard, Zellertal-Harxheim
Weingut Lergenmüller, Hainfeld
Beim Öko-Weingut Kronenhof, Gau-Algesheim war es 2009 eine einmalige Aktion.

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Wird fortgesetzt ....
Anregungen und Hinweise sind willkommen.

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Weitere Bezugsquellen im Ausland

Auch in der Schweiz und Österreich hat es einige Winzer gepackt; auch sie haben die Initiative ergriffen und aus ihren Trauben "Verjus" hergestellt. Zumindest einige nennen ihn (in Klammern) auch AGREST. Für diesen Begriff gibt es auch in den alten österreichischen Kochbüchern genügend Belege.

Österreich:
Erwin Gegenbauer
Den 43jährige Erwin Gegenbauer, der schon als 16jähriger mit Balsamico-Essigen experimentierte, treibt eine ausgesuchte Liebe zum Sauren um. Er züchtet weit über 600 verschiedene Bakterienkulturen und rund 60 Frucht-, Wein- und Balsamessige gehören zu seinem Stammrepertoire. Wenn seine Besucher den Essig verkosten, träufelt Gegenbauer ihn mittels Pipette unter die Zunge. Denn direkt auf die Zunge geträufelt, wären die empfindlichen Geschmackspapillen beleidigt und die feinen Aromen wären dahin. Immer wieder hat er auch begrenzte Mengen von Agrest im Angebot, zu deren Produktion er kleine Winzerbetriebe angeregt hat.
http://www.gegenbauer.at

Kamptal-VerjusDas Weingut Barbara Öhlzelt in A-3561 Zöbing, das auch unter dem Label "Weinberggeiss" firmiert, hat 2007 zum ersten Mal Agrest aus Veltliner-, Weißburgunder- und Riesling-Trauben geerntet und vermarktet ihn zusammen mit dem Gault Millau-Restaurant Schwillinsky in A-3564 Plank am Kamp als "Kamptal-Verjus" in 0,5L Flaschen.
http://www.weinberggeiss.at/
Weitere Informationen bietet die Seite:
http://www.verjus.at/

Weingut Weninger-Verjus
Auch das renommierte Weingut Weninger in A-7312 Horitschon - nahe der ungarischen Grenze - hat in diesem Jahr 2007 die Produktion aufgenommen. Weninger hat auf den Saft der Zweigelt-Traube gesetzt und seinen naturtrüben "Verjus" in 0,2er Flaschen gefüllt.

 

Er macht auch den AgrazMarkus Steinbäcker in A-7521 Eberau, im Südburgeland, hat ebenfalls seit diesem Herbst 2007 den " Verjus" neu im Sortiment. (Zumindest in Klammer darf er dort auch Agrest heißen.) Steinbäcker bietet gleich mehrere Varianten an: "Verjus" aus Blaufränkisch, Grüner Veltliner, Welschriesling, Zweigelt - und auf Anfrage sogar weitere Sorten aus "dem Wasserschutzgebiet der burgenländischen Weinidylle". Die Füllgrößen sind jeweils 0,75L. und 0,5L.
http://www.steinbaecker-fenster.at/ Bestellen:wein@steinbaecker-fenster.at

 

Frankreich:
Neben dem „Museum für die vergessenen Gemüse“, zu dem sich auch ein Internetausflug lohnt,
http://www.ohlegumesoublies.com
hat Bernard Lafon, der sich sehr intensiv mit der Geschichte des "Verjus" befasst hat, auch ein Internetportal gegründet.

http://www.alimenthus.com
Es vertreibt die regionalen Spezialitäten, die in dem Bio-Betrieb hergestellt werden, der dem Museum angeschlossen ist. Darunter auch unterschiedliche Agrest-Varianten, mit und ohne eingemachte grüne Beeren.
In Deutschland erhältlich bei Manufactum :
http://www.manufactum.de/Produkt/0/1411523/VerjusduPrigord.html?suchbegriff=verjus



Die Brüder Landat, deren „Domaine du Siorac“ in Saint-Aubin-de-Cadelech (Dordogne) zum AOC-Gebiet Bergerac gehört, produzieren schon seit den 1980er Jahren beide Varianten des „Verjus du Périgord“.

http://www.domainedusiorac.fr
In Deutschland wird ihr Verjus von "gourmet-versand", Grüner Weg 6 in 52525
Heinsberg vertrieben. 0,75 L

 


 

Hagen GroteDer Hobbykoch und Firmengründer Hagen GroteVerjus de Bourgogne bietet in seinem Krefelder Versandhaus "Verjus de Bourgogne" aus Aligoté-Trauben von der Côte d`Or an.

Bei der handwerklichen Senfherstellung - Moutarde de Dijon -  wurde er schon seit 1756 an Stelle von Essig verwendet. (Le livre de la Ferme, Paris 1865,II.)
Noch früher hatte diese Idee der anonyme Autor des ersten in deutscher Sprache geruckten Kochbuchs, der Kuchenmeisterey, Nürnberg 1485 (Teil IV,XVIII.)


http://www.besserkochen.de/shopsys/shop_artikel.php?uid=&res_suche[produktnummer]=347Q01&iaid=HOME_Q07_V2_F2

Schweiz:

Weinmacher Chiapparini
weinmacher p., das ist der eigenwillige und ideenreiche Pasquale Chiapparini in CH- 8197 Rafz, in der Region Schaffhausen. Er hat seinen "agrest" für Kleinverbraucher in 0,5L-Flschen abgefüllt. Und die Gastronomie bedient er mit seinem "soagresto" gleich in der 5Liter Bag in Box. Seine Vorräte aus der Ernte 2009 sind zwar fast schon aufgebraucht. Aber auch in 2010 wird es wieder den "agrest" und den "soagresto" geben. Und das ist sicher auch für die Gernzgänger in der Region von Interesse.


Diego Mathier
Diego Mathier vom Weingutes „Nouveau Salquenen“ in Salgesch (bei Sion) im Wallis stellt seit 2005 wieder seinen „Grünsaft“ her.

http://www.nouveau-salquenen.ch/

In Deutschland wird sein Agrest vertrieben durch „Vino d’Italia
in Hochheim am Main.

http://www.vino-d-italia.de/

 


Schwaryenbach

Der renommierte Winzer
Hermann Schwarzenbach aus Meilen am Zürichsee bietet seinen "Meilener Verjus" in Flaschen zu 75cl und 50cl mit einem hübschen Künstleretikett an
- zur Zeit allerdings ausverkauft.
http://www.reblaube.ch/

 

 

Felix Küchler und Agnes Plaschy, Pfyn,Ein „Bio-Verjus“
Felix Küchler und Agnes Plaschy, Pfyn, in CH 3952 Susten VS betreiben einen „Umstellungsbetrieb, von bio-inspecta zertifiziert (bi_Nr. 11135)“. In ihrer „Klein-Landwirtschaft von Hand, aus Überzeugung“ hat es sie verdrießt, „dass Tonnen weggeschnittener grüner Trauben jeden Sommer in den Rebbergen verfaulen“. Schon 2005 begannen sie mit einem ersten Experiment und haben „gleich ein paar Bügelverschlussfläschchen Verjus zu Hause mit kleiner Hand-Traubenpresse gepresst und im grossen Kochtopf pasteurisiert“. 2006 waren es schon 600 Flaschen und in diesem Jahr 2007 wurden vor allem aus Pinot Noir-Trauben gut 2.000 Liter geerntet (Säuregehalt: 28,3 g/l) und in 0,5L-Flaschen abgefüllt. Zur Flasche gibt es ein kleines Rezeptbuch.

http://www.ValNature.ch
Vertrieb über:
http://www.VerjusBio.ch

Italien:

Nachdem die Slow Food-Bewegung Italien den traditionellen „Agresto“ wieder entdeckt hat, stellen einzelne kleine Winzerbetriebe im Friaul ihn dort wieder in begrenzten Mengen her, die bisweilen aber sehr bald ausverkauft sind, wie das etwa bei der „Azienda Agricola Bosimano" in Serra De' Conti der Fall ist.
Zu diesen kleinen Höfen erhält man Kontakt über das Portal
„Aziende aperte“ in der Region Udine

http://www.aziende-aperte.it/partner.asp?fx=desc&comune=Trivignano+Udinese

Dort findet man auch die „Aziende Agricola ARIIS“
in Clauiano (bei Udine), die neben Wein, Essig und Honig
auch den traditionellen „Agresto“ anbietet.

 

 

 

Bei der „Azienda AgricolaTurchi“, so scheint es,
sind die Vorräte wohl etwas größer:
http://www.turchifarm.com/

 

 



Das Weingut „Pittaro“ in Ubicazione in Codroipo (bei Udine)
ist ein recht großes Unternehmen mit einer Jahresproduktion von 450 000 Flaschen Rot- und Weißwein.

http://www.vignetipittaro.com

In dem stattlichen Anwesen mitten in den Weinbergen ist sogar noch ein Weinmuseum untergebracht. Bei seinem „Agresto“ legt der Winzer Wert darauf, dass nach der Ernte im Oktober auch die „Geize“ für die Produktion eingesammelt werden. Dadurch ergibt sich ein leicht erhöhter Zuckeranteil und der Saft nähert sich damit etwas dem an, was man heute unter dem (nicht originalen) „Balsamico“ kennt, der aus einer Mischung von Weinessig und eingedickten Traubensaft besteht.

 

Australien

Maggie Beer produziert ihren „Verjuice“ aus Sangiovese-Trauben, der überall in Australien vertrieben wird. Auf ihren Seiten bietet sie auch eine Reihe von Rezepten aus ihren "Verjuice-Kochbuch" an.
http://www.maggiebeer.com.au/home/

Ihre Bestellseite
http://www.maggiebeer.com.au/products/browse/?Category=CtgrsAcidulant

Eine schönes Kaninchen-Quitten-Rezept von Maggie Beer findet man auch hier:
http://www.abc.net.au/tv/beatthechef/txt/s1366423.htm

Eine australische Forums-Seite, auf der Agrest-Rezepte diskutiert werden:
http://www.florilegium.org/files/FOOD/verjuice-msg.html

Der Koch Franz Scheurer hat sich intensiv mit Maggie Beers Weinbeeren-Saft beschäftigt und bietet eine eigene Rezeptfolge dazu an:

http://www.classic.com.au/wizard/verjuice2005.htm

 


Australien
Das Weingut „Krinklewood“ in Belrose
http://www.krinklewood.com/ourwines/verjuice.html

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Australien
Ebenfalls im "Hunter Valley“ produziert die „Allandalewinery“ auch wieder Agrest aus Semillion-Trauben. Bei gastlichen Events spielt auf dem Hof auch schon mal das Sydney Symphony Orchestra.
„Allandale“ hat eigene Vertriebsstrukturen für USA, Großbritannien, Japan, Malaysia und Norwegen aufgebaut.


http://www.allandalewinery.com.au/

Rezepte sind zu finden unter:
http://www.allandalewinery.com.au/verjuice_recipes.html

Neuseeland

Das Weingut „Welshmans Reef“ liegt in der Nähe des „historic township of Maldon“ und exportiert seinen Agrest seit neuestem auch nach Malaysia.

http://www.welshmansreef.com/welshmansreef5.html

Auch hier eine eigene Seite mit Rezepten für den „Welshmans Reef Verjuice“:
http://www.welshmansreef.com/welshmansreef7.html

 

Ein neuseeländischer Bioverbrauchermarkt, der den Agrest der Australierin Maggie Beer vertreibt:
http://www.foodlovers.co.nz/features/verjuice.php
Auch auf diesen Seiten kann man eine Rezeptsammlung finden.

Der Importeur von Spezialitäten Mercato bietet ebenfalls „Verjuice“ an:
http://mercato.shopnz.biz/catalog/index.php


Südafrika:

Janice Botha und Diane Heyns in Cape Town, die sich intensiv mit der europäischen „Vorgeschichte“ des Agrest befasst haben, vertreiben ihren Agrest in der gesamten Südafrikanischen Republik vom Western Cape bis Botswana.


http://www.verjuice.co.za/uses.htm

Wird fortgesetzt


Gedruckte Texte zur Geschichte des Agrest / Verjus und seiner Renaissance in Europa und Übersee:
Elmar M. Lorey: Agrest: Die Wiederentdeckung eines Würzmittels.
In: Der Deutsche Weinbau, H. 25-26, 2007, S. 14-18
(hier als pdf-Datei)
Elmar M. Lorey: Agrest - Zur Wiederentdeckung eines traditionsreichen Würzmittels aus dem Weinberg.
In: Rheingau-Forum,17.Jg. 2008, H. 1, S. 21-31 (
hier als pdf-Datei)

Zur Rezeptseite


© Elmar M. Lorey
(Start 02.2006)
Stand: 2018

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